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"Wer die Jugend hat, hat die Zukunft", verkündeten die Nazis. Bei ihrer Machtausübung stützten sie sich auf einen weit verbreiteten Jugendmythos. Ihr Herrschaftssystem nahm Jungen und Mädchen in historisch einmaliger Weise in seinen Dienst, um sie zu "Garanten der Zukunft" des großdeutschen Imperiums heranzuziehen. Wichtigster Träger dieses Konzepts war die "Hitlerjugend". Als Staatsjugendorganisation prägte sie die junge Generation aufs nachhaltigste, stieß bei einer Minderheit aber auch auf Opposition und Widerstand. In seinem Standardwerk informiert Arno Klönne anhand zahlreicher Dokumente…mehr

Produktbeschreibung
"Wer die Jugend hat, hat die Zukunft", verkündeten die Nazis. Bei ihrer Machtausübung stützten sie sich auf einen weit verbreiteten Jugendmythos. Ihr Herrschaftssystem nahm Jungen und Mädchen in historisch einmaliger Weise in seinen Dienst, um sie zu "Garanten der Zukunft" des großdeutschen Imperiums heranzuziehen. Wichtigster Träger dieses Konzepts war die "Hitlerjugend". Als Staatsjugendorganisation prägte sie die junge Generation aufs nachhaltigste, stieß bei einer Minderheit aber auch auf Opposition und Widerstand. In seinem Standardwerk informiert Arno Klönne anhand zahlreicher Dokumente und zeitgenössischer Berichte über: Formen und Realität faschistischer Jugenderziehung; Organisation und Funktion, Leitbilder und Praktiken der HJ; Wehrerziehung und Jugend im Krieg; die soziale Demagogie in der NS-Jugendpolitik; widerständige Jugendkulturen und jugendliche Widerstandsgruppen.
Autorenporträt
Arno Klönne, Prof. Dr. phil., *1931. Lehrte Soziologie an der Universität Paderborn. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Faschismus und Rechtsextremismus, zur Geschichte der Arbeiterbewegung, zur Sozialkunde der Bundesrepublik und zur internationalen Politk. Zuletzt: "Globale Spiele" und "Ein Kreuzzug für die Zivilisation?" (beide zusammen mit Werner Biermann).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.03.2004

