Eine junge Frau ersteht in einem Pariser Antiquariat ein schmales Büchlein einer ihr unbekannten Autorin, »Die Eiszeit« von Jeanne Saré. Sie liest es in wenigen Stunden aus und fühlt sich danach um Jahre gealtert und auf verstörende Weise fundamental verändert. Wie sich herausstellt, ist sie nicht die Einzige, deren Leben nach der Lektüre ein anderes ist. Kurz nach seinem Erscheinen in den 70er Jahren hatte das Buch für Furore gesorgt, seine Autorin wurde zum Mythos: eine 17-jährige Selbstmörderin voller Hass und Sehnsucht, die die Veröffentlichung ihrer Texte nicht mehr erlebt hat. Die feministische Linke feiert sie als Märtyrerin, doch ein düsterer Sog scheint von den Worten Sarés auszugehen: 14 junge Frauen folgen der Autorin in den Freitod. Jahrzehnte später machen sich im Paris der Gegenwart ein paar Menschen auf, das düstere Geheimnis des Textes und seiner Wirkung zu ergründen. In ihrem fulminanten Debüt zeigt Nino Haratischwili auf kluge und schwindelerregende Weise die Kraft der Sprache und erzählt von der manchmal lebensverändernden Wirkung von Literatur.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Aha, ein Frauenbuch. Jedenfalls schicken rosa Einband, lila Schrift und allerhand unglückliche Frauenfiguren im Debütroman von Nino Haratischwili die Rezensentin auf diese Fährte. Tief im Innern des Buches aber geht es dann doch um so hartgesottene Fragen, findet Grete Götze heraus: Was ist ein Autor, was eine authentische Geschichte? Oder doch nicht ganz? Laut Götze spielt die junge Autorin nur mit diesen Fragen und schreibt ansonsten ein Buch über die Liebe, über Paris, das Cafe de Flore und den Montmartre und entwirft ein riesiges Panoptikum von Figuren mit je eigener Sprache. Der direkte Draht der Autorin zur Sprache überrascht die Rezensentin weniger, schließlich kommt Haratischwili vom Theater. Als intensive Melange aus kriminalistischen, autobiografischen und mythologischen Elementen überzeugt sie dieses Debüt auf jeden Fall.
© Perlentaucher Medien GmbH
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