Kanak Kids - die Culture-Clash-Comedy zwischen zwei Welten
Die sechzehnjährige Dessi führt ein Doppelleben: Im Münchner Brennpunktviertel Neuperlach gibt sie mit Jogginghose und Alman-Jokes die Assi-Ausländerin, im Innenstadtgymnasium trägt Daisy eine blonde Perücke, blaue Kontaktlinsen und spricht Hochdeutsch. Ihre jeweiligen Freund_innen hält sie voreinander geheim. Lieber versucht sie, überall dazuzugehören, als sich angreifbar zu machen. Die Taktik funktioniert - bis sie eines Tages von Bo bei ihrer Verwandlung erwischt wird. Bo ist nicht nur Dessis Nachbar, sondern auch ihr Mitschüler und damit der Einzige, der ihre beiden Persönlichkeiten kennt. Kann Dessi ihn überzeugen, dichtzuhalten? Oder prallen ihre beiden Welten endgültig aufeinander?
»Ich glaube, wir sehnen uns alle nach einem Ort, wo wir einfach dazugehören, ohne uns verstellen oder anpassen zu müssen. An dem wir so sein können, wie wir wirklich sind. Ich wünsche meinen Leser_innen, diesen Ort mithilfe von Kanak Kids zu finden.« Anna Dimitrova
»Hier im Kartoffelland gibt's genau zwei Arten von Ausländern: die Angepassten, die ihren Döner, ohne Zwiebeln, ohne scharf' essen, und die Kanaks, die sie dafür auslachen. Zu wem du gehören willst, musst du ziemlich früh entscheiden.« Aus »Kanak Kids«
Die sechzehnjährige Dessi führt ein Doppelleben: Im Münchner Brennpunktviertel Neuperlach gibt sie mit Jogginghose und Alman-Jokes die Assi-Ausländerin, im Innenstadtgymnasium trägt Daisy eine blonde Perücke, blaue Kontaktlinsen und spricht Hochdeutsch. Ihre jeweiligen Freund_innen hält sie voreinander geheim. Lieber versucht sie, überall dazuzugehören, als sich angreifbar zu machen. Die Taktik funktioniert - bis sie eines Tages von Bo bei ihrer Verwandlung erwischt wird. Bo ist nicht nur Dessis Nachbar, sondern auch ihr Mitschüler und damit der Einzige, der ihre beiden Persönlichkeiten kennt. Kann Dessi ihn überzeugen, dichtzuhalten? Oder prallen ihre beiden Welten endgültig aufeinander?
»Ich glaube, wir sehnen uns alle nach einem Ort, wo wir einfach dazugehören, ohne uns verstellen oder anpassen zu müssen. An dem wir so sein können, wie wir wirklich sind. Ich wünsche meinen Leser_innen, diesen Ort mithilfe von Kanak Kids zu finden.« Anna Dimitrova
»Hier im Kartoffelland gibt's genau zwei Arten von Ausländern: die Angepassten, die ihren Döner, ohne Zwiebeln, ohne scharf' essen, und die Kanaks, die sie dafür auslachen. Zu wem du gehören willst, musst du ziemlich früh entscheiden.« Aus »Kanak Kids«
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Saladin Salem taucht mit Anna Dimitrovas "Kanak Kids" ein in die Gedankenwelt der 16-jährigen Dessi alias Daisy. Dessi hat nicht nur zwei Namen, lesen wir, sondern auch zwei Identitäten. Zuhause bei ihrer aus Bulgarien stammenden Familie und in ihrem Viertel ist sie Dessi, in der Schule jedoch wird sie zur blonden, blauäugigen Daisy. Warum? Das lernen die Leserinnen und Leser in Dessis humorvoller, "patzig-frecher" Ich-Erzählung nachzuvollziehen. Es ist der Anpassungsdruck, den sie zu spüren glaubt, erklärt Salem, der sie immer tiefer hinein treibt in ihr Lügengespinst. Der Plot ist simpel und erinnert den Rezensenten an Hollywood-Highschool-Filme. Aber weil die Autorin ihr Handwerk beherrscht, ist "Kanak Kids" auch ebenso spannend und unterhaltsam wie die besten dieser Filme. Und man versteht nach der Lektüre vielleicht etwas besser, was in jungen Menschen so vor geht, die "unbedingt dazu gehören wollen", so der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.09.2024In der Schule ist sie blond
In Anna Dimitrovas „Kanak Kids“ führt eine 16-Jährige ein Doppelleben
zwischen Plattenbau und ihrem Gymnasium in der Münchner Innenstadt – und verschätzt sich dabei brutal.
