What happens when the international community simultaneously pursues peace and justice in response to ongoing conflicts? What are the effects of interventions by the International Criminal Court (ICC) on the wars in which the institution intervenes? Is holding perpetrators of mass atrocities accountable a help or hindrance to conflict resolution? This book offers an in-depth examination of the effects of interventions by the ICC on peace, justice and conflict
processes. The 'peace versus justice' debate, wherein it is argued that the ICC has either positive or negative effects on 'peace', has spawned in response to the Court's propensity to intervene in conflicts as they still rage. This book is a response to, and a critical engagement with, this debate.
Building on theoretical and analytical insights from the fields of conflict and peace studies, conflict resolution, and negotiation theory, the book develops a novel analytical framework to study the Court's effects on peace, justice, and conflict processes. This framework is applied to two cases: Libya and northern Uganda. Drawing on extensive fieldwork, the core of the book examines the empirical effects of the ICC on each case. The book also examines why the ICC has the effects that it does,
delineating the relationship between the interests of states that refer situations to the Court and the ICC's institutional interests, arguing that the negotiation of these interests determines which side of a conflict the ICC targets and thus its effects on peace, justice, and conflict processes.
While the effects of the ICC's interventions are ultimately and inevitably mixed, the book makes a unique contribution to the empirical record on ICC interventions and presents a novel and sophisticated means of studying, analyzing, and understanding the effects of the Court's interventions in Libya, northern Uganda - and beyond.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
processes. The 'peace versus justice' debate, wherein it is argued that the ICC has either positive or negative effects on 'peace', has spawned in response to the Court's propensity to intervene in conflicts as they still rage. This book is a response to, and a critical engagement with, this debate.
Building on theoretical and analytical insights from the fields of conflict and peace studies, conflict resolution, and negotiation theory, the book develops a novel analytical framework to study the Court's effects on peace, justice, and conflict processes. This framework is applied to two cases: Libya and northern Uganda. Drawing on extensive fieldwork, the core of the book examines the empirical effects of the ICC on each case. The book also examines why the ICC has the effects that it does,
delineating the relationship between the interests of states that refer situations to the Court and the ICC's institutional interests, arguing that the negotiation of these interests determines which side of a conflict the ICC targets and thus its effects on peace, justice, and conflict processes.
While the effects of the ICC's interventions are ultimately and inevitably mixed, the book makes a unique contribution to the empirical record on ICC interventions and presents a novel and sophisticated means of studying, analyzing, and understanding the effects of the Court's interventions in Libya, northern Uganda - and beyond.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2016Über den Umgang
mit Kriegsverbrechern
Gerechtigkeit nach Art des Weltstrafgerichtshofs
Den Philosophen Immanuel Kant, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und ihren vielen Anhängern in der konservativen Juristenschaft ging es im Umgang mit Kriminalität allein darum, Schuld zu vergelten – in einem feierlichen, symbolischen Akt, der von Fragen nach Sinn, Zweck oder sozialen Folgen möglichst rein zu halten ist. Kant und Hegel nennen das eine sinnbildliche „Wiederherstellung“ des Rechts: klar, logisch, streng. Die Kerker mögen heillos überfüllt sein, das Strafsystem immer neue kaputte Biografien verwalten – trotzdem sollten sich Richter nicht von pragmatischen Überlegungen der Kriminalpolitik beirren lassen. Ob die Strafe bewirkt, dass künftig weniger Taten begangen werden? Oder – wenn sie den Delinquenten tiefer ins Elend stürzt – sogar mehr Taten? Das dürfe keine Rolle spielen beim feierlichen Akt der Schuldvergeltung, meinten Kant und Hegel – denn dieser Akt diene einer höheren, einer „metaphysischen“ Sache, dem Recht selbst.
Schönen Dank auch. Hoch von ihrer Wolke aus dürften die Philosophen des deutschen Idealismus das Scheitern des Friedens-Referendums in Kolumbien in der vergangenen Woche mit größter Genugtuung gesehen haben. 50,2 Prozent stimmten dort dagegen, den Bürgerkrieg zu beenden, der ihr Land seit mehr als fünfzig Jahren quält. Warum? Weil sie dafür auf eine Bestrafung der Guerilleros zumindest teilweise hätten verzichten müssen.
Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos wird sich darüber auch mit seinem Friedensnobelpreis nicht hinwegtrösten können: Es hegelt in Kolumbien, es lebt der Satz auf, den schon Kaiser und Könige gern zitierten: Fiat iustitia et pereat mundus. Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde. (Die vom Krieg direkt betroffene Landbevölkerung Kolumbiens konnte sich so eine Einstellung nicht leisten, sie hat mehrheitlich für Frieden und Strafverzicht gestimmt.)
Wenn es um die Ahndung von Kriegsverbrechen geht, wird auch der größte Liberale hart. Zu Recht. Es hat zu lange gedauert, bis Kriegsverbrecher überhaupt belangt werden konnten. Die Idee ist noch immer jung. Trotzdem bleibt die irritierende Erkenntnis: So wie Strafen gegen Räuber und Dealer nicht unbedingt dazu führen, dass die Kriminalität abnimmt, so ist auch die Ahndung von Kriegsverbrechen nicht automatisch förderlich dafür, dass Frieden einkehrt und weniger Kriegsverbrechen begangen werden.
Damit, welchen Effekt „Gerechtigkeit“ auf Kriege hat, beschäftigt sich ein eigener Forschungszweig, seitdem 2002 der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Pforten geöffnet hat. Aus dieser Forschung ragt nun erstmals ein Buch heraus. Erstens weil es besonders gut geschrieben ist, angloamerikanisch unprätentiös. Zweitens weil es die Dinge mit angenehmer, im menschenrechtsbewegten Umfeld seltener Nüchternheit betrachtet. Keine Frage: Der kanadische Politikwissenschaftler Mark Kersten ist ein Befürworter rückhaltloser Verfolgung von Kriegsverbrechern. Trotzdem gesteht er in „Justice in Conflict“ dem Zweifel seinen Platz zu.
Beispiel Uganda. Dort bekriegen sich Armee und Rebellen, deshalb hat die Regierung 2004 den Internationalen Strafgerichtshof herbeigerufen. Die Haager Juristen haben sich artig bedankt für diese Einladung, indem sie nur gegen die Rebellen ermittelt und angesichts von weit verbreiteten Verbrechen der Regierungsarmee großzügig die Augen verschlossen haben. Zufrieden war damit trotzdem niemand. Als das Weltstrafgericht sich einmal festgebissen hatte, konnte es sich nicht einfach wieder lautlos verziehen. Als die Politik in Uganda sich zum Guten wandelte und die Regierung sich schon darauf freute, mit den Rebellen am grünen Tisch über eine Aussöhnung reden zu können, da waren die Haager Haftbefehle noch immer in der Welt.
Es zählt zu den harten, neuen Prinzipien des Völkerstrafrechts, niemals politische Amnestien zu gewähren oder zu akzeptieren – et pereat mundus. Die Folge: Der Milizenführer Kony und sein Vize trauten sich nicht aus dem Dschungel heraus. Ihre Stühle bei den Friedensverhandlungen blieben leer. Der Krieg ging weiter, weil der Wunsch nach Strafe zu groß war. Viele Grüße an dieser Stelle auch nach Kolumbien.
Vorsicht, wendet der Buchautor Kersten ein: Es sei zu einfach, den auf unbedingte Strafverfolgung Erpichten allein die Schuld für das Scheitern der Friedensgespräche in Uganda zuzuschieben. Aber so sehr er die politische Dynamik auch in ihrer Komplexität beschreibt, so trüb bleibt doch Kerstens Bilanz: Die Mächtigen in Uganda sind dank der Intervention von Strafverfolgern zeitweise noch etwas mächtiger geworden im Vergleich zu ihrer innenpolitischen Konkurrenz; das war’s.