Im Gleichschritt
In der Hitlerjugend kollidierten Drill und Widerstand
ARNO KlÖNNE: Jugend im Dritten Reich – Die Hitlerjugend und ihre Gegner. PapyRossa Verlag, Köln 2003. 328 Seiten, 7,95 Euro.
Einen besseren Kenner der Materie gibt es nicht: Arno Klönne, emeritierter Soziologie-Professor in Paderborn, beschäftigt sich seit einem halben Jahrhundert mit der Jugendbewegung, vor allem auch mit der Hitlerjugend (HJ). Schon früh hat er die Gegenmilieus zur nationalsozialistischen Staatsjugend in den Blick genommen. Diese konnten sich unter dem Terrorsystem zwar nicht entfalten oder gar zusammenfinden, erlangten aber doch soviel Gewicht, dass sie von diesem als Bedrohung empfunden und brutal unterdrückt wurden.
Aber auch die HJ selbst erscheint bei genauerem Hinsehen nicht als die monolithische Organisation, als die sie gern hingestellt wird. Hitlers Vision, in einer Rede von 1938 geäußert, wurde allenfalls in Ansätzen Wirklichkeit: „Diese Jugend, die lernt ja nichts anderes als deutsch denken, deutsch handeln, und wenn nun diese Knaben mit zehn Jahren in unsere Organisation hineinkommen und oft zum erstenmal überhaupt eine frische Luft bekommen und fühlen, dann kommen sie vier Jahre später vom Jungvolk in die Hitlerjugend, und dort behalten wir sie wieder vier Jahre, und dann geben wir sie erst recht nicht wieder zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger, sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei, in die Arbeitsfront, in die SA oder in die SS, in das NSKK und so weiter, und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben, und sie sind glücklich dabei.”
In seinem neuesten Buch „Jugend im Dritten Reich”, der Bilanz langjährigen Forschens, schreibt Klönne an dieser Vision entlang und hält ihr die tatsächliche Entwicklung entgegen. Die Erfassung der Jugend gelang nicht entfernt so „total”, wie sich das Hitler gewünscht hat. Und mit dem Glücklichsein der Jugend stand es auch nicht zum Besten. Die meisten Pimpfe, Hitlerjungen, Jungmädel und BDM-Mädel wandten sich zunehmend vom Dienst in der Organisation ab oder machten vielfach widerwillig mit.
Ohne Zahl waren Klagen von Kreisleitungen und Ortsgruppenleitern über Schlendrian, Führermangel, Aufmüpfigkeit gegenüber Erwachsenen, Konflikten mit Lehrern und anderen Autoritäten. Ja, es gab selbst innerhalb der HJ Widersetzlichkeit und passiven Widerstand. Ähnlich stand es mit der von Hitler angesprochenen Nivellierung der Klassen- und Standesunterschiede. Bis zu einem gewissen Grad bezog die HJ daraus ihre anfangs recht große Attraktivität. Da aber schulisch die soziale Fragmentierung nicht aufgebrochen wurde und da zudem Sonderformationen wie Flieger-, Marine-, Motor-HJ zu Sammelbecken für privilegierte Jugendliche wurden, blieb vieles Stückwerk. Besser gelang es, vernachlässigte oder benachteiligte Gruppen einzubeziehen. Insbesondere den Jugendlichen auf dem Land und den Mädchen bot die HJ hingegen einen bisher nicht gekannten außerfamiliären Betätigungsraum sowie die Chance zu größerer Mobilität durch Ausflüge, Freizeiten, Zeltlager und kulturelle Aktivitäten. In dem Maße aber, in dem sich die HJ von den geliehenen Idealen der Jugendbewegung entfernte, erodierte die Begeisterung auch hier. Was war denn gewonnen, wenn man dem schulischen Druck und der elterlichen Aufsicht partiell entkam, dafür aber Schikanen gegen monotonen Drill eintauschte? Die Maxime „Jugend muss durch Jugend geführt werden” zeigte schnell ihre Kehrseite.
Die HJ nutzte die jugendbewegte Stimmung, verspielte sie aber, als sich der versprochene Aufbruch auf den Staatsjugenddienst, die paramilitärische Ausbildung und schließlich den Kriegshilfsdienst konzentrierte. Dennoch darf die Prägung nicht unterschätzt werden, die durch das Einüben von blindem Gehorsam, die Berieselung mit Propaganda und den Missbrauch von Leistungs- und Opferbereitschaft langfristig Wirkung erzielt hat. Klönne bezeichnet es als Glück, dass diese Dispositionen nach dem Zusammenbruch des NS-Staates ein unerschöpfliches materielles Betätigungsfeld im Wiederaufbau fanden, so dass Fehlentwicklungen zunächst die Ausnahme blieben. Er befürchtet aber eine Art Nachwirkung durch die Weitergabe etwa von Überlegenheitsgefühlen, Mitleidlosigkeit, Ellbogengesinnung, Fremdenfeindlichkeit und anderen Giften, die seinerzeit injiziert worden sind. Wie die Jugendbewegung kein Pendant in vergleichbaren Ländern hatte, so war keine Jugend wie die deutsche der dreißiger und ersten vierziger Jahre derartiger Indoktrination ausgesetzt. Ein kausaler Zusammenhang zu politischen Verwerfungen am rechten Rand bis heute kann aber höchstens vermutet werden. Sie sind ja keine deutsche Spezialität, sondern verunzieren die politische Landschaft allenthalben.
FRIEDEMANN BEDÜRFTIG
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Einen besseren Kenner der Materie gibt es nicht", rühmt Friedemann Bedürftig den emeritierten Soziologen Arno Klönne. Angesichts seiner nun vorliegenden Bilanz langjährigen Forschens schreibt der Rezensent: "Die Erfassung der Jugend gelang nicht entfernt so 'total', wie Hitler sich das gewünscht hat.". Klönne sichte neben "Gegenmilieus zur nationalsozialistischen Staatsjugend" selbst in der HJ noch "passiven Widerstand". Während der Autor aufzeige, wie und warum die anfänglich große Attraktivität der Jugendorganisationen zu erodieren begann, dürfen der Einfluss und die möglichen Nachwirkungen von Drill und Propaganda nicht unterschätzt werden, so der Rezensent, der hier aber nicht kenntlich macht, ob er seinen eigenen Standpunkt oder den des Autors referiert. Zwar hätten diese "Dispositionen" nach Kriegsende glücklicherweise "ein unerschöpfliches materielles Betätigungsfeld im Aufbau" gefunden, so Klönne. Dennoch befürchte er Nachwirkungen in Form von "Ellenbogengesinnung, Fremdenfeindlichkeit" und "anderen Giften".

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