Franz Kafka, der »rätselhafte« Autor, hat die meiste Zeit seines Lebens bei seiner Familie gewohnt. Die Bindung war stärker, als er es sich und uns einzureden versuchte. Im »großen Lärm« der Familie entstanden seine Texte. Seine Beziehung zu den Schwestern, besonders zu Ottla, war sehr eng, als besorgter Onkel machte er sich Gedanken über die richtige Erziehung seines Neffen und seiner Nichten. Die von den Nachkommen der Schwestern aufbewahrten Fotos dokumentieren nicht nur das Familienleben, sondern erzählen auch vom sozialen Aufstieg einer jüdischen Familie aus einfachen ländlichen Verhältnissen zum Prager Bürgertum. War der Großvater noch Dorfschächter in Wossek, wurde der Vater vom Hausierer zum angesehenen Kaufmann mit Geschäft in bester Lage und der Sohn zum promovierten und weltläufigen Juristen, der als Autor in der intellektuellen Gesellschaft der Moldaustadt verkehrte.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Eigentlich hat Kafka mal geschrieben, "Verwandtengefühl kenne ich nicht", dass das aber vielleicht nicht ganz absolut gemeint war, lernt Rezensentin Wiebke Porombka in dem vom Literaturwissenschaftler und Kafka-Experten herausgegebenen Buch: Es enthält wenige bekannte und viele unbekannte Fotos des Prager Schriftstellers, die aus dem Nachlass seiner Schwestern stammen und ihn beispielsweise am Strand von Venedig zeigen. Besonders gefällt ihr, wie Koch die Fotos mit Briefen in Verbindung bringt, etwa ein berühmtes Kinderporträt mit einer Nachricht an die Verlobte Felice Bauer, in der Kafka sein "böses Gesicht" als "geheimen Ernst" bezeichnet. Aber auch die Ambivalenz der Beziehung zum Vater wird Porombka deutlich. Sie empfiehlt die Lektüre im Familienkreis an den Feiertagen, auch um einen Zugang zu diesem hermetischen Schriftsteller zu finden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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