Juul hatte Locken. Rote Locken Kupferdraht. Das riefen die anderen ihm nach: "Kupferdraht! Du hast Scheiße im Haar! Rote Scheiße!"Deshalb hat Juul die Schere genommen. Locke um Locke hat er sich abgeschnitten. So beginnt die Geschichte von Juul. Es ist eine Geschichte über Grausamkeit und Quälerei. Pesten ist das niederländische Wort dafür. Juul wird von den anderen kaputt gequält. Durch unaufhörlichen, gemeinen Spott. Es gibt kein Happy end. Die Geschichte ist so grausam wie das Phänomen. Aber sie ist nicht zu grausam für Kinder, denn sie macht das Phänomen besprechbar. Necken ist liebhaben. Piesacken ist quälen. Es ist eine Frage der Grenzen. Die sind fließend, jeder reagiert anders auf Spott und Neckerei. Juul reagiert in der Geschichte mit vollständiger Selbstzerstörung. Jedes Stück von Juul, das verschwindet, repräsentiert eine Erfahrung, eine Phase seines Lebens. Ein schreckliches Leben, geprägt von seelischen Verletzungen und Kumer, das ihm immer weniger wert wird.Als er zerst ört ist, sich zerstört hat, kommt Noortje. Sie fragt, was mit ihm geschehen ist. Und Juul beginnt zu schreiben: Ich hatte Locken. Rote Locken ...Noortje bringt Hoffnung. Sie legt Juul in ihren Puppenwagen, ein Bild für Neugeboren, wieder geboren werden und jemanden sich selbst werden lassen.Aber das Problem bleibt: die Geschichte wiederholt sich, es ist nicht vorbei mit dem Quälen.Nach welchen Mechanismen funktioniert "Pesten"?Necken, hänseln und jemanden quälen liegen dicht beieinander. Was als Scherz gemeint ist, kommt bei dem anderen vielleicht als massiver Angriff an. Man muss sensibel sein für die Grenzen des anderen. Aber es kommt noch etwas dazu: die, die zusehen. Ohne Publikum würden viele Quälereinen nicht eskalieren. Die, die zusehen, sind mitschuldig. Sie könnten die Grenzen setzen, die der Urheber nicht anerkennt. Aber erfordert Mut, und so lange jemand anders verspottet wird, ist man selbst sicher. Gregie de Maeyers Geschichte ist eindringlich, hart, aber absolut zwingend und unverzichtbar. Durch die abstrakten Bilder entsteht etwas Distanz - gerade so viel, wie nötig ist, um darüber zu sprechen. Ein Buch, das breiteste Beachtung verdient und in vielen Zusammenhängen einsetzbar ist: Überall dort, wo das Zusammenleben von Mneschen ein Thema ist. Dem Buch liegt ein Informationsblatt bei mit der "Nummer gegen Kummer", der bundesweiten Telefonnummer des Kinderschutzbundes/ArbeitsGemeinschaft Kinder- und Jugendtelefon e.V.