Es war die Epoche absoluter Sicherheit, wie Stefan Zweig in der Welt von Gestern schreibt. Unter der Oberfläche brodelte es aber, und kraftvoll emanzipierte sich eine Generation junger Architekten vom schwerfälligen Stil des 19. Jahrhunderts. In München erschien die Zeitschrift Jugend, jung zu sein war plötzlich erstrebenswert; das frische Denken der Künstler der Jahrhundertwende fegte den hohlen Pathos des Historismus hinweg. In der Spätphase des Habsburgerreichs, in einem Vielvölkerstaat, der stärker integriert war als die heutige Europäische Union, waren die Künstler gut vernetzt und die Konkurrenz groß. So kam es zu einer letzten Blüte von Architektur und Kunsthandwerk, bevor die Katastrophe des I. Weltkrieges diese Welt von Gestern mit all ihrer Vielfalt und Individualität auslöschte. 1896, mit den Millenniumsfeiern, blickte Ungarn damals auf seine tausendjährige Geschichte zurück, während gleichzeitig junge Architekten nach einem neuen Nationalstil für die Zukunft suchten. Heute glüht in Budapest das Gold der Jugendstilbauten noch prachtvoller als in der Haupt- und Residenzstadt Wien. Wie so oft wurde im reichen Wien wesentlich mehr achtlos vernichtet als in den anderen Hauptstädten der Donaumonarchie. Manches wurde in Budapest erhalten und restauriert, vieles dämmerte aber aus Geldmangel jahrzehntelang dem Verfall entgegen, bevor es in den letzten Jahren wieder auferstehen konnte liebevoll neu belebt, geschmackvoll renoviert. Jugendstil in Budapest zeigt die Vielfalt der zu wenig bekannten Baukünstler wie Ödön Lechner, Béla Lajta oder Albert Kálmán K.rössy, sorgfältig und aktuell fotografiert zwischen Sommer 2023 und Frühling 2024.