Es ist nicht leicht, in der Höhe unterzugehen
Von der Anhöhe beobachtete Kälp, wie die Einsatzfahrzeuge Richtung Attensach fuhren: In einem verschneiten Bergdorf geschieht ein merkwürdiger Totschlag: Kälp, der Tierarzt, kennt die Wahrheit, glaubt aber, das Geheimnis für sich behalten, den Täter heraushalten zu können.
Kälp steht solide im Leben, hat Haus und Hof in der Höhe, er könnte Una, seine beste Freundin, enger an sich binden, wenn er nur wollte. Aber Kälp hält Distanz, zu den Menschen generell. Der, der ihm am nächsten stand, sein Bruder, ist tot. Sein Bruder, der die Frauen faszinierte, der alles besaß, was Kälp herbeisehnt - Leichtigkeit und Tiefe in einer Person. Kälp ist nicht leicht, Fröhlichkeit liegt ihm nicht. Geselligkeit schreckt ihn ab. Wie unsicher Kälp in Sachen Liebe ist, erkennt er, als eine Fremde im Ort auftaucht: Birgit, die unberechenbare Geschäftsfrau mit der rauchigen Stimme, die mit ihrer Tochter Ferien im Schnee macht, um ihr Leben neu zu sortieren. In ihrer herrischen Art empfindet Kälp sie als unangenehm und bedrohlich, dennoch tappt er heillos in ihre Liebesfalle. Sie will eine Urlaubsaffäre, er sucht den siebten Himmel. Kälp macht sich zum Idioten, weiß es und macht trotzdem weiter. Man zieht Kälp für den Totschlag zur Verantwortung. Die Gefängniszelle wird seine Zuflucht vor Birgit, der Prozess soll Ausflucht und Rettung vor der Liebe bringen. Eigentlich will Kälp untergehen, aber er stellt fest, in der Höhe ist das gar nicht so leicht.
Von der Anhöhe beobachtete Kälp, wie die Einsatzfahrzeuge Richtung Attensach fuhren: In einem verschneiten Bergdorf geschieht ein merkwürdiger Totschlag: Kälp, der Tierarzt, kennt die Wahrheit, glaubt aber, das Geheimnis für sich behalten, den Täter heraushalten zu können.
Kälp steht solide im Leben, hat Haus und Hof in der Höhe, er könnte Una, seine beste Freundin, enger an sich binden, wenn er nur wollte. Aber Kälp hält Distanz, zu den Menschen generell. Der, der ihm am nächsten stand, sein Bruder, ist tot. Sein Bruder, der die Frauen faszinierte, der alles besaß, was Kälp herbeisehnt - Leichtigkeit und Tiefe in einer Person. Kälp ist nicht leicht, Fröhlichkeit liegt ihm nicht. Geselligkeit schreckt ihn ab. Wie unsicher Kälp in Sachen Liebe ist, erkennt er, als eine Fremde im Ort auftaucht: Birgit, die unberechenbare Geschäftsfrau mit der rauchigen Stimme, die mit ihrer Tochter Ferien im Schnee macht, um ihr Leben neu zu sortieren. In ihrer herrischen Art empfindet Kälp sie als unangenehm und bedrohlich, dennoch tappt er heillos in ihre Liebesfalle. Sie will eine Urlaubsaffäre, er sucht den siebten Himmel. Kälp macht sich zum Idioten, weiß es und macht trotzdem weiter. Man zieht Kälp für den Totschlag zur Verantwortung. Die Gefängniszelle wird seine Zuflucht vor Birgit, der Prozess soll Ausflucht und Rettung vor der Liebe bringen. Eigentlich will Kälp untergehen, aber er stellt fest, in der Höhe ist das gar nicht so leicht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2011Viehische Redseligkeit
Michael Wallner verarztet einen Einzelgänger
Der Terrier der Feinkosthändlerin will nicht mehr fressen. Etwas muss ihm auf die Seele geschlagen haben, sagt sie betrübt. "Wahrscheinlich auf den Magen", korrigiert der Tierarzt des Dorfes, flößt dem Hund Erbsbrei mit Kochsalz ein, bringt ihn zum Erbrechen, packt ihn zuletzt an den Hinterbeinen und schüttelt ihn, bis er ein Wollknäuel samt einer Nadel ausspuckt. Das Haustier ist gerettet, die Frau glücklich, der Veterinär ein Held. Er ist die Hauptfigur in Michael Wallners "Kälps Himmelfahrt" und, obwohl beruflich nicht mit menschlichen Patienten beschäftigt, trotzdem eine Art Halbgott in Weiß. Denn er praktiziert hoch oben im Schwarzwald, der Roman spielt fast durchgängig in einem schneereichen Winter.
