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Produktdetails
  • Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945 Band
  • Verlag: Brill Österreich Ges.m.b.H. / Böhlau Wien
  • Artikelnr. des Verlages: BVW0009168
  • 1998.
  • Seitenzahl: 843
  • Deutsch
  • Abmessung: 245mm
  • Gewicht: 1730g
  • ISBN-13: 9783205987925
  • ISBN-10: 3205987926
  • Artikelnr.: 07263873

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Autorenporträt
Helmut Rumpler em. Univ.-Prof. Dr., geboren 1935 in Wien, Studium der Geschichte und Germanistik, 1962 Mag., 1963 Dr.phil. (Neuere Geschichte), 1973 Habilitation für Neuere Geschichte an der Universität Wien, von 1975 bis 2003 ord. Univ.-Prof. für Neuere Geschichte an der Universität Klagenfurt, 2003 Emeritierung. Am 10. Februar 2018 verstorben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.1999

Liebenswürdig und zurückgeblieben
Ein Sammelband über Kärnten

Helmut Rumpler unter Mitarbeit von Ulfried Burz (Herausgeber): Kärnten. Von der deutschen Grenzmark zum österreichischen Bundesland. Schriftenreihe des Forschungsinstitutes der Dr. Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Band 6/2. Böhlau Verlag, Wien und Köln 1998. XI und 843 Seiten, 28 Abbildungen, 175,- Mark.

Mit dem Namen des österreichischen Bundeslandes Kärnten wird gegenwärtig zuvörderst der des Politikers Jörg Haider assoziiert. Man wird nicht fehlgehen, dessen politischen Aufstieg in erster Linie damit zu verknüpfen, dass er gerade dort am ehesten Wurzeln schlagen konnte, wo seine Saat auf bereiteten Nährboden fiel, sproß und allmählich heranreifte. In keinem anderen Teil der Alpenrepublik, nicht einmal in seinem Geburtsland Oberösterreich, hätte die 1985 einsetzende Karriere Haiders mutmaßlich so stringent an die Spitze eines Bundeslandes führen und ihn zum unangefochtenen Herausforderer des großkoalitionären Establishments in Wien werden lassen können wie in Kärnten, wo ihm ein "Erbonkel" Latifundien hinterließ, welche den mit überragendem Talent zum treffsicheren Vereinfachen und Magnetisieren ausgestatteten Populisten in den Stand versetzten, ohne Rücksichtnahme auf irgendjemanden Macht zu erlangen.

Gut drei Jahre, nachdem er von Kärnten aus, wo das dritte, das (deutsch-)nationalliberale Lager Österreichs am stärksten in Land und Partei verankert war und ist, den Bundesvorsitz der Freiheitlichen (FPÖ) eingenommen hatte, wurde er zum Landeshauptmann (Ministerpräsidenten) in Klagenfurt gewählt. Bereits zwei Jahre später ging der scharfzüngige, die "political correctness" stets herausfordernde Haider dieses Postens wieder verlustig: in einer Landtagsdebatte hatte er der nationalsozialistischen "Beschäftigungspolitik" - verhalten zwar, aber immerhin - Lob gezollt, woraufhin ihn Sozialdemokraten (SPÖ) und Volkspartei (ÖVP) - sie trug ihn zuvor als Landeshauptmann mit - abwählten.

Die Entfernung aus dem Amt schadete Haider ebensowenig wie andere politisch-ideologische Eskapaden oder sprachlich-rhetorische Lapsus, so etwa in einer Rede im kärntnerischen Krumpendorf am Wörthersee vor entsprechendem Publikum, in der er - hinterher gerechtfertigt unter Hinweis auf Aussagen Adenauers - die Leistungen der Wehrmacht und vor allem Gesinnung, Treue, Kameradschaft und Opferbereitschaft der Waffen-SS rühmte. Fortan führte er von Wien aus, wo Haider als Bundesobmann zugleich die Nationalratsfraktion der Partei leitete, die FPÖ in den Ländern sowie im Bund von Zugewinn zu Zugewinn. In Kärnten wiederum gelang ihm in der Landtagswahl im Frühjahr der Triumph: die FPÖ erzielte mehr als 40 Prozent der Stimmen, und an der Wiederwahl ihres Vorsitzenden Haider zum Regierungschef kam niemand vorbei. Wiewohl er als abermaliger Landeshauptmann gelobte, die gesamte Legislaturperiode in Klagenfurt zu bleiben, ist Haiders Ziel wenn schon nicht der Ballhausplatz, so doch die Beteiligung seiner Partei an der Macht in Wien; eigenem Bekunden zufolge will er in Kärnten zeigen, dass er nicht nur opponieren, sondern auch erfolgreich regieren und gestalten kann, womit er zugleich den Anspruch auf Einzug in das Kanzleramt erhebt. Die Nationalratswahl im Herbst wird zeigen, ob er ihm nahekommt.

