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51 Kundenbewertungen

Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Doch in Kalmanns Kopf laufen die Räder manchmal rückwärts. Als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, überrollen ihn die Ereignisse. Mit seiner naiven Weisheit und dem Mut des reinen Herzens wendet er alles zum Guten. Kein Grund zur Sorge.

Produktbeschreibung
Er ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn. Er hat alles im Griff. Doch in Kalmanns Kopf laufen die Räder manchmal rückwärts. Als er eines Winters eine Blutlache im Schnee entdeckt, überrollen ihn die Ereignisse. Mit seiner naiven Weisheit und dem Mut des reinen Herzens wendet er alles zum Guten. Kein Grund zur Sorge.
Autorenporträt
Joachim B. Schmidt, geboren 1981, aufgewachsen im Schweizer Kanton Graubünden, ist 2007 nach Island ausgewandert. Seine Romane sind Bestseller und wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Crime Cologne Award und zuletzt mit dem Glauser-Preis. Der Doppelbürger lebt mit seiner Frau und zwei gemeinsamen Kindern in Reykjavík.
Rezensionen
»Eine Entdeckung, die bleibt.« Denis Scheck / ARD - druckfrisch ARD - druckfrisch
Wildwest auf Island
Joachim B. Schmidts Roman "Kalmann"

Kalmann Óðinnson ist 34 Jahre alt, dicklich, geistig unbedarft und hat noch nie mit einer Frau geschlafen oder ein Buch gelesen, hält sich aber für den Sheriff von Raufarhöfn. Stolz trägt er Stern, Cowboyhut und eine deutsche Mauser, die ihm sein Vater, ein amerikanischer Soldat, vermacht hat, aber der war nur Samenspender für die Mutter. Sheriff Kalmann, ohnehin kein sehr unternehmungslustiger Typ, hat wenig zu tun: Raufarhöfn, 609 Kilometer nördlich von Reykjavík gelegen, ist ein sterbendes Dorf mit noch 173 Seelen. Seit die Fischerei fast zum Erliegen kam, ziehen die Leute weg, und alles, was Raufarhöfn lebens- und liebenswert machte, wurde geschlossen oder geschrumpft: Kino, Tanzgruppe, Schule, Tankstelle.

Kalmann redet mangels anderer Gesprächspartner mit Eisbären, Polarfüchsen oder dem Kutter, mit dem er zur Jagd auf Grönlandhaie ausläuft. Sein Wortschatz beschränkt sich auf Phrasen wie "Korrektomundo" oder "Keine Chance" und lakonische Lebensweisheiten wie "Wenn etwas das Gesetz ist, kann man nichts machen" oder "Unter einem Eisbären kann es sehr dunkel sein". Kalmann vertreibt sich die Zeit gutgelaunt mit ortsüblichen Zerstreuungen: Er isst als Mutprobe rohe Fischaugen (und erbricht sie gleich wieder), besucht den Großvater im Seniorenheim und telefoniert viel mit seinem einzigen Freund, einem nerdigen Hacker aus Reykjavík, der alle Welt mit tragikomischen Hass- und Hämetiraden überzieht. Kalmann dagegen ist im Grunde eine Seele von Mensch. Und keiner macht besseren Gammelhai - eine isländische Spezialität, die fermentiert und im Boden vergraben wird, allerdings bestialisch stinkt.

Ausgerechnet Kalmann findet bei der Jagd auf Polarfüchse Blutspuren im Schnee, die seinen kriminalistischen Instinkt wecken. Ist nicht gerade der Hotelier Róbert McKenzie spurlos verschwunden, der König von Raufarhöfn, der das Dorf als "Jammerkaff" beschimpfte und sich in einem Anfall lebensmüder Verzweiflung den Haien zum Fraß vorwerfen wollte? Wurde McKenzie Opfer eines Verbrechens oder eines verirrten Eisbären? Was wissen die litauischen Saisonarbeiter in McKenzies Hotel, was die schöne Nadja, nach der Kalmann sich in seinen Tagträumen verzehrt? Er tappt ahnungslos im Polarkreis herum, die Polizei in Gestalt der molligen, warmherzigen Birna im Dunkeln, und so scheint die Story auf einen herzerwärmenden Wohlfühl-Krimi loszusteuern: Ein nordischer Forrest Gump verirrt sich in ein Abenteuer aus Kuschelsex und Crime.

Joachim B. Schmidts Roman ist dann aber doch ein bisschen mehr, nämlich eine genau recherchierte, unprätentiös erzählte Reportage vom Alltag am kalten Ende der Welt. Der gebürtige Schweizer lebt nach etlichen Zwischenstationen (Kellner, Knecht, Maurer, Journalist) seit mittlerweile dreizehn Jahren als Fremdenführer auf Island. Drei Romane hatte er schon über die geheime Verwandtschaft zwischen Schweizern und Isländern geschrieben; zuletzt, in "Moosfieber" (2013), erinnerte er ans Schicksal von dreihundert deutschen Kriegerwitwen, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen einer Bauer-sucht-Frau-Aktion auf die Insel verschickt wurden. Jetzt könnte Schmidt bei Diogenes einem größeren Publikum bekannt werden: als Außenreporter und Tourenführer für ein gemütlich vergammelndes Island.

