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Wolfgang Kaleck, Anwalt und Streiter für die Menschenrechte, ist ein ausgewiesenerKenner der argentinischen Geschichte und als Anwalt von ständig vorOrt. In diesem Buch skizziert er das Argentinien unter der Militärjunta in derZeit von 1976 bis 1983, in der 30.000 Oppositionelle verschwanden und Hunderttausendegefoltert oder ins Exil trieben wurden; aber auch die berühmtenMütter der Plaza de Mayo mit ihren weißen Kopftüchern, die trotz Repressaliennicht aufgehört haben, nach den Verschwundenen zu fragen.Die juristische Aufarbeitung der Junta- Zeit begann in Buenos Aires zwar sofortnach ihrem…mehr

Produktbeschreibung
Wolfgang Kaleck, Anwalt und Streiter für die Menschenrechte, ist ein ausgewiesenerKenner der argentinischen Geschichte und als Anwalt von ständig vorOrt. In diesem Buch skizziert er das Argentinien unter der Militärjunta in derZeit von 1976 bis 1983, in der 30.000 Oppositionelle verschwanden und Hunderttausendegefoltert oder ins Exil trieben wurden; aber auch die berühmtenMütter der Plaza de Mayo mit ihren weißen Kopftüchern, die trotz Repressaliennicht aufgehört haben, nach den Verschwundenen zu fragen.Die juristische Aufarbeitung der Junta- Zeit begann in Buenos Aires zwar sofortnach ihrem Ende, aber auf Druck des damals noch starken Militärs wurdendie Angeklagten amnestiert. Erst in den neunziger Jahren wandte sich dieMenschenrechtsbewegung nach Europa und initiierte in Spanien, Frankreich,Italien und Deutschland Strafverfahren. Daraufhin wurden 2005 in Argentiniendie Amnestiegesetze aufgehoben und die Militärs vor Gericht gebracht.Engagiert und anschaulich beschreibt WolfgangKaleck Argentinien alsexemplarischen Fall für die Rolle von Menschenrechtsbewegungen bei der Demokratisierungnach einer Diktatur. Gleichzeitig zeigt er die durchschlagendeBedeutung, die europäische Gerichte bei der Aufarbeitung von Gewaltverbrechenin totalitären Regimen spielen können.
Autorenporträt
Wolfgang Kaleck, geboren 1960, Rechtsanwalt in Berlin,Mitbegründer und Generalsekretär der juristischen MenschenrechtsorganisationEuropean Center for Constitutionaland Human Rights e.V. (ECCHR)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.11.2010

Nach der Diktatur
Wolfgang Kaleck zeigt, wie bravourös die Argentinier
in ihrer neuen Demokratie für Gerechtigkeit streiten
Der Militärputsch der argentinischen Generäle war knapp eine Woche her, da notierte der deutsche Botschafter Jörg Kastl in einem Bericht für das Auswärtige Amt am 2. April 1976: Unter den „heutigen Umständen“ sei die Machtergreifung des Militärs „der einzig gangbare Ausweg aus einer Sackgasse“. Die Junta sorge „mit fester Faust“ für Ordnung, doch „die Faust steckt im Glacéhandschuh“. Und: „An den Schuldigen am heutigen Debakel wollen sie Recht und keine Rache üben.“
Was der deutsche Diplomat mit so viel Wohlwollen kommentierte, war der Beginn einer blutigen Zäsur der argentinischen Geschichte: Am Ende gab es mehr als 100 000 Folteropfer und 30 000 „Verschwundene“: Oppositionelle, Lehrer, Schriftsteller und Studenten, deren Lebensspuren sich in Folterkellern und Polizeihinterhöfen verloren. Die Diktatur der Generäle hatte die Sympathien der USA und galt als wichtige lateinamerikanische Stütze im Kalten Krieg.
