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Als Hauptquellen und Autoritäten dienen ihm neben der Bibel das kanonische und römische Recht, die -Goldene Bulle-, Dante, Jordanus von Osnabrück, Thomas von Aquin, Felix Hemmerlin, Enea Silvio Piccolomini. Seine eindringlichen Ermahnungen und Vorschläge gelten der Reichsreform durch Rezeption des römischen Rechtes, der Konsolidierung der Reichsstruktur und der Reform des Justizwesens.

Produktbeschreibung
Als Hauptquellen und Autoritäten dienen ihm neben der Bibel das kanonische und römische Recht, die -Goldene Bulle-, Dante, Jordanus von Osnabrück, Thomas von Aquin, Felix Hemmerlin, Enea Silvio Piccolomini. Seine eindringlichen Ermahnungen und Vorschläge gelten der Reichsreform durch Rezeption des römischen Rechtes, der Konsolidierung der Reichsstruktur und der Reform des Justizwesens.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.1999

Wenn unsereins studiert, dann hat das Reich etwas davon
Staatsreform durch Universitätsreform: Was Peter von Andlau Kaiser Friedrich III. riet · Von Gerrit Walther

1460 herrschte in Basel eine Stimmung wie 1810 in Berlin, 1968 in Bielefeld und vielleicht bald in Erfurt: akademisches Goldgräberfieber. Pius II., der Humanistenpapst, der als Enea Silvio Piccolomini zwanzig Jahre zuvor das Baseler Konzil besucht und die von den Kardinälen ins Leben gerufene Universität schätzengelernt hatte, erlaubte den Stadtvätern, die seither verfallene Hochschule neu zu gründen - ganz nach ihren Wünschen. Also versuchte man sie so attraktiv wie möglich zu machen: praxisnah, leistungsorientiert, marktwirtschaftlich. Ein Magnet der internationalen Elite sollte sie werden, eine Kaderschmiede für hohe und höchste Führungskräfte. Die unerhört üppige Ausstattung mit sechs juristischen Professuren setzte klare Signale.

Zum Gründungsausschuß gehörte der Domkaplan Peter von Andlau. Er hatte in Heidelberg studiert, war in Pavia promoviert worden und hatte jahrelang öffentlich für die Universität geworben, an der er nun eine glänzende Karriere als Kirchenrechtler und Rektor machen sollte. Das "Büchlein über die kaiserliche Herrschaft", das er im gleichen Jahr 1460 schrieb, krönte seine Werbekampagne. Das also würden aufstrebende Talente an der neuen Hochschule lernen können: die Maximen und Rahmenbedingungen moderner deutscher Politik. Das Thema selbst war keineswegs originell. Seit den Konzilswirren ebbte die Flut der Reformschriften und "Gravamina" nicht mehr ab. Der "Libellus" aber traf in eine Situation, die desolater denn je schien. Zwar hatte Friedrich III. 1442, zwei Jahre nach seiner Wahl zum deutschen König und zehn Jahre vor seiner Kaiserkrönung, selbst eine energische "Refomatio" verkündet. Wenig später aber hatte er sich ins ferne Wien zurückgezogen und sich seither darauf beschränkt, seine Hausmacht zu zementieren und bizarre Geldquellen zu ersinnen - etwa die Privatisierung seiner Gerichte und Behörden. Das Reich aber war im Chaos blutiger Fehden, erbitterter Parteikämpfe und permanenter Privatkriege großer und kleiner Fürsten versunken. Daß moderne Historiker Friedrichs Politik des Aussitzens als "seltene Kunst des staatsmännischen Attentismus" (Hellmut Diwald) loben würden, hätte die Zeitgenossen nicht nur befremdet. Es hätte sie empört.

Auch Peter von Andlau widmet sein Werk zwar dem Kaiser. Er warnt ihn jedoch gleich in der Vorrede, nicht nur Lob zu erwarten. Das ist milde gesagt. Wenig später nämlich spricht er ihm den Kaisertitel rundweg ab. Keine einzige seiner Herrschaftspflichten habe Friedrich erfüllt. Das Argument: man könne nichts tun, weil die Mittel fehlten, verwechsele die Wirkung schlechter Politik mit ihrer Ursache. Eben weil früheren Kaisern am Wohl ihrer Untertanen gelegen gewesen sei, hätten sie auch genug Geld gehabt. Erst seit man damit aufgehört habe, "fehlt es auch am Wachstum glücklichen Wohlstands". Nicht minder scharf attackiert Andlau die Fürsten. Ihre Fehden, ihre rücksichtslose Interessenpolitik, ihre Verachtung gelehrter Experten hätten das Reich ruiniert und seinen Ruhm zerstört, politisches Zentrum der Welt zu sein.