Beispiel Libyen. Dort griff die internationale Justiz ein, gerade als der Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 zu wanken begann. Den Haag erließ einen Haftbefehl gegen Gaddafi. Der Staatschef wurde zum internationalen Paria – was libysche Oppositionelle als Signal verstanden, dass er keine Zukunft mehr habe, weil sich der Westen nicht mehr auf einen Deal mit ihm in letzter Minute einlassen werde.
Das hat die Kampfmoral der Opposition befeuert, analysiert Kersten. Zugleich hat sich die Warnung der International Crisis Group von 2011 auf traurige Weise bewahrheitet: „Darauf zu bestehen, dass Gaddafi das Land verlässt und sich einem Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof stellt, ist praktisch die Garantie dafür, dass er in Libyen bleiben und bis zum bitteren Ende weiterkämpfen wird.“
Frieden und Gerechtigkeit, was für große Worte. Ihr Verhältnis ist ambivalent, zeigt Kersten, saubere Antworten gibt es nicht, auch keine einfache Handlungsanleitung. Tröstlich ist das alles nicht. Aber ein sehr gutes Buch.
RONEN STEINKE
Das gescheiterte Referendum
in Kolumbien hätte Kant
und Hegel gefreut
Mark Kersten:
Justice in Conflict. The Effects of the International Criminal Court's
Interventions on Ending Wars and Building Peace.
Oxford University Press, Oxford 2016. 272 Seiten,
60 Pfund.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
mit Kriegsverbrechern
Gerechtigkeit nach Art des Weltstrafgerichtshofs
Den Philosophen Immanuel Kant, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und ihren vielen Anhängern in der konservativen Juristenschaft ging es im Umgang mit Kriminalität allein darum, Schuld zu vergelten – in einem feierlichen, symbolischen Akt, der von Fragen nach Sinn, Zweck oder sozialen Folgen möglichst rein zu halten ist. Kant und Hegel nennen das eine sinnbildliche „Wiederherstellung“ des Rechts: klar, logisch, streng. Die Kerker mögen heillos überfüllt sein, das Strafsystem immer neue kaputte Biografien verwalten – trotzdem sollten sich Richter nicht von pragmatischen Überlegungen der Kriminalpolitik beirren lassen. Ob die Strafe bewirkt, dass künftig weniger Taten begangen werden? Oder – wenn sie den Delinquenten tiefer ins Elend stürzt – sogar mehr Taten? Das dürfe keine Rolle spielen beim feierlichen Akt der Schuldvergeltung, meinten Kant und Hegel – denn dieser Akt diene einer höheren, einer „metaphysischen“ Sache, dem Recht selbst.
Schönen Dank auch. Hoch von ihrer Wolke aus dürften die Philosophen des deutschen Idealismus das Scheitern des Friedens-Referendums in Kolumbien in der vergangenen Woche mit größter Genugtuung gesehen haben. 50,2 Prozent stimmten dort dagegen, den Bürgerkrieg zu beenden, der ihr Land seit mehr als fünfzig Jahren quält. Warum? Weil sie dafür auf eine Bestrafung der Guerilleros zumindest teilweise hätten verzichten müssen.
Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos wird sich darüber auch mit seinem Friedensnobelpreis nicht hinwegtrösten können: Es hegelt in Kolumbien, es lebt der Satz auf, den schon Kaiser und Könige gern zitierten: Fiat iustitia et pereat mundus. Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde. (Die vom Krieg direkt betroffene Landbevölkerung Kolumbiens konnte sich so eine Einstellung nicht leisten, sie hat mehrheitlich für Frieden und Strafverzicht gestimmt.)
Wenn es um die Ahndung von Kriegsverbrechen geht, wird auch der größte Liberale hart. Zu Recht. Es hat zu lange gedauert, bis Kriegsverbrecher überhaupt belangt werden konnten. Die Idee ist noch immer jung. Trotzdem bleibt die irritierende Erkenntnis: So wie Strafen gegen Räuber und Dealer nicht unbedingt dazu führen, dass die Kriminalität abnimmt, so ist auch die Ahndung von Kriegsverbrechen nicht automatisch förderlich dafür, dass Frieden einkehrt und weniger Kriegsverbrechen begangen werden.
