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Es ist ein weißer Fleck auf der Landkarte der Kafkaforschung: des Prager Schriftstellers Beziehung zu der Hauptstadt des Kaiserreiches, dessen Untertan er war. Schon als Knabe wurde er Zeuge der Besuche Franz Josefs in seiner Heimatstadt, später sah er sich den musikalischen und literarischen Einflüssen ausgesetzt, die von der lebensfrohen, ihm jedoch verhaßten Habsburger-Residenz ausgingen. So kann es nicht verwundern, daß er nicht als Tourist nach Wien kam, sondern als Durchreisender, als Kongreßteilnehmer, als Liebender, als Schwerkranker und schließlich als Sterbender, der in einem…mehr

Produktbeschreibung
Es ist ein weißer Fleck auf der Landkarte der Kafkaforschung: des Prager Schriftstellers Beziehung zu der Hauptstadt des Kaiserreiches, dessen Untertan er war. Schon als Knabe wurde er Zeuge der Besuche Franz Josefs in seiner Heimatstadt, später sah er sich den musikalischen und literarischen Einflüssen ausgesetzt, die von der lebensfrohen, ihm jedoch verhaßten Habsburger-Residenz ausgingen. So kann es nicht verwundern, daß er nicht als Tourist nach Wien kam, sondern als Durchreisender, als Kongreßteilnehmer, als Liebender, als Schwerkranker und schließlich als Sterbender, der in einem Zinnsarg der Wiener Städtischen Bestattungsanstalt an die Moldau zurückkehren sollte.

Dieser üppig mit Bildern ausgestattete Band führt an die Stätten, die der Schriftsteller mit seiner Anwesenheit nobilitierte, benennt die von ihm geschätzten und abgelehnten Wiener Schriftsteller und Bühnenkünstler und zeigt die Ursachen seiner Wien-Aversion auf. So erhält der Leser erstmals erschöpfendAuskunft über den Rang, den die Stadt und ihre Bewohner in Kafkas Leben und Denken einnahmen.

Was die Sternwarte von Greenwich für die Zeitmessung, das ist Binder für die Kafka-Forschung. Stuttgarter Zeitung

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Autorenporträt
Der Germanist Hartmut Binder (*1937) ist mit zahlreichen Arbeiten zur Prager deutschen Literatur hervorgetreten und gilt als besonderer Kenner von Leben und Werk Franz Kafkas. Seine Kommentarbände zu den Erzählungen und Romanen Kafkas (1976) sowie das von ihm herausgegebene zweibändige Kafka-Handbuch (1979) sind international anerkannte Standardwerke der Forschung, seine Kafkas Welt betitelte Chronik in Bildern (2008) dokumentiert minutiös alle erfaßbaren Lebensumstände des Prager Autors und seines Umfelds, während die Monographie Kafkas Verwandlung (2004) der Entstehung, Deutung und Wirkung dieser berühmten Erzählung gewidmet ist. Binder veröffentlichte außerdem Bücher und Aufsätze zu Oskar Baum, Otokar B¿ezina, Rainer Maria Rilke, Hugo Salus, Johannes Urzidil, Ernst Weiß, Franz Werfel und anderen Autoren des Prager Kulturkreises sowie zu Vereinen und zur Sozialgeschichte der böhmischen Metropole. Bei Vitalis erschienen unter anderem Wo Kafka und seine Freunde zu Gast waren (2000), Mit Kafka in den Süden (2007), Gustav Meyrink. Ein Leben im Bann der Magie (2009), Kafkas Wien (2012), Prag - Literarische Spaziergänge durch die Goldene Stadt (2017) und Gestern abend im Café - Kafkas versunkene Welt der Prager Kaffeehäuser und Nachtlokale (2021).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.2015

Ein Prager auf der Reise nach Wien

Kafka im Kabarett, in der Korrespondenz mit Karl Kraus und beim Zionistenkongress: Hartmut Binders Band "Kafkas Wien" ist ein Meisterstück positivistischer Kafka-Forschung aus den Quellen.

