Eine große Geschichte über das Suchen, Finden und Verlorengehen, über Genie und Wahnsinn, Freundschaft und Liebe. In »Kafka mit Flügeln« hat die österreichische Gegenwartsautorin Daniela Emminger sprachlich ein ganzes Land mitsamt seinen Bewohnern, Besonderheiten und Naturgewalten eingefangen: Kirgistan.Als Samat eines Tages plötzlich spurlos verschwindet und sich auf die Suche nach seinen kirgisischen Wurzeln begibt, bleibt seine Jugendfreundin Sybille verloren in Österreich zurück. Ein Vierteljahrhundert später stößt sie auf seine seitdem verfassten Briefe und beschließt, ihrem einstigen Seelengefährten hinterherzureisen.Eine wilde Jagd durch die kirgisische Geschichte, den Culture Clash der Gegenwart, Samats Brief-Fragmente und Sybilles Denk- und Seelenlandschaft beginnt. Und dann ist da auch noch das geheime Schmetterlings- experiment »psukh«, das den kafkaesken Verwandlungsversuchen der beiden sprichwörtlich Flügel verleiht. Angetrieben von Hoffnung und Verzweiflung, Macht und Größenwahn, Freundschaft und Liebe, gehen sich die beiden eines Tages gegenseitig in ihre Netze, wo sich amüsanterweise auch ein paar Putins, Trumps, Kardashians und andere Seelenlose verfangen haben.
buecher-magazin.deWenn man nichts mehr zu verlieren hat, kann man nur gewinnen. Mit diesem Gedanken bricht die österreichische Verhaltensforscherin Sybille aus ihrem Leben aus, das nach dem Unfalltod ihres Mannes nur noch eine sinnlose Hülle ist. Es sind die lange verschollenen Briefe ihres Jugendfreundes Samat, die sie retten. Als sie liest, dass er vor 25 Jahren nach Kirgistan gegangen ist, um dort seinen Vater und damit sich selbst zu finden - beschließt sie ihren Kerbeljungen dort zu suchen und landet schon wenig später selbst in Bischkek. Denn der Schmetterlingsforscher Samat hat für sein Dillemädchen Spuren ausgelegt. Daniela Emminger, beschreibt dieses archaische, sagenumwobene Land mit seinen post-sowjetischen Brüchen und der atemberaubenden Natur so lebendig, bunt und facettenreich, dass alleine dies die Lektüre des Romans lohnt. Doch was als Selbstfindungstrip startet, entwickelt sich schon bald zu einer ebenso rasanten wie wahnwitzigen Schnitzeljagd, auf der Schmetterlingsseelen Sybille den Weg leuchten, und größenwahnsinnige Wissenschaftler ihre Wege kreuzen. Es ist die Sehnsucht nach einem Neuanfang, die diese beiden Seelenverwandten antreibt - ob sie dasselbe suchen ist lange Zeit nicht klar - und genau das macht den Reiz dieses wilden kirgisischen Abenteuers aus.
© BÜCHERmagazin, Tina Schraml (ts)
© BÜCHERmagazin, Tina Schraml (ts)
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
"Bisher null Literaturpreise" hat die Autorin, merkt Rezensent Sebastian Fasthuber an, und doch ist sie seiner Meinung nach eine der originellsten Stimmen der neueren österreichischen Literatur, wandelbar, grotesk, sprachverrückt. Da sie von ihren Büchern bis heute nicht leben kann, arbeitet sie nach wie vor als Werbetexterin, bis sie genug verdient hat für ihre ganz eigene literarische Recherche, weiß der Rezensent. Dafür hat sie sich bei diesem Buch in das ihr völlig fremde Kirgistan begeben, wo sie einen Roman über eine Hauptfigur schrieb, die sich in das ihr völlig fremde Kirgistan begibt. Daraus folgt ein wilder Mash-Up-Roman und eine postmoderne Detektivgeschichte, die Fasthuber nur empfehlen kann. Dabei sei die Autorin klug genug, ihren Hang zu Sprachspielen um der erzählerischen Stringenz willen zurückzunehmen, auch wenn sich das Ende dieses Romans über das Sich-Verlieren am Ende selbst ein bisschen verliere.
© Perlentaucher Medien GmbH
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