Aus Schmidts Blog geht hervor, dass der Autor kaum etwas erfinden musste: Wie im Roman hält auch im wahren Leben von Raufarhöfn der Dorfdichter Sprechstunde in der Bücherei, stehen Tankstelle, Leuchtturm und Arctic Henge Monument als Ruinen verblichener Hoffnungen in der großartigen Einöde herum. Als Sittenbild aus Islands Provinz ist Schmidts Roman durchaus gelungen, als Porträtgalerie von verschrobenen Originalen überzeugt er weniger. Der schrullige Großvater scheint immer kurz davor, als Hundertjähriger aus dem Fenster zu steigen, und vor allem die weiblichen Figuren sind arg altbacken. "Ich mag Leute, die ich nicht kenne, grundsätzlich nicht", räsoniert Kalmann einmal. "Außer Frauen. Aber das ist etwas anderes. Die muss man nämlich mögen, denn das ist die Natur. Fortpflanzung." Korrektomundo. Aber mit solch grenzdebilen Kalendersprüchen bekäme man wohl nicht einmal in Raufarhöfn eine Chance.

MARTIN HALTER

Joachim B. Schmidt: "Kalmann". Roman.

Diogenes Verlag, Zürich 2020. 352 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2020

Wildwest auf Island
Joachim B. Schmidts Roman "Kalmann"

Kalmann Óðinnson ist 34 Jahre alt, dicklich, geistig unbedarft und hat noch nie mit einer Frau geschlafen oder ein Buch gelesen, hält sich aber für den Sheriff von Raufarhöfn. Stolz trägt er Stern, Cowboyhut und eine deutsche Mauser, die ihm sein Vater, ein amerikanischer Soldat, vermacht hat, aber der war nur Samenspender für die Mutter. Sheriff Kalmann, ohnehin kein sehr unternehmungslustiger Typ, hat wenig zu tun: Raufarhöfn, 609 Kilometer nördlich von Reykjavík gelegen, ist ein sterbendes Dorf mit noch 173 Seelen. Seit die Fischerei fast zum Erliegen kam, ziehen die Leute weg, und alles, was Raufarhöfn lebens- und liebenswert machte, wurde geschlossen oder geschrumpft: Kino, Tanzgruppe, Schule, Tankstelle.

Kalmann redet mangels anderer Gesprächspartner mit Eisbären, Polarfüchsen oder dem Kutter, mit dem er zur Jagd auf Grönlandhaie ausläuft. Sein Wortschatz beschränkt sich auf Phrasen wie "Korrektomundo" oder "Keine Chance" und lakonische Lebensweisheiten wie "Wenn etwas das Gesetz ist, kann man nichts machen" oder "Unter einem Eisbären kann es sehr dunkel sein". Kalmann vertreibt sich die Zeit gutgelaunt mit ortsüblichen Zerstreuungen: Er isst als Mutprobe rohe Fischaugen (und erbricht sie gleich wieder), besucht den Großvater im Seniorenheim und telefoniert viel mit seinem einzigen Freund, einem nerdigen Hacker aus Reykjavík, der alle Welt mit tragikomischen Hass- und Hämetiraden überzieht. Kalmann dagegen ist im Grunde eine Seele von Mensch. Und keiner macht besseren Gammelhai - eine isländische Spezialität, die fermentiert und im Boden vergraben wird, allerdings bestialisch stinkt.

Ausgerechnet Kalmann findet bei der Jagd auf Polarfüchse Blutspuren im Schnee, die seinen kriminalistischen Instinkt wecken. Ist nicht gerade der Hotelier Róbert McKenzie spurlos verschwunden, der König von Raufarhöfn, der das Dorf als "Jammerkaff" beschimpfte und sich in einem Anfall lebensmüder Verzweiflung den Haien zum Fraß vorwerfen wollte? Wurde McKenzie Opfer eines Verbrechens oder eines verirrten Eisbären? Was wissen die litauischen Saisonarbeiter in McKenzies Hotel, was die schöne Nadja, nach der Kalmann sich in seinen Tagträumen verzehrt? Er tappt ahnungslos im Polarkreis herum, die Polizei in Gestalt der molligen, warmherzigen Birna im Dunkeln, und so scheint die Story auf einen herzerwärmenden Wohlfühl-Krimi loszusteuern: Ein nordischer Forrest Gump verirrt sich in ein Abenteuer aus Kuschelsex und Crime.