Niemand hat über Kafka seit langem so erkenntnisfördernd publiziert wie Hartmut Binder. Die Zahl der Bücher, die er diesem Autor gewidmet hat, ist Legion. Im letzten Jahrzehnt liegt ihr spezifischer Reiz in einer ausführlichen Erforschung des überlieferten Bildmaterials, kombiniert mit detektivischer biographischer Spurensuche. Wahrscheinlich gibt es keinen Händler antiquarischer Postkarten und anderer profaner Archivalien in Europa, mit dem Binder nicht auch persönlich bekannt ist, und wer einmal in seinem Haus in Ditzingen einen Blick in das von Dokumenten und Zeugnissen aller Art überquellende Archiv nehmen konnte, weiß, dass dort, in der schwäbischen Provinz, die positivistische Kafka-Forschung eines ihrer Zentren hat. Den Vergleich mit staatlichen Literaturarchiven braucht es im Kafka-Horizont nicht zu scheuen.

Nach den staunenswürdigen Bildbänden "Kafka und Paris" (1999) und "Mit Kafka in den Süden. Eine historische Bilderreise in die Schweiz und zu den oberitalienischen Seen" (2007) hat Hartmut Binder mit dem auf typographische Akkuratesse und vorzügliche Abbildungsqualität setzenden Prager Vitalis-Verlag nun einen weiteren imposanten Bildband mit Großstadtbezug vorgelegt: "Kafkas Wien". Ein bibliophiles Schmuckstück mit sehr vielen hochwertigen Farbabbildungen.

Der Genitiv "Kafkas Wien" kaschiert ein Problem. Obwohl Kafka nicht selten Wien besucht hat, waren die Aufenthalte in der Regel kurz, manchmal nur Stationen auf der Durchreise. Und seine an spezifischer Genauigkeit kaum zu übertreffenden Beobachtungen und die Notizen, die aus ihnen folgten, sind für Wien bei weitem nicht so ausführlich wie etwa die Aufzeichnungen, die sich über die Paris-Reisen und die Schweiz- und Italien-Exkursionen erhalten haben. Binder hat aus dieser Not eine Tugend gemacht und in dem Band nicht nur über Kafka in Wien geschrieben, sondern auch ausgiebig in entgegengesetzter Fragerichtung, und das heißt über die geistige und politisch-materielle Präsenz Wiens in Prag.

Manches lässt sich in seiner Einwirkung auf Kafka schwer einschätzen, etwa die Bedeutung der Kaiserbesuche 1891 und 1901 (die Bilder, die Binder zutage gefördert hat, sind gleichwohl eine Augenlust); anderes ist genauer fassbar, so der Einfluss der Wiener Schriftsteller und Dichter. Die eminente literarisch-biographische Nähe zu Grillparzer (Kafka wird spät noch Milena Jesenská ein Exemplar des "Armen Spielmann" schenken), die vertrackte Lektüre Adalbert Stifters, die reflektierte Stellung zu Karl Kraus, der mit Kafkas Freund Max Brod in einer scharfen publizistischen Dauerfehde lag - sie sind noch nie so einlässlich beschrieben und analysiert worden wie in diesem Band. Und Binders Recherchen bieten immer wieder Überraschendes. So geht aus seiner Musterung des Kraus-Nachlasses hervor, dass es eine bislang übersehene indirekte Korrespondenz zwischen Kraus und Kafka gegeben hat. Über einen Zwischenträger - den als Lyriker hervorgetretenen Franz Janowitz - erhielt Kraus mindestens zwei Schreiben Kafkas, die er durchaus las, dann aber über Janowitz bescheiden ließ, der Meister empfange keine Briefe Kafkas. Man sieht: Karl Kraus ist so kurios wie die um seinen Nachlass nicht ganz so bemühte Kraus-Forschung.