Das Phänomen Haider einigermaßen zu erklären ist kaum möglich, ohne sich Kärntens zu vergewissern. Die vorliegende, von Helmut Rumpler herausgegebene voluminöse Bestandsaufnahme der jüngeren Entwicklung Kärntens eignet sich dafür in hervorragender Weise. Wer wie er seit vielen Jahren an der Universität Klagenfurt als Historiker lehrt, ist sich der Ambivalenz und der Sperrigkeit eines Gegenstandes gewiss, der je nach Volksgruppenzugehörigkeit und damit korrespondierenden Parteiungen im Bewusstsein verankert ist. Rumpler bemerkt daher, "Geschichte, Zeitgeist, Gegenwart und Zukunft stehen in Kärnten zueinander im Verhältnis wechselseitiger Verdrängung". Für die Anlage des voluminösen, in der Reihe der "Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945" erschienenen Bandes erweist es sich unter diesen Umständen nicht als Nachteil, daß die Verfasser der Einzelbeiträge "Landeskinder" und je nach Gewichtung und Betrachtungsweise zumeist auch "Bekenner" sind: ihr "Bekenntnis" richtet sich an der Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der "Deutschkärntner" oder zur slowenischen Minderheit im Lande aus, welche vor allem im südlichen, dem seit 1991 souveränen slowenischen Nationalstaat Slowenien unmittelbar benachbarten Landesteil zu Hause ist.

Im Gegenteil: der Leser weiß in manchem Beitrag recht bald, woran er ist und mit wem er es zu tun hat. Darunter mag, wie in der österreichischen Tageszeitung "Die Presse" von einem nicht eben bekenntnislosen Kärntner Slowenen moniert wurde, zwar die "Objektivität" leiden; Autentizität und Lesers Einsichten in Sachverhalte tragen hingegen bei derlei Entäußerungen doch beträchtliche Erkenntnis davon. Unter diesem Aspekt ist das Sammelwerk beinahe allein schon wegen des weit über die Grenzen seiner Kärntner Heimat hinaus bekannten, renommierten Grazer Historikers Stefan Karner Gewinn und zugleich Empfehlung, in dessen facettenreichem Artikel gerade wegen seines von Erfahrungen und Wertungen getragenen, sehr persönlichen Gehalts die ganze Zwittrigkeit des Landes in all ihren Brüchen und Vernarbungen aufscheint wie im Brennglas.

Es wäre nachgerade sogar verwunderlich, wenn die zumeist geopolitisch motivierten Verwerfungen aus der jüngeren Geschichte Kärntens nicht ohne Wirkung auf die jeweiligen Betrachter geblieben wären: wofür anzuführen die emotionsgeladenen Stichwörter "Abwehrkampf" (gegen den Einverleibungsversuch des jugoslawischen SHS-Staats 1918/19); "Volksabstimmung" und Verbleib bei Österreich (1920), nationalsozialistische Germanisierungs-, Umsiedlungs- und Ausrottungspolitik (1938 - 1944); Verschleppung und Tötung vermeintlicher und tatsächlicher Nazis durch (kärntner)slowenische Partisanen (1945); tito-kommunistische Usurpationsversuche (bis 1948); österreichischer Staatsvertrag (1955) und darin enthaltener (bis heute nicht gänzlich erfüllter) Minderheitenschutz - weswegen der ethnische Konflikt vor allem in den siebziger Jahren massiv wiederauflebte, fortwirkt und selbst in unseren Tagen als nur unter die Oberfläche verdrängt gelten darf - als historische Wegmarken genügen mögen. Sie lassen sich im vorpolitischen Raum ebenso wie in der Tagespolitik als amalgamierte "Kärntner Urangst" immer wieder beschwören und für alle Beteiligten so vortrefflich instrumentalisieren.

Noch immer bestimmt sie so sehr das gesellschaftliche, geistige und kulturelle Kraftfeld eines landschaftlich beneidenswert liebenswürdigen, ökonomisch dagegen zurückgebliebenen Terrains, dass sich - vielleicht mit Ausnahme der katholischen Kirche, die noch am ehesten, wenngleich nur schwach gehört, da im einstigen Hort des österreichischen Antiklerikalismus zu Hause, grenzüberschreitend wirkt - die politischen Kräfte alles in allem doch äußerst schwertun damit, das Land aus seiner Erstarrung in der Grenzlage zu lösen. Zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Beseitigung des Eisernen Vorhangs - in dieser Zeit war die SPÖ, die es am besten verstand, die Angebräunten weißzuwaschen und rot einzufärben, die führende und politisch bestimmende Kraft Kärntens - konnte daran verständlicherweise selbst die "Arbeitsgemeinschaft Alpen Adria" nichts Wesentliches ändern, in die Kärnten unter anderem zusammen mit den damals noch jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien sowie der italienischen Region Friaul-Julisch Venetien eingebunden war. 1989, in jenem Jahr, in dem die Slowenen begannen, sich aus Jugoslawien davonzumachen, entglitt den Kärntner Sozialdemokraten die Macht, und sie verloren den Sessel des Landeshauptmanns an Haider. Just in den zwei Jahren seiner ersten Amtszeit entspannte sich Aussagen führender Kärntner Slowenen zufolge der ethnische Konflikt, worüber man im vorliegenden Buch (zu) wenig erfährt. Zwischen 1991 und Haiders diesjährigem Wahltriumph lenkten seine Verhinderer SPÖ und ÖVP maßgeblich die Geschicke Kärntens, wobei die ÖVP als zwar kleinste, aber wegen der Pattsituation bestimmende Kraft den Landeshauptmann stellte.

REINHARD OLT

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