Jede Jugendarbeit -auch die sozialistische -hat es mit einer konkreten Ju gendpopulation zu tun, deren historische Gebundenheit den Rahmen des Machbaren bestimmt. Das gilt nicht nur und in besonderer Weise für die Ju gendgeneration der Geburtsjahrgänge 1921 bis 1929. Das gilt auch für die Anlage einer Untersuchung zu einem Thema der historischen Jugendfor schung. Im Gegensatz zu jeder Institutionen-und Politikgeschichte, zu jeder Wirtschafts- oder Ereignisgeschichte kann der Fragehorizont nicht trenn scharf in den Grenzen sein. Der für diese Untersuchung zugrundegelegte Forschungsansatz der Sozial- und Mentalitätsgeschichte verlangt vielmehr Fragen nach dem geistigen Klima der Nachkriegszeit, nach den Wert-und Normenvorstellungen, nach Sozialisationsbedingungen und Einstellungsmu stern, nach Lebens-und Arbeitskonzepten sowie Selbst-und Fremdbildern. Der sozialistische Jugendverband hatte es am Beginn seiner Arbeit nach 1945 mit einer Jugendgeneration zu tun, die während des NS ineinmaligem Ausmaß instrumentalisiert und mißbraucht worden war. Die Jugendlichen hatten zu einem ganz überwiegenden Teil ihres Lebens soziale Rahmenbe dingungen erlebt, die eine altersgemäße Entwicklung und Entfaltung nicht zuließen. Die Begleiterscheinungen des Krieges und an dessen Ende die Rekrutierung von Heranwachsenden für die Vaterlandsverteidigung poten zierten für sie die Belastungen. Doch auch nach dem 8. Mai 1945 hörten die Entbehrungen nicht auf. Der Tag der deutschen Kapitulation, der sowohl subjektiv als auch objektiv ein tatsächlicher Einschnitt war und sich damit als ein Merkposten für eine notwendige Periodisierung anbietet, erfüllt be sonders für Fragen an die Sozial-und Alltagsgeschichte nicht die Ansprüche an eine "Stunde Null" oder gar an einen Neuanfang.