Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 6,80 €
  • Buch

Die Freiheitsstatue: Hunderttausende ließen sich um 1900 von diesem verlockenden Bild über den Ozean locken. Damals hatte in Galizien (heute Polen und Ukraine), dem Armenhaus der Habsburger-Monarchie, eine Welle der Emigration eingesetzt. Kleinbauern, Handwerker, jüdische "Luftmenschen", sie alle suchten eine bessere Zukunft; der Kaiser von Amerika, meinten sie, werde sie nach ihrer Flucht freudig willkommen heißen. Aus dieser Hoffnung entwickelte sich rasch ein einträgliches Geschäft, an dem viele mitverdienten. Schlepper, Agenten, Menschenhändler und die Aussicht auf ein besseres Leben:…mehr

Produktbeschreibung
Die Freiheitsstatue: Hunderttausende ließen sich um 1900 von diesem verlockenden Bild über den Ozean locken. Damals hatte in Galizien (heute Polen und Ukraine), dem Armenhaus der Habsburger-Monarchie, eine Welle der Emigration eingesetzt. Kleinbauern, Handwerker, jüdische "Luftmenschen", sie alle suchten eine bessere Zukunft; der Kaiser von Amerika, meinten sie, werde sie nach ihrer Flucht freudig willkommen heißen. Aus dieser Hoffnung entwickelte sich rasch ein einträgliches Geschäft, an dem viele mitverdienten. Schlepper, Agenten, Menschenhändler und die Aussicht auf ein besseres Leben: Martin Pollack erzählt von Menschen, die um 1900 ihr Glück in den USA suchten.
Autorenporträt
Martin Pollack, geboren 1944 in Bad Hall, Oberösterreich, studierte Slawistik und osteuropäische Geschichte. Bis 1998 Korrespondent des Spiegel in Wien und Warschau. Übersetzer u. a. von Ryszard Kapuscinski. Preise u. a.: Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung (2011), Johann-Heinrich-Merck-Preis, Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (beide 2018). Bei Zsolnay sind u.a. erschienen: Anklage Vatermord. Der Fall Philipp Halsmann (2002), Der Tote im Bunker. Bericht über meinen Vater (2004), Kaiser von Amerika. Die große Flucht aus Galizien (2010) und zuletzt Die Frau ohne Grab. Bericht über meine Tante (2019).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.11.2013

NEUE TASCHENBÜCHER
Auswanderbusiness
in Galizien
Richtig schaurig ist in diesem Buch das Kapitel zur großen Dürre 1889 in Galizien, den Bauern fehlt das Futter für ihre Tiere, irgendwann beginnt also das große Pferdeschlachten. Zwischen den Dörfern wachsen die Kadaverplätze, wo Hunderte Pferde verfaulen, man kann die Häute gebrauchen und die Knochen, nicht aber das Fleisch, „durchdringender Gestank und dichte Fliegenschwärme, dunkle, summende Wolken, weisen den Weg“. Das Elend in Galizien, dem Habsburger Armenhaus, treibt die Männer dort nach Amerika, wo es Arbeit geben soll, Großzügigkeit und Reichtum. Die Auswanderung ist ein Riesenbusiness, die Agenturen haben ihre Schlepper in den kleinsten Dörfern, schmuggeln die Männer an den Behörden vorbei, Richtung Hamburg und Bremen, lassen sie doppelt und dreifach buchen für die Passage auf den überfüllten Schiffen – die „Zwischendeckler“ –, und in Amerika warten dann die härtesten Jobs auf sie, in den Bergwerken, an den Hochöfen. Auch die Frauen kommen ins Geschäft, man holt sie in die Bordelle in Südamerika oder nach Chicago, auf die Weltausstellung 1893, als Dienstmädchen oder Buffetfräulein. FRITZ GÖTTLER
  
Martin Pollack:
Kaiser von Amerika.
Die große Flucht aus Galizien. dtv, München 2013. 284 Seiten, 9,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2010

Kratzen am kakanischen Zuckerguss

Martin Pollack erhält 2011 den Preis der Leipziger Buchmesse zur Europäischen Verständigung. Seine Geschichte vom Exodus aus Galizien im neunzehnten Jahrhundert bestätigt die Wahl glanzvoll.

Als der österreichische Autor und Übersetzer Martin Pollack sein erstes Buch, "Nach Galizien" (1984), publizierte, war er vor allem als Journalist tätig. Darauf ist auch sein Interesse für das Thema zurückzuführen: Seine kritischen Berichte über die damalige politische Situation in Polen hatten ihn dort zur Persona non grata gemacht, woraufhin er sich der Vergangenheit zuwandte. Die Zeit der "Zwangshistorisierung" war irgendwann vorbei, sein Interesse aber geblieben. Allerdings ging es ihm von Anfang an nicht nur um die Rekonstruktion des Vergangenen, er wollte auch mit falschen Mythen aufräumen.

Dieser Wunsch ist seinem neuen Buch, "Kaiser von Amerika", besonders stark anzumerken: Er beschreibt darin eine große Fluchtwelle, die Galizien um 1880 erfasste und bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs andauerte, und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Zustände, die dazu geführt hatten, genau das Gegenteil jenes idealisierten Bildes waren, das in den meisten Publikationen über die alte k. u. k. Provinz vorherrscht. Gerade die Österreicher, so Pollacks Kommentar, hätten den Hang, alles, was sich zur Erinnerung an Galizien zusammensetze, mit einem "kakanischen Zuckerguss" zu versehen, was ihn noch mehr animiere, die Schattenseiten der damaligen Situation zu zeigen.