Es ist kalt, eisig, dunkel - wie im Inneren dieses Mannes, der erst allmählich auftaut und am Schluss, wenn die Sonne scheint und die Kirschen reifen, zu sich selbst gefunden haben wird. Die Klischees, mit denen der 1958 in Österreich geborene Schauspieler, Regisseur und Autor Michael Wallner hier arbeitet, sind allerdings keineswegs ironisch eingesetzt - egal, ob es um den introvertierten Einzelgänger Kälp geht, der sein Heil in der Einsamkeit der Natur sucht, oder um die frisch geschiedene Wolfsburgerin Birgit, eine spröde, herrische Flachländerin mit amazonenhaft durchtrainiertem Körper, die Kälp während ihres Weihnachtsurlaubs verführt und rasch fallenlässt.
Immer wieder zieht es Kälp zu den Mönchen im nahen Benediktinerkloster, dabei ist ihm durchaus bewusst, dass er sich, ungeachtet der existentiellen Kameradschaft, die ihm diese geschlossene Männergesellschaft bietet, auf Dauer nicht völlig von der Welt abkapseln möchte. Der persönliche Interessenkonflikt zwischen Askese und Ausschweifung trieb in viel stärkerem Maße seinen genialischen, früh verstorbenen Bruder um, der sowohl ein schwerer Schürzenjäger als auch ein theologischer Philosoph mit internationalem Erfolg war.
"Auch ich träume von Wildheit, dachte Kälp, und bin doch gefangen im Eispanzer meiner Ängstlichkeit. Mein Bruder hat mir das Lebendigsein vorgemacht und ist am Leben gestorben. Ich dagegen werde eingehen an Mutlosigkeit. Mutlosigkeit ist die am weitesten verbreitete Seuche, keine hat so viele Opfer zu verzeichnen, kein Menschenschlag ist so zahlreich wie der der Mutlosen."
Alles wird bei Wallner mit ermüdender Deutlichkeit ausgeplaudert und erläutert, ob es die Depressionen Kälps in "der Wüste seines Lebens" sind oder die Hartherzigkeit der Urlauberin - "eine beutesichere Jägerin" -, der Kampf der Geschlechter im Patriarchat oder das Leben in einem als abweisend geschilderten Mittelgebirgsdörfchen. Die arg konstruiert wirkende Geschichte wird gradlinig und solide erzählt, erweist sich aber in ihrer narrativen wie stilistischen Durchschnittlichkeit als ausgesprochen farblos.
Außer ein paar plastischen Landschaftsschilderungen sind es zumal die Begebenheiten rund um die Tiere, die ungewöhnlich erscheinen. Die Passagen, in denen Kälp beruflich aktiv wird und einen sterbenden Hengst betreut oder eine Ziege behandelt, verblüffen in ihrer drastischen Offenheit. Auch füttert der Veterinär manchmal zuerst die Schweine, Rinder, Hasen in seinem Stall und verzehrt dann selbst dort, die animalische Wärme genießend, sein mitgebrachtes Essen.
Und der cholerische Schreiner, der wohl Krimi-Assoziationen wecken sollte und am Anfang tot im Keller seines Hauses lag? Er starb aus eigener Schuld während einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit seinem ungeliebten Kind. Seinetwegen gerät Kälp kurz unter Mordverdacht, doch schließlich ist es das von ihm kurierte Kätzchen des Staatsanwalts, das ihm bald aus der Patsche hilft, ehe das Verfahren wegen Totschlags ohnedies eingestellt wird.
So bleiben der Doktor und das liebe Vieh trotz aller Probleme vereint, während "Kälps Himmelfahrt" ansonsten sehr nach Arztroman klingt.
IRENE BAZINGER
Michael Wallner: "Kälps Himmelfahrt". Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2011. 224 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michael Wallner verarztet einen Einzelgänger
Der Terrier der Feinkosthändlerin will nicht mehr fressen. Etwas muss ihm auf die Seele geschlagen haben, sagt sie betrübt. "Wahrscheinlich auf den Magen", korrigiert der Tierarzt des Dorfes, flößt dem Hund Erbsbrei mit Kochsalz ein, bringt ihn zum Erbrechen, packt ihn zuletzt an den Hinterbeinen und schüttelt ihn, bis er ein Wollknäuel samt einer Nadel ausspuckt. Das Haustier ist gerettet, die Frau glücklich, der Veterinär ein Held. Er ist die Hauptfigur in Michael Wallners "Kälps Himmelfahrt" und, obwohl beruflich nicht mit menschlichen Patienten beschäftigt, trotzdem eine Art Halbgott in Weiß. Denn er praktiziert hoch oben im Schwarzwald, der Roman spielt fast durchgängig in einem schneereichen Winter.