Joachim B. Schmidts Roman ist dann aber doch ein bisschen mehr, nämlich eine genau recherchierte, unprätentiös erzählte Reportage vom Alltag am kalten Ende der Welt. Der gebürtige Schweizer lebt nach etlichen Zwischenstationen (Kellner, Knecht, Maurer, Journalist) seit mittlerweile dreizehn Jahren als Fremdenführer auf Island. Drei Romane hatte er schon über die geheime Verwandtschaft zwischen Schweizern und Isländern geschrieben; zuletzt, in "Moosfieber" (2013), erinnerte er ans Schicksal von dreihundert deutschen Kriegerwitwen, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen einer Bauer-sucht-Frau-Aktion auf die Insel verschickt wurden. Jetzt könnte Schmidt bei Diogenes einem größeren Publikum bekannt werden: als Außenreporter und Tourenführer für ein gemütlich vergammelndes Island.

Aus Schmidts Blog geht hervor, dass der Autor kaum etwas erfinden musste: Wie im Roman hält auch im wahren Leben von Raufarhöfn der Dorfdichter Sprechstunde in der Bücherei, stehen Tankstelle, Leuchtturm und Arctic Henge Monument als Ruinen verblichener Hoffnungen in der großartigen Einöde herum. Als Sittenbild aus Islands Provinz ist Schmidts Roman durchaus gelungen, als Porträtgalerie von verschrobenen Originalen überzeugt er weniger. Der schrullige Großvater scheint immer kurz davor, als Hundertjähriger aus dem Fenster zu steigen, und vor allem die weiblichen Figuren sind arg altbacken. "Ich mag Leute, die ich nicht kenne, grundsätzlich nicht", räsoniert Kalmann einmal. "Außer Frauen. Aber das ist etwas anderes. Die muss man nämlich mögen, denn das ist die Natur. Fortpflanzung." Korrektomundo. Aber mit solch grenzdebilen Kalendersprüchen bekäme man wohl nicht einmal in Raufarhöfn eine Chance.

MARTIN HALTER

Joachim B. Schmidt: "Kalmann". Roman.

Diogenes Verlag, Zürich 2020. 352 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2020

Eisbären unter Verdacht
Joachim B. Schmidts „Kalmann“
Schall und Wahn in Raufarhöfn: Auf der Ebene über dem Fischerdorf im Nordosten Islands wurde eine Blutlache entdeckt, ausgerechnet von dem Dorfidioten, Kalmann. Der rennt mit Cowboyhut, Sheriffstern und Pistole durch den Ort und macht sich wichtig, wenn er nicht seinen berüchtigten Gammelhai zubereitet oder von der schönen Nadja träumt. Kalmann kann alle Örtchen, Fjorde und Gletscher Islands aus dem Gedächtnis aufzeichnen, sonst hat er aber Schwierigkeiten, die Welt und seine Mitmenschen zu verstehen. Er denkt Sachen wie: „Ich glaube, wenn ich einen gezähmten Fuchs als Haustier gehabt hätte, hätte ich bei den Frauen bessere Chancen gehabt.“ Dieser Kalmann ist nun nicht nur zentrale Person in einem Vermisstenfall, der wahrscheinlich ein Mord ist, er ist auch der Erzähler dieses Romans.
Solche Erzähler haben eine lange literarische Tradition, Joachim B. Schmidt, der 2007 aus der Schweiz nach Island ausgewandert ist, macht daraus aber keinen komplizierten Fall. Kalmann vergleicht sich selbst mit Forrest Gump: „Das ist aus einem Film, in dem der Held behindert ist, aber schnell laufen und gut Pingpong spielen kann.“ Es liegt ja etwas Sympathisches und Entlarvendes in diesem naiven Blick auf die Welt, der auch der Literatur gar nicht so fremd ist, zur Mordaufklärung aber nur bedingt taugt. Kalmann verdächtigt nämlich zuerst einen Eisbären, an dem Verschwinden des Hotelchefs Róbert McKenzie schuld zu sein, dann die beiden litauischen Pärchen, die für den Verschwundenen gearbeitet haben. Klar, Eisbären können von Grönland nach Island rüberkommen und die Litauer sind ja für Drogenschmuggel bekannt. Oder ist es Zufall, dass ein paar Tage später ein Fass voller Marihuana angespült wird? In jedem Fall kommt die Bedrohung für Kalmann von außen.
Island wurde von der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren sehr hart getroffen und diese Auswirkungen sind noch immer zu spüren. Schmidt webt dieses und andere Themen, die gerade die Welt im Allgemeinen und Island im Besonderen beschäftigen, wie die kriminellen Machenschaften um Fischfangquoten, krude Internetgemeinschaften und die Angst vor Einwanderern, in seine Schelmengeschichte und das verzerrte Weltbild Kalmanns ein, was gerade in dieser Verfremdung manche Perspektive zurechtrückt. Nur weil ein Idiot etwas erzählt, heißt das ja noch lange nicht, dass es nichts zu bedeuten hat.
NICOLAS FREUND
Joachim B. Schmidt:
Kalmann. Roman.
Diogenes, Zürich 2020.
352 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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