Damit, welchen Effekt „Gerechtigkeit“ auf Kriege hat, beschäftigt sich ein eigener Forschungszweig, seitdem 2002 der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Pforten geöffnet hat. Aus dieser Forschung ragt nun erstmals ein Buch heraus. Erstens weil es besonders gut geschrieben ist, angloamerikanisch unprätentiös. Zweitens weil es die Dinge mit angenehmer, im menschenrechtsbewegten Umfeld seltener Nüchternheit betrachtet. Keine Frage: Der kanadische Politikwissenschaftler Mark Kersten ist ein Befürworter rückhaltloser Verfolgung von Kriegsverbrechern. Trotzdem gesteht er in „Justice in Conflict“ dem Zweifel seinen Platz zu.
Beispiel Uganda. Dort bekriegen sich Armee und Rebellen, deshalb hat die Regierung 2004 den Internationalen Strafgerichtshof herbeigerufen. Die Haager Juristen haben sich artig bedankt für diese Einladung, indem sie nur gegen die Rebellen ermittelt und angesichts von weit verbreiteten Verbrechen der Regierungsarmee großzügig die Augen verschlossen haben. Zufrieden war damit trotzdem niemand. Als das Weltstrafgericht sich einmal festgebissen hatte, konnte es sich nicht einfach wieder lautlos verziehen. Als die Politik in Uganda sich zum Guten wandelte und die Regierung sich schon darauf freute, mit den Rebellen am grünen Tisch über eine Aussöhnung reden zu können, da waren die Haager Haftbefehle noch immer in der Welt.
Es zählt zu den harten, neuen Prinzipien des Völkerstrafrechts, niemals politische Amnestien zu gewähren oder zu akzeptieren – et pereat mundus. Die Folge: Der Milizenführer Kony und sein Vize trauten sich nicht aus dem Dschungel heraus. Ihre Stühle bei den Friedensverhandlungen blieben leer. Der Krieg ging weiter, weil der Wunsch nach Strafe zu groß war. Viele Grüße an dieser Stelle auch nach Kolumbien.
Vorsicht, wendet der Buchautor Kersten ein: Es sei zu einfach, den auf unbedingte Strafverfolgung Erpichten allein die Schuld für das Scheitern der Friedensgespräche in Uganda zuzuschieben. Aber so sehr er die politische Dynamik auch in ihrer Komplexität beschreibt, so trüb bleibt doch Kerstens Bilanz: Die Mächtigen in Uganda sind dank der Intervention von Strafverfolgern zeitweise noch etwas mächtiger geworden im Vergleich zu ihrer innenpolitischen Konkurrenz; das war’s.
Beispiel Libyen. Dort griff die internationale Justiz ein, gerade als der Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 zu wanken begann. Den Haag erließ einen Haftbefehl gegen Gaddafi. Der Staatschef wurde zum internationalen Paria – was libysche Oppositionelle als Signal verstanden, dass er keine Zukunft mehr habe, weil sich der Westen nicht mehr auf einen Deal mit ihm in letzter Minute einlassen werde.
Das hat die Kampfmoral der Opposition befeuert, analysiert Kersten. Zugleich hat sich die Warnung der International Crisis Group von 2011 auf traurige Weise bewahrheitet: „Darauf zu bestehen, dass Gaddafi das Land verlässt und sich einem Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof stellt, ist praktisch die Garantie dafür, dass er in Libyen bleiben und bis zum bitteren Ende weiterkämpfen wird.“
Frieden und Gerechtigkeit, was für große Worte. Ihr Verhältnis ist ambivalent, zeigt Kersten, saubere Antworten gibt es nicht, auch keine einfache Handlungsanleitung. Tröstlich ist das alles nicht. Aber ein sehr gutes Buch.
RONEN STEINKE
Das gescheiterte Referendum
in Kolumbien hätte Kant
und Hegel gefreut
Mark Kersten:
Justice in Conflict. The Effects of the International Criminal Court's
Interventions on Ending Wars and Building Peace.
Oxford University Press, Oxford 2016. 272 Seiten,
60 Pfund.
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