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Produktdetails
  • Jüdische Memoiren 4
  • Verlag: Hentrich & Hentrich
  • Seitenzahl: 309
  • Deutsch
  • Abmessung: 25mm x 166mm x 232mm
  • Gewicht: 462g
  • ISBN-13: 9783933471055
  • Artikelnr.: 27653081
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2001

Der erste Direktor des Jüdischen Museums
Karl Schwarz wird im Centrum Judaicum wiederentdeckt

Wenn man die Gabe besäße, alle Texte sichten zu können, die vergessen in irgendwelchen Archiven von den Einzelheiten des alten jüdischen Berlins erzählen, müßte man sich fast wie ein chassidischer Rabbi vor die Stirn schlagen angesichts der Fülle noch unerzählter Geschichten. Da man aber diese Gabe nicht besitzt, sind es die Historiker, die suchen, sammeln, kompilieren und auswählen müssen. Im Centrum Judaicum kümmern sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter seit Monaten intensiv um eine neue Publikation über den ersten Direktor des Berliner Jüdischen Museums Karl Schwarz (1885-1962). Der Kunsthistoriker zählt zu den vergessenen Persönlichkeiten des jüdischen Berlins der zwanziger Jahre. Er war ein künstlerischer Enthusiast, der 1917 das graphische Werk von Lovis Corinth herausgab, und enge Freundschaften zu vielen jüdischen Künstlern in der Metropole unterhielt, beispielsweise zu dem als schwierig und menschenscheu bekannten Maler Lesser Ury.

In Atelierräumen sitzend, Bilder betrachtend, Gespräche führend in einem Deutschland vor der totalen Verdunkelung, kann man sich Karl Schwarz als einen Menschen vorstellen, der ähnlich wie der Journalist Theodor Wolff, zu den Unverdrossenen gehörte, zu der kleinen Schar waghalsiger Träumer, die sich die symbiotische Kraft der Begegnung von deutscher und jüdischer Kultur nicht ausreden lassen wollten. Als Schwarz 1933 erster Direktor des soeben eröffneten Jüdischen Museums wurde, war er schon ein von Berlin Abschied Nehmender. Nach seiner schnellen Ausreise nach Tel Aviv, wo er bald zum Direktor des neugegründeten Kunstmuseums avancierte, kehrte er nie mehr nach Deutschland zurück. Sein Berlin war mitsamt der künstlerischen Atmosphäre, die er liebte, untergegangen.

Wenn man heute die Aufzeichnungen von Schwarz über seine Erfahrungen in Berlin wieder veröffentlicht, zusammen mit einem ausführlichen Anhang und einigen kleinen Monographien der Künstler, die Schwarz nahestanden, wie es der Direktor des Centrum Judaicums, Hermann Simon, plant, so stellt sich die Frage, ob das nur die historische Rückgewinnung von Erinnerung ist oder auch eine vorsichtige Hoffnung sein kann, daß sich etwas von Karl Schwarz' integrativem Denken und Handeln ins neue Berlin hinüberretten  läßt. "Man muß immer erst Abstand zu den Dingen gewinnen, um sie richtig beurteilen zu können", schrieb Schwarz einst. Jetzt erreichen wir langsam diesen Abstand und leider ist es immer noch das Trennende, was öffentlich betont wird.

Jüdische Kunst in Deutschland? Bei den meisten wird diese Frage wohl auf Verlegenheit stoßen. Germanistikprofessoren, die etwas über das Jüdische bei Paul Celan oder Franz Kafka sagen sollen, Lehrer, die ihren Schülern etwas zur jüdisch-deutschen Kultursymbiose erklären sollen - in der Regel führt dieses Ansinnen zu Hilflosigkeit. Wenn das Buch mit den Lebenserinnerungen von Karl Schwarz voraussichtlich im März im Berliner Hentrich-Verlag erscheinen wird, wäre der Veröffentlichung zu wünschen, daß sie eine Diskussion über das geistige Erbe von Karl Schwarz in Gang setzt und sei es nur über die Art und Weise der Freundlichkeit und Behutsamkeit, mit der er bei  seinen jüdischen wie deutschen Malerfreunden im Atelier saß - als ein Förderer von Gemeinsamkeit.

GERNOT WOLFRAM.

Karl Schwarz: "Jüdische Kunst - Jüdische Künstler". Herausgegeben von Chana C. Schütz und Hermann Simon, Verlag Hentrich & Hentrich, 264 S. mit 40 z.T. farbigen Abbildungen, 48 DM. - Das Buch wird heute um 11 Uhr im Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28-30, von Kultursenator Christoph Stölzl vorgestellt.

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