Packendes Debüt im Brennpunktmilieu
In dem Roman „Jung und unsichtbar“ stellt der Autor Frederico Avino einen 13jährigen, der mit seiner Mutter am Stadtrand wohnt, in den Mittelpunkt. Der Ich-Erzähler blickt auf sein Leben zurück. Im Viertel sind sie eingekesselt von Autobahnen und an den Ecken
stehen Alkoholkranke an den Trinkhallen. Die Geschichte spielt in Braunschweig, könnte aber auch…mehrPackendes Debüt im Brennpunktmilieu
In dem Roman „Jung und unsichtbar“ stellt der Autor Frederico Avino einen 13jährigen, der mit seiner Mutter am Stadtrand wohnt, in den Mittelpunkt. Der Ich-Erzähler blickt auf sein Leben zurück. Im Viertel sind sie eingekesselt von Autobahnen und an den Ecken stehen Alkoholkranke an den Trinkhallen. Die Geschichte spielt in Braunschweig, könnte aber auch überall woanders spielen. Die Mutter sucht sich die falschen Männer aus und aktuell ist sie mit dem gewalttätigen Onkel des Jungen zusammen. Durch die Verkettung unglücklicher Umstände passiert etwas sehr Schlimmes und zieht immer noch etwas Schlimmeres nach sich. Avino beschreibt oft erst die Momente danach und das ist noch viel einprägsamer, als wenn er das Blutspritzen beschreiben würde.
Avino baut die Spannung der Geschichte geschickt auf und steigert sie bald ins Unermessliche. Der Junge wird von einer Spirale der Gewalt mitgerissen, die für ihn zu groß und gewaltig ist. Aber er ist nicht allein. Glücklicherweise stehen dem Protagonisten mehrere Figuren zur Seite: ein zurückgebliebener, aber unerschrockener Nachbarsjunge, der so etwas wie ein Bruder ist, und zwei ältere Jugendliche aus dem Viertel, die schon im Gefängnis gesessen haben. Außerdem helfen auch noch ein verwöhntes Mädchen aus der Schule und eine ehemalige Lehrerin, dass der Sog des Strudels der Ereignisse den Jungen nicht ganz verschluckt.
Der Roman erinnert an Philippe Djians „Mörder“, in dem ein junger Mann unschuldig durch sein Umfeld in den Abgrund gezogen wird. Mitgefangen, mitgehangen. Avino stellt sich als vielversprechendes Talent heraus, von dem man gerne mehr lesen würde. Er entwickelt starke Figuren und hat Bilder für seine Story gefunden, die man als Leser so schnell nicht mehr vergisst. Schön arbeitet er den Kontrast zwischen arm und reich heraus, das soziale Gefälle und die damit oft verbundene Chancenlosigkeit. Das Ende ist bewegend und bleibt offen. Allerdings ist es mit einem guten Ausblick versehen. Man merkt, dass Avino als Filmautor arbeitet.
Die Jugendsprache ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber man findet sich schnell in der Sprachmelodie des Ich-Erzählers zurecht. Man fühlt und leidet mit den Figuren mit. Der wie ein Roadmovie geschriebene Roman nimmt einen mit auf eine abenteuerliche Flucht. Die Geschichte überrascht mit einer Tiefe, die man zu Beginn nicht erwartet hätte. Sehr empfehlenswert, aber nichts für schwache Nerven.