Reiner Stach schließt mit 'Kafka: Die frühen Jahre' seine fulminante, international gefeierte und auf drei Bände angelegte große Kafka-Biographie ab. Es geht um Kafkas Kindheit und Jugend, Studium und die ersten Berufsjahre. Die Entfaltung von Kafkas Sprachtalent, seine Bildungserlebnisse, die Reifung seiner Sexualität und nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit neuen Technologien und Medien sind die entscheidenden Wegmarken. Reiner Stachs Kafka-Biographie genießt schon jetzt den Ruf eines internationalen Standardwerks, das die Möglichkeiten der literarischen Biographie neu ausgelotet hat. Erneut bietet Reiner Stach ein erzählerisch dichtes und farbiges Panorama der Zeit und zugleich die einfühlsame Studie eines außergewöhnlichen Menschen.
»Das Beste, was in diesem Genre hervorgebracht werden kann. Selbst ein Roman.« Imre Kertész
Das Gesamtwerk:
Kafka. Die frühen Jahre (1883 - 1910)
Kafka. Die Jahre der Entscheidung (1910 - 1915)
Kafka. Die Jahre der Erkenntnis (1916 - 1924)
»Das Beste, was in diesem Genre hervorgebracht werden kann. Selbst ein Roman.« Imre Kertész
Das Gesamtwerk:
Kafka. Die frühen Jahre (1883 - 1910)
Kafka. Die Jahre der Entscheidung (1910 - 1915)
Kafka. Die Jahre der Erkenntnis (1916 - 1924)
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.12.2017Absolut Kafka
Der klarsichtigste Schriftsteller deutscher Sprache war ein begeisterter Zeuge des Innovationszeitalters vor 100 Jahren: Grammofon, Kino, Auto, Flugzeug. Dass man Tote hören und sehen, dass man rasen und fliegen konnte, schlauchte die Menschen wie heute die Digitalisierung. Franz Kafka aber, verführbar bis zur totalen Erschöpfung, reiste mit seinem untalentierten und loyalen Freund Brod (dem unfreiwilligen Erfinder des modernen Literaturagenten-Wesens) zur Flugschau nach Brescia und liebte das Kino. Die nähere Umgebung hingegen erschien ihm, so er nicht schwimmen ging, als mal subtiler, mal nervenzerfetzender Terror. Das trägt auch slapstickhafte Züge. Gegen seinen Willen wurde er so wegen beruflicher Brillanz in der Arbeiter- und Unfallversicherung viermal befördert. Daheim saß er im Durchgangszimmer, dem „Hauptquartier des Lärms“, umzingelt von der Familie. Erst spät erreichte Kafka eine weitere, bis heute kostbare Innovation: Oropax.
Von 2002 bis 2014 erschien Reiner Stachs dreiteilige, meisterhafte Kafka-Biographie, die kein Kompedium der Art darstellt, dass man davor sein Haupt neigt und es dann ungelesen ins Regal stellt. Dieses Opus magnum übt einen massiven Sog aus, denn der Biograf Reiner Stach ist ein brillanter Schriftsteller.
„Das Beste, was in diesem Genre hervorgebracht werden kann. Selbst ein Roman“, urteilte Imre Kertész. Wie nebenbei erzittert der Leser dabei über die Parallele zur Gegenwart. Der Zerfall bürgerlicher Werte geht schon damals einher mit dem aufstrebenden empire der funkenschlagenden Naturkost-, Esoterik-, Laber- und Ich-Bewegung.
Der Fischer Verlag veröffentlicht die drei Bände jetzt noch einmal in einer neuen, überaus schönen Gesamtausgabe (78 Euro). Stach hat dafür zusätzlich eine Dokumentation aller Briefe, Tagebucheinträge und Ereignisse erarbeitet: „Kafka von Tag zu Tag“. Die vieldeutige Lakonie Stachs erinnert dabei mitunter an die Franz Kafkas in seinen grandiosen Tagebüchern.
Etwa, wenn Stach das Treffen Kafkas mit dem wirren Guru Rudolf Steiner beschreibt, der sich, wie der Tagebuchleser weiß, im März 1911 in der Nase rumpopelte, als Kafka ihn aufsuchte. Franz Kafkas Problem mit der Hellsichtigkeit ist natürlich nicht das Steiners, der mit Toten redet und derlei Zeugs. Und so endet das Date zwischen Genie und Scharlatan, wie es enden muss: „Steiner missversteht ihn.“
ALEXANDER GORKOW
Leiter
der Seite Drei
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Der klarsichtigste Schriftsteller deutscher Sprache war ein begeisterter Zeuge des Innovationszeitalters vor 100 Jahren: Grammofon, Kino, Auto, Flugzeug. Dass man Tote hören und sehen, dass man rasen und fliegen konnte, schlauchte die Menschen wie heute die Digitalisierung. Franz Kafka aber, verführbar bis zur totalen Erschöpfung, reiste mit seinem untalentierten und loyalen Freund Brod (dem unfreiwilligen Erfinder des modernen Literaturagenten-Wesens) zur Flugschau nach Brescia und liebte das Kino. Die nähere Umgebung hingegen erschien ihm, so er nicht schwimmen ging, als mal subtiler, mal nervenzerfetzender Terror. Das trägt auch slapstickhafte Züge. Gegen seinen Willen wurde er so wegen beruflicher Brillanz in der Arbeiter- und Unfallversicherung viermal befördert. Daheim saß er im Durchgangszimmer, dem „Hauptquartier des Lärms“, umzingelt von der Familie. Erst spät erreichte Kafka eine weitere, bis heute kostbare Innovation: Oropax.
Von 2002 bis 2014 erschien Reiner Stachs dreiteilige, meisterhafte Kafka-Biographie, die kein Kompedium der Art darstellt, dass man davor sein Haupt neigt und es dann ungelesen ins Regal stellt. Dieses Opus magnum übt einen massiven Sog aus, denn der Biograf Reiner Stach ist ein brillanter Schriftsteller.
„Das Beste, was in diesem Genre hervorgebracht werden kann. Selbst ein Roman“, urteilte Imre Kertész. Wie nebenbei erzittert der Leser dabei über die Parallele zur Gegenwart. Der Zerfall bürgerlicher Werte geht schon damals einher mit dem aufstrebenden empire der funkenschlagenden Naturkost-, Esoterik-, Laber- und Ich-Bewegung.
Der Fischer Verlag veröffentlicht die drei Bände jetzt noch einmal in einer neuen, überaus schönen Gesamtausgabe (78 Euro). Stach hat dafür zusätzlich eine Dokumentation aller Briefe, Tagebucheinträge und Ereignisse erarbeitet: „Kafka von Tag zu Tag“. Die vieldeutige Lakonie Stachs erinnert dabei mitunter an die Franz Kafkas in seinen grandiosen Tagebüchern.
Etwa, wenn Stach das Treffen Kafkas mit dem wirren Guru Rudolf Steiner beschreibt, der sich, wie der Tagebuchleser weiß, im März 1911 in der Nase rumpopelte, als Kafka ihn aufsuchte. Franz Kafkas Problem mit der Hellsichtigkeit ist natürlich nicht das Steiners, der mit Toten redet und derlei Zeugs. Und so endet das Date zwischen Genie und Scharlatan, wie es enden muss: „Steiner missversteht ihn.“
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Stachs Kafka-Biografie ist das Meisterwerk eines Berufenen, der ohne Eitelkeit in minutiösen Beobachtungen und in leichtem und schwingenden Ton erzählt. Manfred Schneider Neue Zürcher Zeitung 20141014