Als die Jemeniten vor 500 Jahren genüßlich einen braunen Trank schlürften, ahnten sie nicht, welcher Beliebtheit sich dieser einst erfreuen würde. Heiß begehrt im Osmanischen Reich, weckte der Kaffee bald auch das Interesse europäischer Reisender. Und was den Janitscharen nicht gelang, das schafften die brauen Bohnen ganz ohne Mühe: Innerhalb weniger Jahrzehnte eroberten sie das gesamte Abendland, später dazu auch noch die Neue Welt...
Wie es kam, wie es war, wie es ist mit Kaffee und Kaffeehaus - all das erzählt Ulla Heise humorvoll in dieser reich illustrierten Kulturgeschichte.
Wie es kam, wie es war, wie es ist mit Kaffee und Kaffeehaus - all das erzählt Ulla Heise humorvoll in dieser reich illustrierten Kulturgeschichte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.1996Duft, Kraft und Leidenschaft: Eine Kulturgeschichte des Kaffees
"Ey! wie schmeckt der Caffe süsse,/ lieblicher als tausend Küsse", variiert der Text der Bachschen "Kaffeekantate" ein wenig holprig jenen feinen erotischen Beigeschmack, den der Kaffee seit je besitzt, obgleich seine aphrodisierende Wirkung bis heute umstritten ist. Kaum weniger züchtig geht es im Versailler Petit Trianon zu, wo die hauchzarten Kaffeeschalen dem Busen Marie Antoinettes nachgebildet sein sollen. Anders als das Testosteron aber, das die Sinne benebelt und den Verstand trübt, klärt das Coffein den Kopf. Es regt an, ohne zu berauschen. Ebendiese physiologische Wirkung macht die "gottgefällige Droge" aus gerösteten Bohnen nach jenem anderen schwarzen Gold aus dem Orient, dem Erdöl, zum zweitwichtigsten Welthandelsprodukt. Den Siegeszug des "Türkentrankes" im christlichen Europa seit dem sechzehnten Jahrhundert, die allmähliche Popularisierung des Kaffees, der um 1850 schließlich zur "Hauptmahlzeit" der Arbeiter wurde, die für ein paar Stunden den Hunger betäubte - all das schildert Ulla Heise flüssig in ihrer reich illustrierten Kulturgeschichte des Kaffees. Ob bitter oder mild, ob mit geschäumter Milch bedeckt oder einem Schuß Alkohol versetzt, der Kaffee kommt in tausenderlei Variationen auf den Tisch. Von besonderem Interesse aber ist sein soziales Aroma: Die Kaffeepause gliedert und rhythmisiert den Arbeitstag, die Einladung zu Kaffee und Kuchen beherrscht das Wochenende oder krönt die Familienfeier. Die Einzelgänger hingegen finden im Kaffeehaus ihre Heimat. Seit bald dreihundert Jahren dienen die prächtigen Grand Cafés, die armseligen "Kaffeeklappen" und Fiakercafés, "wo man für den Pöbel die Schale samt einem Kipfel für 1 Kreuzer ausschenkt", als Bühne der menschlichen Komödie, als Jahrmarkt der intellektuellen Eitelkeiten, auf dem sich Literaten und Schöngeister, Maler, Musiker und Müßiggänger zum Disput versammeln: Voltaire und Diderot stritten im Pariser Café Procope, Karl Kraus und Alfred Polgar im Wiener Café Central. Manet versammelte im Café Guerbois die Impressionisten um sich, während Sartre und Simone de Beauvoir tagtäglich im Café de Flore arbeiteten, von dem die Beauvoir später schrieb, es war "sozusagen unsere Wohnung". Die unaufhörliche Debatte, die Lektüre von Zeitungen und illustrierten Blättern, der unersättliche Hunger nach Nachrichten und Kaffeeklatsch machen die europäischen Kaffeehäuser zur Geburtsstätte der bürgerlichen Öffentlichkeit. Mit dem obligatorischen Thonetstuhl, dem Marmortischchen und Wandspiegeln brachten sie einen Designkanon hervor, der nahezu jedem Zeitvertreib Raum gab: Das traditionelle türkische Schattentheater fand im abgedunkelten Kaffeehaus ebenso seinen Platz wie die bewegten Bilder der Gebrüder Lumière, die im Indischen Salon des Pariser Grand Café die Geburtsstunde des Kinos markierten. Tausendfach totgesagt, lebt das Kaffeehaus bis heute und lockt mit immer neuen Zerstreuungen. In den virtuellen Räumen der Cybercafés etwa surfen die Internet-Freaks um den Globus und bleiben doch ganz nah bei der heimischen Espressomaschine, die frühindustriell zischend signalisiert: Alle Welt dürstet nach Kaffee. Unsere Abbildung zeigt Kaffeetassen aus dem Besitz Friedrichs II. von Preußen in einer Studie Adolph Menzels. HEINRICH WEFING