Bei manchen aufschlussreichen Abschnitten kann man Binder dabei zusehen, wie das von ihm gefundene Bildmaterial ihn auch dazu verlockt (ein Kafkasches Thema), den Rahmen seines Themas nicht allzu restriktiv auszulegen. Das Kapitel über Kafka "Im Kabarett" zeigt - manche in Erstreproduktionen - Bilder von Chansonetten (Fatinizza) und Tänzerinnen (Grete Wiesenthal beim Tanzen des Frühlingsstimmenwalzers von Johann Strauss, Gusti Odys beim Schleiertanz), die in Prag auftraten, aber nur mit Wohlwollen dem Thema "Kafkas Wien" zugeordnet werden können. Aber man freut sich gleichwohl mit Binder, dass dank seiner Sammelwut und Findigkeit endlich die Gesichter jener Frauen erkennbar werden, die Kafka beeindruckt haben.

Das Zentrum des Bandes bildet eine akribische Darstellung jener halb beruflichen, halb privaten Wien-Reise vom 6. bis zum 13. September 1913, die ihn zum II. Internationalen Kongress für Unfallversicherung und Rettungswesen führte und zugleich auf den Zionistenkongress im Goldenen Saal des Musikvereinsgebäudes. Binder rekonstruiert geduldig und detailliert die Kafkaschen Wege, seine Zeitpläne, wertet die erhaltenen Sitzungsprotokolle aus und beschreibt dabei präzise die Halbdistanz, die Kafkas eigentümliche Stellung zu beiden Tagungen charakterisiert. Ein Meisterstück positivistischer Kafka-Forschung aus den Quellen.

Sind Felice Bauer und Dora Diamant im kollektiven Gedächtnis der Kafka-Forschung mit Berlin assoziiert, so Wien mit Milena Jesenská. Ihrer Beziehung zu Kafka, ihren gemeinsamen Wegen und den Orten ihrer Zusammenkünfte hat Binder die letzten siebzig Seiten seiner Studie gewidmet, auch hier begleitet von brillanten, oft erstmals im Kafka-Kontext zu sehenden Abbildungen von Orten und Personen. Das Siechtum in Kierling kommt nur kurz zur Sprache und zu Bild.

Folgt man der Logik der Produktion, ist der Band zu Kafka in Berlin bereits vorgezeichnet, und wir dürfen uns wieder auf jene ausgeklügelte Balance von Bild und Wort freuen, die Binders Publikationen im letzten Jahrzehnt vor allen anderen auszeichnen. Vorerst ist dem vorliegenden Wien-Band die Aufmerksamkeit möglichst vieler Leser zu wünschen. Es gibt in diesem Genre nichts Vergleichbares.

ROLAND REUSS.

Hartmut Binder: "Kafkas Wien. Porträt einer schwierigen Beziehung".

Vitalis Verlag, Prag 2014. 456 S., geb., ca. 300 Abb., 49,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Was die positivistische Kafka-Forschung betrifft, kennt Roland Reuss nichts, was sich mit Hartmut Binder und seinen detektivischen, von sagenhaftem Bildmaterial gestützten Spurensuchen vergleichen ließe. Wenn Binder nun Kafka nach Wien folgt, wird der Rezensent nicht enttäuscht, sondern erhält ein Glanzstück genauer Beobachtung in bibliophiler Aufmachung. Auch wenn Kafka und Wien eher die Geschichte einer Durchreise heißen könnte, wie Reuss wissen lässt, der Auror weiß sich zu helfen und vermittelt die geistige und politische Präsenz Wiens in Prag und den Einfluss der Wiener Dichter auf Kafka. Was Kafka und Karl Kraus verband bzw. trennte, liest Reuss hier in nie gesehner Ausführlichkeit. Und was Kafka 1913 auf dem II. Internationalen Kongress für Unfallversicherung und Rettungswesen erlebte, weiß er nun auch.

© Perlentaucher Medien GmbH