Ausführlich erzählt er, woher dieser Ruhm kam: wie Gott die Weltherrschaft beim Ende der Sintflut zuerst den Babyloniern, dann den Persern, den Griechen, den Römern und unter Karl dem Großen schließlich den Deutschen übertragen habe. Es ist die alte, seit den Kirchenvätern geläufige Geschichte der "translatio imperil". Doch Peter von Andlau setzt neue Akzente. Zwar sieht er überall göttliche Vorsehung wirken. Zugleich aber läßt er keinen Zweifel, daß der Aufstieg Roms wie der der Germanen auf konkreten politischen Tugenden beruhte: auf Mut, Unbestechlichkeit, Frugalität, Opfersinn, Gerechtigkeit, Gesetzlichkeit. Wo sie verlorengingen, wie in der korrupten Gegenwart, brach das Reich zusammen.

Ein solches Verfallssymptom ist die neue Unübersichtlichkeit. Denn Gott will Klarheit. Einer soll herrschen. Zwar, so betont der selbstbewußte Baseler, arbeiten kommunale Regierungen oft besser und erfolgreicher. Leicht aber führe die Herrschaft vieler zur Tyrannei - um so schneller, je mehr an ihr teilnähmen: Wo der einzelne keinen mehr über sich weiß, bricht bald seine angeborene Bosheit, die unausrottbare "perversitas" der menschlichen Natur hervor. Was sie für Freiheit hält, ist Unrecht. Denn jeder, der die ihm gesetzten Grenzen überschreitet, schädigt notwendig andere. Deshalb verkündet, wer die Freiheit rühmt, nur die Ideologie der Gewalt. Königsherrschaft ist Risiko-Minimierung.

Formell spricht Peter von Andlau als Theologe. Im Kern aber argumentiert er psychologisch-pragmatisch. Zwar bekämpft er jene Säkularisierung der Politik, die eine Generation vor Commynes und zwei Generationen vor Machiavelli längst zur Tatsache geworden ist. Doch im Kern teilt er dieses Denken bereits. So tönt aus seinem Lob der Monarchie nicht nur scholastische Konvention, sondern - mehr als hundert Jahre vor Bodin - beinahe schon etwas von dessen Souveränitätsidee: Nur die zeitlich unbegrenzte, allein den göttlichen Geboten gehorchende Gewalt sei wahre Herrschaft, erklärt er, und er appelliert an den Kaiser, diese "potestas absoluta" rücksichtslos gegen alle Mißbräuche einzusetzen.

Peter von Andlau doziert nicht als Professor. Er gibt sich als Humanist, als besorgter Privatmann, der in seiner kleinen Bibliothek die Klassiker, Kirchenväter, das kanonische Recht um Rat fragt. Gerade die scheinbare Leichtigkeit, mit der er sie in seinem "Libellus" zusammenfügt, zeigt, wie verfügbar die Autoritäten und Traditionen geworden sind, deren Ordnungen er in Kapiteln über Fürstenpflichten, Adelsränge, Zeremonien und Wappen so penibel rekapituliert. Wer dies im Dienste des Rechts tut: wer die Tradition mit den Waffen des modernen "advocatus" verteidigen kann, der stehe, erklärt Andlau kühn, über dem Ritterbürtigen, der nur mit Waffen zu kämpfen weiß. Ebendies: Prestige durch Bildung, verspricht die neue Universität, für die er wirbt, ihren Absolventen.

Der "Libellus", der erst 1603 gedruckt erschien, gilt als erster Versuch eines deutschen Staatsrechts. Dies allein schon rechtfertigt die Übersetzung - die erste überhaupt -, die dank Renate Pletl und Konrad Vollmann eine angenehm flüssige Lektüre erlaubt. Rainer A. Müllers kundiges Nachwort ebnet den Weg zu diesem bedeutenden Zeitdokument, das kaum jemand mehr kennt, seit es zwischen den Zunftgrenzen von Mittelalter und Neuzeit verlorengegangen ist.

Peter von Andlau: "Kaiser und Reich". Libellus de Cesarea Monarchia. Lateinisch und Deutsch. Herausgegeben von Rainer A. Müller. Bibliothek des deutschen Staatsdenkens, Band 8. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1998. 346 S., geb., 76,- DM.

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