Ulla Heise: "Kaffee und Kaffeehaus". Eine Bohne macht Kulturgeschichte. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 1996. 248 S., Abb., geb., 49,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ey! wie schmeckt der Caffe süsse,/ lieblicher als tausend Küsse", variiert der Text der Bachschen "Kaffeekantate" ein wenig holprig jenen feinen erotischen Beigeschmack, den der Kaffee seit je besitzt, obgleich seine aphrodisierende Wirkung bis heute umstritten ist. Kaum weniger züchtig geht es im Versailler Petit Trianon zu, wo die hauchzarten Kaffeeschalen dem Busen Marie Antoinettes nachgebildet sein sollen. Anders als das Testosteron aber, das die Sinne benebelt und den Verstand trübt, klärt das Coffein den Kopf. Es regt an, ohne zu berauschen. Ebendiese physiologische Wirkung macht die "gottgefällige Droge" aus gerösteten Bohnen nach jenem anderen schwarzen Gold aus dem Orient, dem Erdöl, zum zweitwichtigsten Welthandelsprodukt. Den Siegeszug des "Türkentrankes" im christlichen Europa seit dem sechzehnten Jahrhundert, die allmähliche Popularisierung des Kaffees, der um 1850 schließlich zur "Hauptmahlzeit" der Arbeiter wurde, die für ein paar Stunden den Hunger betäubte - all das schildert Ulla Heise flüssig in ihrer reich illustrierten Kulturgeschichte des Kaffees. Ob bitter oder mild, ob mit geschäumter Milch bedeckt oder einem Schuß Alkohol versetzt, der Kaffee kommt in tausenderlei Variationen auf den Tisch. Von besonderem Interesse aber ist sein soziales Aroma: Die Kaffeepause gliedert und rhythmisiert den Arbeitstag, die Einladung zu Kaffee und Kuchen beherrscht das Wochenende oder krönt die Familienfeier. Die Einzelgänger hingegen finden im Kaffeehaus ihre Heimat. Seit bald dreihundert Jahren dienen die prächtigen Grand Cafés, die armseligen "Kaffeeklappen" und Fiakercafés, "wo man für den Pöbel die Schale samt einem Kipfel für 1 Kreuzer ausschenkt", als Bühne der menschlichen Komödie, als Jahrmarkt der intellektuellen Eitelkeiten, auf dem sich Literaten und Schöngeister, Maler, Musiker und Müßiggänger zum Disput versammeln: Voltaire und Diderot stritten im Pariser Café Procope, Karl Kraus und Alfred Polgar im Wiener Café Central. Manet versammelte im Café Guerbois die Impressionisten um sich, während Sartre und Simone de Beauvoir tagtäglich im Café de Flore arbeiteten, von dem die Beauvoir später schrieb, es war "sozusagen unsere Wohnung". Die unaufhörliche Debatte, die Lektüre von Zeitungen und illustrierten Blättern, der unersättliche Hunger nach Nachrichten und Kaffeeklatsch machen die europäischen Kaffeehäuser zur Geburtsstätte der bürgerlichen Öffentlichkeit. Mit dem obligatorischen Thonetstuhl, dem Marmortischchen und Wandspiegeln brachten sie einen Designkanon hervor, der nahezu jedem Zeitvertreib Raum gab: Das traditionelle türkische Schattentheater fand im abgedunkelten Kaffeehaus ebenso seinen Platz wie die bewegten Bilder der Gebrüder Lumière, die im Indischen Salon des Pariser Grand Café die Geburtsstunde des Kinos markierten. Tausendfach totgesagt, lebt das Kaffeehaus bis heute und lockt mit immer neuen Zerstreuungen. In den virtuellen Räumen der Cybercafés etwa surfen die Internet-Freaks um den Globus und bleiben doch ganz nah bei der heimischen Espressomaschine, die frühindustriell zischend signalisiert: Alle Welt dürstet nach Kaffee. Unsere Abbildung zeigt Kaffeetassen aus dem Besitz Friedrichs II. von Preußen in einer Studie Adolph Menzels. HEINRICH WEFING
Ulla Heise: "Kaffee und Kaffeehaus". Eine Bohne macht Kulturgeschichte. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 1996. 248 S., Abb., geb., 49,90 DM.
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