In einer regnerischen Nacht bricht Ted Simon auf, um die Welt mit dem Motorrad zu erfahren. Vier Jahre, dreiundfünfzig Länder und einhunderttausend Kilometer später har er den Globus umrundet. Er nimmt uns mit durch afrikanische Wüsten, südamerikanische Goldgräberstädte, über australische Plains und indische Tempelpfade - auf eine Reise, die alle Grenzen hinter sich lässt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.06.2007Motorrad fahren
Der englische Journalist, Publizist und philosophierende Motorradfahrer Ted Simon wurde mit seinem Bestseller "Jupiters Fahrt" (1979) in Bikerkreisen zur Kultfigur. Ein Viertel Jahrhundert später, mit siebzig Jahren, wiederholt er die "unwiederholbare Reise" auf den Spuren der verlorenen Jugend und Aussteigerillusionen. Von Dorchester aus reist er quer durch Europa, von Tunis über Ostafrika bis Kapstadt, setzt über nach Südamerika, fährt von Rio bis San Francisco, bereist Neuseeland, Australien, Südostasien, um über Indien und Osteuropa zum Ausgangspunkt zurückzufinden. Die letzte große Fahrt des vagabundierenden Geschichtenerzählers, der die Orte, Stationen und Bekanntschaften der ersten Reise wiederaufsucht, ist dabei weniger rasantes Roadmovie als eine leise Parabel auf das Abschiednehmen. Als Chronist gesellschaftlicher Veränderungen und Kritiker überflüssiger Modernisierungen rekonstruiert er die zweifelhaften Zivilisationsschübe der Entwicklungsländer oder wie er sie zynisch nennt, "unfertigen Welt". Dabei offenbart er eine latente Trauer über die Zerstörung indigener Sozialstrukturen und das Verschwinden der Schauplätze seiner Initiation in die Gastfreundschaft fremder Kulturen. Aber auch vom Ansatz her ist vieles anders, organisierter und privilegierter bei Simons retour aux sources und Selbstfindungsreise. So ist kritisch anzumerken, dass Sponsoren, die kurze Begleitung durch ein Fernsehteam oder das Ausnutzen von UN-Kontakten bei Visumsproblemen die Authentizität und Abenteuerlust, von der die erste Reise geprägt war, unterminieren. Dennoch ist der gealterte Held, der sich auf seinem motorisierten "weißen Schlachtross" einen Weg im Kampf gegen die Globalisierungswindmühlen bahnt, sich und dem Publikum treu geblieben: Simon überzeugt in der Art, in der er über sein bewegtes Motorradfahrerleben im reflexiven Rückspiegel sinniert, wie er von den Brüchen der privaten Biographie überleitet zu Exkursen über die aktuelle politische Lage, den Klimawandel und zur Zukunft unseres Planeten, ohne den englischen Mutterwitz und galgenhumorigen Grundoptimismus zu verlieren.
sg
"Jupiters Träume. Mit dem Motorrad um die Welt" von Ted Simon. DuMont Verlag, Köln 2007. 494 Seiten, 32 Fotos. Broschiert, 16,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der englische Journalist, Publizist und philosophierende Motorradfahrer Ted Simon wurde mit seinem Bestseller "Jupiters Fahrt" (1979) in Bikerkreisen zur Kultfigur. Ein Viertel Jahrhundert später, mit siebzig Jahren, wiederholt er die "unwiederholbare Reise" auf den Spuren der verlorenen Jugend und Aussteigerillusionen. Von Dorchester aus reist er quer durch Europa, von Tunis über Ostafrika bis Kapstadt, setzt über nach Südamerika, fährt von Rio bis San Francisco, bereist Neuseeland, Australien, Südostasien, um über Indien und Osteuropa zum Ausgangspunkt zurückzufinden. Die letzte große Fahrt des vagabundierenden Geschichtenerzählers, der die Orte, Stationen und Bekanntschaften der ersten Reise wiederaufsucht, ist dabei weniger rasantes Roadmovie als eine leise Parabel auf das Abschiednehmen. Als Chronist gesellschaftlicher Veränderungen und Kritiker überflüssiger Modernisierungen rekonstruiert er die zweifelhaften Zivilisationsschübe der Entwicklungsländer oder wie er sie zynisch nennt, "unfertigen Welt". Dabei offenbart er eine latente Trauer über die Zerstörung indigener Sozialstrukturen und das Verschwinden der Schauplätze seiner Initiation in die Gastfreundschaft fremder Kulturen. Aber auch vom Ansatz her ist vieles anders, organisierter und privilegierter bei Simons retour aux sources und Selbstfindungsreise. So ist kritisch anzumerken, dass Sponsoren, die kurze Begleitung durch ein Fernsehteam oder das Ausnutzen von UN-Kontakten bei Visumsproblemen die Authentizität und Abenteuerlust, von der die erste Reise geprägt war, unterminieren. Dennoch ist der gealterte Held, der sich auf seinem motorisierten "weißen Schlachtross" einen Weg im Kampf gegen die Globalisierungswindmühlen bahnt, sich und dem Publikum treu geblieben: Simon überzeugt in der Art, in der er über sein bewegtes Motorradfahrerleben im reflexiven Rückspiegel sinniert, wie er von den Brüchen der privaten Biographie überleitet zu Exkursen über die aktuelle politische Lage, den Klimawandel und zur Zukunft unseres Planeten, ohne den englischen Mutterwitz und galgenhumorigen Grundoptimismus zu verlieren.
sg
"Jupiters Träume. Mit dem Motorrad um die Welt" von Ted Simon. DuMont Verlag, Köln 2007. 494 Seiten, 32 Fotos. Broschiert, 16,90 Euro.
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