Und das tut er in aller Unmissverständlichkeit: Er beschreibt nicht nur die Zustände, die zu der Auswanderungswelle geführt hatten - Hunger, Misswirtschaft, Korruption, wachsender Judenhass -, sondern auch die Konflikte, die sich aus der Habgier der Menschenhändler und dem Unwissen der Auswanderer ergaben. Und nicht zuletzt werden die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten deutlich: Die deutschen Behörden etwa befürchteten, dass die Galizier, die nach Hamburg und Bremen kamen, um von dort nach Amerika zu gelangen, sich auf Dauer in Deutschland niederlassen würden. Die Agenten der deutschen Schifffahrtslinien hingegen, die für jeden Auswanderer eine Provision kassierten, taten alles, um möglichst viele zum Exil zu bewegen.

In der Regel hatten sie damit keine Schwierigkeiten: Die Auswanderungswilligen waren meist einfache, ungebildete Menschen, die sich sehr leicht täuschen ließen. Und die Agenten wussten genau, mit welchen Versprechen sie zu ködern waren. Den frommen polnischen Bauern etwa erzählten sie, dass die Statue, die sie in New York begrüßen würde, die Jungfrau Maria darstelle.

Für die Ruthenen war die "herzzerreißende Geschichte vom geliebten Kronprinzen Rudolf" reserviert, der gar nicht in Mayerling ums Leben gekommen, sondern nach Brasilien gefahren sei, "um dort ein großes Reich zu gründen, das er mit seinen geliebten Ruthenen besiedeln wolle".

Was bei der Lektüre dieses Buches wohl am meisten überrascht, ist der Ort, der für die Auswanderer die Schlüsselrolle spielte: Auschwitz - ein bekannter Name, der plötzlich eine ganz neue Konnotation bekommt. Die Stadt lag direkt an der Grenze zwischen Österreich und Deutschland, und das machte sie plötzlich, so zynisch das heute klingt, zu einem einzigartigen Umschlagplatz: "Offizielle Agenten fungieren gleichzeitig als Schlepper, illegale Subagenten treiben den offiziellen Agenturen mit unerlaubten Mitteln Kunden zu."

Ein besonders lukratives Geschäft war der Mädchenhandel: Junge Frauen wurden an Bordelle in Istanbul oder Buenos Aires verkauft und dabei wie Sklavinnen behandelt.

Wie in allen seinen Büchern verbindet Pollack den dokumentarischen Anspruch mit dem literarischen. Den einen erfüllt er durch Sachlichkeit und sorgfältige Recherche, den anderen, indem er immer wieder den Blick auf einzelne Schicksale richtet. Deren oft sehr genaue Kenntnis verdankt er Polizeiberichten, Fotos und Zeitungen, die er mit besonderer Hingabe gelesen haben will.

Aus welchen Quellen er sein Material aber auch bezog, man merkt, dass der amerikanische Teil des Themas ihn nur begrenzt interessierte. Allerdings genügen die wenigen vorhandenen Passagen, um sich auszumalen, wie weit seine Protagonisten bei der Ankunft im gelobten Land von ihren Träumen entfernt waren: "Sie finden sich in einer grauen, rußigen Steinwüste wieder, hohe Zinshäuser, Straßen ohne jedes Grün, ärmliche Wohnungen ..."

Mit "Kaiser von Amerika" wird Martin Pollack seinem Ruf als "Entzauberer Galiziens" mehr als gerecht: Er zeichnet ein höchst nüchternes Bild der Provinz, und heikle Themen, etwa die hohe Anzahl der Juden unter den Nutznießern der Fluchtwelle, scheut er auch nicht. Doch beides tut er mit Absicht: "Ich glaube, man muss jeden Konflikt ansprechen, erst daraus kann sich irgendeine Weiterentwicklung ergeben." Dass er dabei Parallelen zu heute, zu den Praktiken der modernen Schlepperbanden oder der heutigen Medien, aufzeigt, macht sein Buch umso lesenswerter.

MARTA KIJOWSKA

Martin Pollack: "Kaiser von Amerika. Die große Flucht aus Galizien".

Paul Zsolnay Verlag, Wien 2010. 281 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Aufarbeitung von Historie in bewährter Form findet Rezensent Thomas Medicus mit Martin Pollacks "Kaiser von Amerika" vor. So ist das Schicksal der galizischen Auswanderer, die im 19. Jahrhundert mit der Hoffnung auf ein besseres Leben über Hamburg und Bremerhaven nach Amerika reisten, von Pollack "solide recherchiert" und "gut lesbar", lobt der Rezensent. Besonders eindrücklich findet er die Bedingungen dargestellt, unter denen ausgereist wurde: Alles andere als Abenteuerlust drängte die Menschen, vielmehr bittere Armut, referiert Medicus, sogar Menschenhändlern seien die Auswanderer zum Opfer gefallen. Ärgerlich findet er es da, dass diesem Werk vom Verlag nicht angemessener Rechnung getragen werde, zum Beispiel in Form von ausführlicherer Information über die zusätzlichen historischen Fotografien sowie einer Literaturliste.

© Perlentaucher Medien GmbH