Bis 1983 regierte die Militärjunta mit eiserner Hand, wenngleich der Protest gegen die Repressionen im In- und Ausland zunahm und schließlich in freien Wahlen und einer neuen Regierung unter Präsident Raúl Alfonsín mündete. Doch wie sollte die junge Demokratie mit den Verbrechen der Diktatur umgehen? Wie konnte „Gerechtigkeit“ geübt werden, nachdem das Militär sich selbst noch amnestiert hatte? Wolfgang Kaleck, Jurist und aktiv in der internationalen Menschenrechtsbewegung, geht in seinem spannenden Buch den unterschiedlichen Etappen der Diktaturbewältigung in Argentinien nach. Die Geschichte ist Teil der globalen Geschichte der Menschenrechte. Sie spieltan vielen Orten, auch in Deutschland.
Kaleck schildert den schwierigen Beginn und die mutigen Schritte der Mütter der Plaza de Mayo, die nicht mehr aufhörten, nach ihren verschwundenen Söhnen zu fragen – auch dann nicht, als die ersten von ihnen ermordet und verschleppt worden waren. Kaleck zeigt, wie sich ganz allmählich im neuen demokratischen Argentinien eine Rechtskultur entwickelte, die eigene Verfahren für den Umgang mit den Diktaturverbrechen schuf.
Den ersten Bericht einer „Wahrheitskommission“ hatte es schon im September 1984 gegeben: 365 Haft- und Folterzentren wurden darin genannt und die Namen von fast 9000 „Verschwundenen“. Die frühen Prozesse machten die Verbrechen zwar öffentlich, doch die Strafen gegen die führenden Junta-Mitglieder fielen milde aus. In den späten 80er Jahren entstanden neue Aktionsformen, die die Politik der Straflosigkeit anprangerten. Die Täter sollten ihrer Anonymität beraubt und der Protest vor ihre Haustüren getragen werden. Und so entstand „Escrache“, was so viel wie „ans Licht bringen“ bedeutet: Aktionen von Künstlern und Menschenrechtsaktivisten, die auf die soziale Ächtung der Täter zielten.
Doch Menschenrechtspolitik braucht einen langen Atem. Erst unter Präsident Nestor Kirchner wurden 2005 die Amnestiegesetze aufgehoben und viele Verfahren wieder neu begonnen. Für Kaleck ist der „Fall“ Argentinien so besonders, weil er ihn als „Modell“ für die Aufarbeitung von Diktaturverbrechen betrachtet. Mit der „Globalisierung“ der Menschenrechte erklärt Kaleck auch den vergangenheitspolitischen Klimawandel in den europäischen Ländern, einen Wandel, der sich daran zeigte, dass nun auch deutsche Amtsgerichte internationale Haftbefehle gegen Ex-Diktatoren ausstellten.
Ungemein wichtig ist, dass es überhaupt Strafverfahren gegen die ehemaligen Folterer gab. Auch wenn sie „Gerechtigkeit“ nicht schaffen konnten, zwangen sie immerhin die Täter, sich einer neuen Norm des Strafrechtes zu unterwerfen: Sie mussten im Gerichtssaal erscheinen, ihren Opfern gegenübertreten, sich einem Verfahren beugen. All dies zerstörte ihren mächtigen Schatten totaler Gewalt, der sie bei ihren Verhören umgeben hatte. Vielleicht ist es noch ein wenig früh und vielleicht auch etwas zu optimistisch, Argentinien tatsächlich als „Modell“ für transnationale Vergangenheitspolitik zu betrachten. Anregend ist es allemal, und anregend könnte auch sein, vielleicht auch noch stärker nach den inneren Widersprüchen und Konflikten der globalisierten Menschenrechtsbewegung zu fragen. Kalecks Buch hilft, den „Kampf gegen die Straflosigkeit“ besser zu verstehen; sein Buch ist ein starkes, nie naives Plädoyer für die Instrumente des Rechts. DIETMAR SÜSS
WOLFGANG KALECK: Kampf gegen die Straflosigkeit. Argentiniens Militärs vor Gericht. Wagenbach Verlag, Berlin 2010. 128 Seiten, 10,90 Euro.
Dietmar Süß lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Jena.
Die Diktatur: Der „einzig gangbare
Ausweg aus einer Sackgasse“!
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