Es ist kalt, eisig, dunkel - wie im Inneren dieses Mannes, der erst allmählich auftaut und am Schluss, wenn die Sonne scheint und die Kirschen reifen, zu sich selbst gefunden haben wird. Die Klischees, mit denen der 1958 in Österreich geborene Schauspieler, Regisseur und Autor Michael Wallner hier arbeitet, sind allerdings keineswegs ironisch eingesetzt - egal, ob es um den introvertierten Einzelgänger Kälp geht, der sein Heil in der Einsamkeit der Natur sucht, oder um die frisch geschiedene Wolfsburgerin Birgit, eine spröde, herrische Flachländerin mit amazonenhaft durchtrainiertem Körper, die Kälp während ihres Weihnachtsurlaubs verführt und rasch fallenlässt.
Immer wieder zieht es Kälp zu den Mönchen im nahen Benediktinerkloster, dabei ist ihm durchaus bewusst, dass er sich, ungeachtet der existentiellen Kameradschaft, die ihm diese geschlossene Männergesellschaft bietet, auf Dauer nicht völlig von der Welt abkapseln möchte. Der persönliche Interessenkonflikt zwischen Askese und Ausschweifung trieb in viel stärkerem Maße seinen genialischen, früh verstorbenen Bruder um, der sowohl ein schwerer Schürzenjäger als auch ein theologischer Philosoph mit internationalem Erfolg war.
"Auch ich träume von Wildheit, dachte Kälp, und bin doch gefangen im Eispanzer meiner Ängstlichkeit. Mein Bruder hat mir das Lebendigsein vorgemacht und ist am Leben gestorben. Ich dagegen werde eingehen an Mutlosigkeit. Mutlosigkeit ist die am weitesten verbreitete Seuche, keine hat so viele Opfer zu verzeichnen, kein Menschenschlag ist so zahlreich wie der der Mutlosen."
Alles wird bei Wallner mit ermüdender Deutlichkeit ausgeplaudert und erläutert, ob es die Depressionen Kälps in "der Wüste seines Lebens" sind oder die Hartherzigkeit der Urlauberin - "eine beutesichere Jägerin" -, der Kampf der Geschlechter im Patriarchat oder das Leben in einem als abweisend geschilderten Mittelgebirgsdörfchen. Die arg konstruiert wirkende Geschichte wird gradlinig und solide erzählt, erweist sich aber in ihrer narrativen wie stilistischen Durchschnittlichkeit als ausgesprochen farblos.
Außer ein paar plastischen Landschaftsschilderungen sind es zumal die Begebenheiten rund um die Tiere, die ungewöhnlich erscheinen. Die Passagen, in denen Kälp beruflich aktiv wird und einen sterbenden Hengst betreut oder eine Ziege behandelt, verblüffen in ihrer drastischen Offenheit. Auch füttert der Veterinär manchmal zuerst die Schweine, Rinder, Hasen in seinem Stall und verzehrt dann selbst dort, die animalische Wärme genießend, sein mitgebrachtes Essen.
Und der cholerische Schreiner, der wohl Krimi-Assoziationen wecken sollte und am Anfang tot im Keller seines Hauses lag? Er starb aus eigener Schuld während einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit seinem ungeliebten Kind. Seinetwegen gerät Kälp kurz unter Mordverdacht, doch schließlich ist es das von ihm kurierte Kätzchen des Staatsanwalts, das ihm bald aus der Patsche hilft, ehe das Verfahren wegen Totschlags ohnedies eingestellt wird.
So bleiben der Doktor und das liebe Vieh trotz aller Probleme vereint, während "Kälps Himmelfahrt" ansonsten sehr nach Arztroman klingt.
IRENE BAZINGER
Michael Wallner: "Kälps Himmelfahrt". Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2011. 224 S., geb., 18,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Irene Bazinger kann diesem Roman über einen Tierarzt im Schwarzwald, der sich durch einen depressiven Winter quält, bis er im Frühling erfolgreich die Selbstfindung bewerkstelligt, nicht viel abgewinnen. Klischee um Klischee häufe der Regisseur, Schauspieler und Autor Michael Wallner an. Der Roman sei trotz eines unter Mordverdacht stehenden Helden nur mäßig spannend. Neben der erschöpfenden Überdeutlichkeit, mit der der Autor die Innenwelten seiner Figuren durchbuchstabiert, findet die Rezensenten auch sprachlich nichts, was das Buch für sie aus der "Durchschnittlichkeit" heben würde. Lediglich ein paar Landschaftsbeschreibungen und die erstaunlich drastisch geschilderten Tierfälle, die dem Veterinär in seiner Praxis begegnen, haben Bazingers Interesse kurzzeitig geweckt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Sorgsam beschreibt er Landschaft und Menschenschlag und erzählt auch diesmal eine richtig gute Geschichte". NDR Kultur / Neue Bücher