Dem Hausverstand ist nicht zu trauen. Leider. Denn ohne eine gehörige Portion vorgefasster Meinungen wären schon die einfachsten Dinge des Alltags nur mit größtem Aufwand zu bewältigen. Mehr noch - das Ausverhandeln solcher Vorurteile geht Hand in Hand mit der Konstruktion sozialer Werte, durch die sich eine Gesellschaft definiert: Wer gehört dazu, wer nicht? Was unterscheidet richtiges von falschem Verhalten? Und welche Sanktionen sind angemessen, wenn sich jemand eines Fehltritts schuldig macht? Massenmedien wie das Fernsehen spielen eine wichtige Rolle für diese Selbst(er-)findung von Gesellschaften. Sie erzählen Geschichten, die auf solche gesellschaftlichen Werte zurückgreifen, sie in Frage stellen oder verfestigen. Richtertalks - als Gerichtskrimis getarnte Talkshows, in denen fiktive Kriminalfälle verhandelt werden - machen soziale Werte zum Thema und zeigen, was gerade als anständig oder verwerflich gilt, und dass der Unterschied doch ganz selbstverständlich ist. Nichts muss so sehr hinterfragt werden wie das Selbstverständliche: so ist auch Justitia nicht blind, sie trägt nur eine Augenbinde - und die nimmt sie manchmal zum Fernsehen ab.