VON SALADIN SALEM
Dessi, kurz für Dessislava, ist erst 16, aber sie führt ein Doppelleben. Jeden Tag verkleidet sich die 16-Jährige, einmal auf dem Weg zur Schule und einmal auf dem Weg zurück. Nein, eine Spionin ist sie nicht, auch keine Hannah Montana, der Popstar aus der Disney-Serie mit Miley Cyrus, die mithilfe einer Perücke ein normales Leben an einer High School führt. Dessi will etwas anderes, scheinbar Banales: Sie will in ihrer Schule in der Münchner Innenstadt akzeptiert werden. Jeden Tag, der für sie zu Hause im Plattenviertel in Neuperlach beginnt, springt sie auf dem Weg zur Schule in einen Fotoautomaten an der U-Bahnstation und vollzieht ihre Verwandlung: Ihre braunen Haare versteckt sie unter einer blonden Perücke, tauscht die Jogginghose gegen Jeans und setzt sich blaue Kontaktlinsen ein.
„Kanak Kids“ wie im Titel des Jugendromans der in Bulgarien geborenen Autorin Anna Dimitrova, kommen an Dessis Schule nicht gut an. Das glaubt sie zumindest selbst und lässt sich an ihrem Münchner Gymnasium im feinen Stadtteil Lehel mit dem Spitznamen Daisy rufen. Als ihre Eltern beschlossen, nach Deutschland zu ziehen, war Dessi erst sechs Jahre alt. Heute ist Neuperlach für Dessi der „beste Ort der Welt“ – in anderen Teilen Münchens ist das Viertel eher verschrien. Aus ihrer Gruppe von Freunden, ist sie die Einzige, die zur Schule bis in die Innenstadt fährt. In Neuperlach weiß niemand von ihrem Doppelleben – bis sie eines Tages in ihrem Fotoautomaten erwischt wird.
Anna Dimitrova bringt ihren Lesern und Leserinnen mit ihrer Figur Dessi Details ihrer eigenen bulgarischen Herkunft nahe. Sei es die Joghurtsuppe ihrer Oma, die oft strengen Regeln in Dessis Elternhaus oder der Anpassungsdruck, den Dessi in Deutschland empfindet. Auf patzig-freche und humorvolle Art führt Dessi einen in ihrer Ich-Erzählung durch die verschiedenen Münchner Stadtviertel. Aber irgendwann verläuft sie sich im Spiel der Identitäten und landet in einer Sackgasse. Als ein Junge sie eines Tages beim Umziehen im Fotoautomaten erwischt, ahnt sie noch nicht: Der Serbe Bojan ist nicht nur ihr neuer Schulkamerad, sondern wohnt seit Kurzem nur eine Tür weiter in ihrem Hochhaus in Neuperlach.
Zum Glück für Dessi verrät „Bo“ ihr Geheimnis nicht, die beiden eint fortan sogar ein gemeinsames Ziel. Dessi hat Angst, mit dem Jungen auszugehen, den sie seit Jahren mag, weil sie fürchtet, dass ihre Eltern einen Deutschen nicht gutheißen würden. Und Bo verheimlicht vor seinen Eltern, dass er eine gleichgeschlechtliche Beziehung führt. Die Lösung: Sie täuschen eine Beziehung vor, um ihre Eltern zufriedenzustellen. Anstatt miteinander auszugehen, treffen sie aber heimlich ihre Partner.
Man ahnt bald, dass diese Strategie zu keinem guten Ende führen wird, „Kanak Kids“ spielt ein Szenario durch, wie man es aus Hollywood-Highschool-Filmen kennt, aber das Buch ist dadurch auch so spannend wie die besten von ihnen. Wann bricht das Kartenhaus ein? Die Dialoge sind nie langatmig, die Diskussionen zwischen Bo und Dessi stacheln auf unterhaltsame Weise an. Und wer in ihre Gedankenwelt eintaucht, versteht am Ende ein bisschen besser, was in jungen Menschen vorgeht, die verzweifelt versuchen, dazuzugehören.
