Sie gelten noch immer als die tapfersten Piloten der Geschichte: Mehrere tausend junge Männer, die sich im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges vor Japans Küsten auf feindliche Schiffe stürzten, um so von Vaterland und Kaiser noch die Niederlage abzuwenden. Der Mythos des freiwilligen, heldenhaften Todesfliegers hat seitdem im Westen im Begriff der "Kamikaze" überlebt.
Doch die Wirklichkeit war anders. Überlebende schilderten sie einem ARD-Team - für eine später preisgekrönte Dokumentation.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2001Pflicht zum Tode
KAMIKAZE-PILOTEN. Der Krieg war für Japan 1944 schon verloren. Dies ist nicht die Erkenntnis "kluger" Historiker; vielmehr kamen sogar die japanischen Militärs zu diesem für sie niederschmetternden Ergebnis. Da sie aber nicht bereit oder in der Lage waren, daraus die Konsequenzen zu ziehen, entwickelten sie eine neue "Strategie". Die militärische Überlegenheit der Amerikaner stützte sich hauptsächlich auf die Flugzeugträger. Diese auszuschalten, sollte nun einer besonderen Truppe vorbehalten sein, den Kamikaze-Piloten. Sie sollten sich mit ihren Flugzeugen auf die gegnerischen Schiffe stürzen und so, nach den Worten ihrer Befehlshaber, dem Kaiser einen letzten Dienst erweisen, das bedrohte Vaterland retten. Bis heute hält sich hartnäckig die Legende, die Piloten hätten sich freiwillig gemeldet. Klaus Scherer, ARD-Fernsehkorrespondent in Tokio, hat viele derjenigen, die - meist zufällig - ihren vermeintlich letzten Einsatz überlebten, gesprochen. Herausgekommen ist zunächst eine preisgekrönte Fernsehdokumentation, die mit dieser Legende schonungslos aufräumte. Zu Wort kommen auch ehemalige amerikanische Soldaten. Sie schildern, daß sie nicht fassen konnten, was die Japaner da machten. Die Texte der Interviews, versehen mit einem Vorwort des Autors und illustriert mit vielen Bildern, liegen jetzt auch in Buchform vor. Es ist nicht eines der allzu zahlreichen "Bücher zum Film". Scherer muß gar nicht versuchen, die Umstände, unter denen junge - sehr junge - Männer "überredet" wurden, Selbstmord zu begehen, zu kommentieren. Die Antworten der Überlebenden sprechen für sich. In diesem Buch breitet sich der ganze Horror der Todeskommandos aus. Die "Auserwählten" hatten alle fürchterliche Angst. Aber es schickte sich als tapferer japanischer Soldat nun einmal nicht, irgendwelche Gefühle zu zeigen. Das galt sogar für die letzten Begegnungen mit ihren Familien, die den Opfern großzügigerweise noch gewährt wurden. Es ist wahrlich weder eine leichte noch eine angenehme Lektüre. Für Menschen mit schwachen Nerven empfiehlt es sich nicht als Bettlektüre. Aber das Thema "Kamikaze" wird auf relativ knappem Raum einfühlsam und umfassend beleuchtet. Als Fernsehkorrespondent ist es Scherer gewohnt, vor der Kamera zu stehen. Das erklärt wahrscheinlich, daß der Autor gleich mehrmals im Buch abgebildet ist. Diese Fotos sind der einzige Schönheitsfehler des überaus lehrreichen und lesbaren Buches. (Klaus Scherer: Kamikaze. Todesbefehl für Japans Jugend. Überlebende berichten. Iudicium Verlag, München 2001. 172 Seiten, 28,- Mark.)
PES.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
KAMIKAZE-PILOTEN. Der Krieg war für Japan 1944 schon verloren. Dies ist nicht die Erkenntnis "kluger" Historiker; vielmehr kamen sogar die japanischen Militärs zu diesem für sie niederschmetternden Ergebnis. Da sie aber nicht bereit oder in der Lage waren, daraus die Konsequenzen zu ziehen, entwickelten sie eine neue "Strategie". Die militärische Überlegenheit der Amerikaner stützte sich hauptsächlich auf die Flugzeugträger. Diese auszuschalten, sollte nun einer besonderen Truppe vorbehalten sein, den Kamikaze-Piloten. Sie sollten sich mit ihren Flugzeugen auf die gegnerischen Schiffe stürzen und so, nach den Worten ihrer Befehlshaber, dem Kaiser einen letzten Dienst erweisen, das bedrohte Vaterland retten. Bis heute hält sich hartnäckig die Legende, die Piloten hätten sich freiwillig gemeldet. Klaus Scherer, ARD-Fernsehkorrespondent in Tokio, hat viele derjenigen, die - meist zufällig - ihren vermeintlich letzten Einsatz überlebten, gesprochen. Herausgekommen ist zunächst eine preisgekrönte Fernsehdokumentation, die mit dieser Legende schonungslos aufräumte. Zu Wort kommen auch ehemalige amerikanische Soldaten. Sie schildern, daß sie nicht fassen konnten, was die Japaner da machten. Die Texte der Interviews, versehen mit einem Vorwort des Autors und illustriert mit vielen Bildern, liegen jetzt auch in Buchform vor. Es ist nicht eines der allzu zahlreichen "Bücher zum Film". Scherer muß gar nicht versuchen, die Umstände, unter denen junge - sehr junge - Männer "überredet" wurden, Selbstmord zu begehen, zu kommentieren. Die Antworten der Überlebenden sprechen für sich. In diesem Buch breitet sich der ganze Horror der Todeskommandos aus. Die "Auserwählten" hatten alle fürchterliche Angst. Aber es schickte sich als tapferer japanischer Soldat nun einmal nicht, irgendwelche Gefühle zu zeigen. Das galt sogar für die letzten Begegnungen mit ihren Familien, die den Opfern großzügigerweise noch gewährt wurden. Es ist wahrlich weder eine leichte noch eine angenehme Lektüre. Für Menschen mit schwachen Nerven empfiehlt es sich nicht als Bettlektüre. Aber das Thema "Kamikaze" wird auf relativ knappem Raum einfühlsam und umfassend beleuchtet. Als Fernsehkorrespondent ist es Scherer gewohnt, vor der Kamera zu stehen. Das erklärt wahrscheinlich, daß der Autor gleich mehrmals im Buch abgebildet ist. Diese Fotos sind der einzige Schönheitsfehler des überaus lehrreichen und lesbaren Buches. (Klaus Scherer: Kamikaze. Todesbefehl für Japans Jugend. Überlebende berichten. Iudicium Verlag, München 2001. 172 Seiten, 28,- Mark.)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der Rezensent mit dem Kürzel "pes." erläutert, dass dieses Buch auf einer preisgekrönten Fernsehdokumentation des ARD-Korrespondenten Klaus Scherer basiert, beruhigt die Leser aber, dass es sich hier nicht bloß um ein "Buch zum Film", sondern um ein durchaus eigenständiges Werk mit vielen Interviews und Fotos handelt. Mit dem Mythos der Kamikaze-Flieger wird hier nach der Darlegung des Rezensenten gründlich aufgeräumt: Sie seien nicht freiwillig in ihre Selbstmordkommandos gegangen, sondern konnten sich ihrer Zwangsverpflichtung praktisch nicht entziehen. Eine angenehme Lektüre sei das Buch nicht, hält der Rezensent fest, aber er lobt Scherers "einfühlsame und umfassende" Darstellung des Themas.
© Perlentaucher Medien GmbH
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