Dass Dessi eigentlich in alle Welten passen würde, an denen sie Anteil hat, ist eine Erkenntnis, die der 16-Jährigen erst spät kommt. Ihr einziger Fehler ist es wohl, ihr Neuperlacher Leben so akribisch von dem ihrer Freunde am Gymnasium trennen zu wollen. Als sich schließlich Chrissi, Daisys beste Innenstadt-Freundin, auf den Weg nach Neuperlach macht und auf Aylin, Dessis Kindheitsfreundin trifft, ist deutlich zu spüren, wie Dessi die Anspannung kaum noch erträgt. Das Ende der Lüge ist nah.
Anna Dimitrovas Debütroman begleitet Jugendliche auf ihrer Identitätssuche in einem kulturellen Setting, das es nur selten in die deutschen Bücherregale schafft. Schon deshalb lohnt sich ein Blick in dieses Buch.
Anna Dimitrova:
Kanak Kids. Halb angepasst und voll dazwischen.
Arctis Verlag,
Hamburg 2024.
384 Seiten, 19 Euro.
Ab 14 Jahren.
Die 25-jährige Autorin Anna Dimitrova ist Absolventin der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. Foto: R. Haas
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
In Anna Dimitrovas „Kanak Kids“ führt eine 16-Jährige ein Doppelleben
zwischen Plattenbau und ihrem Gymnasium in der Münchner Innenstadt – und verschätzt sich dabei brutal.
VON SALADIN SALEM
Dessi, kurz für Dessislava, ist erst 16, aber sie führt ein Doppelleben. Jeden Tag verkleidet sich die 16-Jährige, einmal auf dem Weg zur Schule und einmal auf dem Weg zurück. Nein, eine Spionin ist sie nicht, auch keine Hannah Montana, der Popstar aus der Disney-Serie mit Miley Cyrus, die mithilfe einer Perücke ein normales Leben an einer High School führt. Dessi will etwas anderes, scheinbar Banales: Sie will in ihrer Schule in der Münchner Innenstadt akzeptiert werden. Jeden Tag, der für sie zu Hause im Plattenviertel in Neuperlach beginnt, springt sie auf dem Weg zur Schule in einen Fotoautomaten an der U-Bahnstation und vollzieht ihre Verwandlung: Ihre braunen Haare versteckt sie unter einer blonden Perücke, tauscht die Jogginghose gegen Jeans und setzt sich blaue Kontaktlinsen ein.
„Kanak Kids“ wie im Titel des Jugendromans der in Bulgarien geborenen Autorin Anna Dimitrova, kommen an Dessis Schule nicht gut an. Das glaubt sie zumindest selbst und lässt sich an ihrem Münchner Gymnasium im feinen Stadtteil Lehel mit dem Spitznamen Daisy rufen. Als ihre Eltern beschlossen, nach Deutschland zu ziehen, war Dessi erst sechs Jahre alt. Heute ist Neuperlach für Dessi der „beste Ort der Welt“ – in anderen Teilen Münchens ist das Viertel eher verschrien. Aus ihrer Gruppe von Freunden, ist sie die Einzige, die zur Schule bis in die Innenstadt fährt. In Neuperlach weiß niemand von ihrem Doppelleben – bis sie eines Tages in ihrem Fotoautomaten erwischt wird.
Anna Dimitrova bringt ihren Lesern und Leserinnen mit ihrer Figur Dessi Details ihrer eigenen bulgarischen Herkunft nahe. Sei es die Joghurtsuppe ihrer Oma, die oft strengen Regeln in Dessis Elternhaus oder der Anpassungsdruck, den Dessi in Deutschland empfindet. Auf patzig-freche und humorvolle Art führt Dessi einen in ihrer Ich-Erzählung durch die verschiedenen Münchner Stadtviertel. Aber irgendwann verläuft sie sich im Spiel der Identitäten und landet in einer Sackgasse. Als ein Junge sie eines Tages beim Umziehen im Fotoautomaten erwischt, ahnt sie noch nicht: Der Serbe Bojan ist nicht nur ihr neuer Schulkamerad, sondern wohnt seit Kurzem nur eine Tür weiter in ihrem Hochhaus in Neuperlach.
Zum Glück für Dessi verrät „Bo“ ihr Geheimnis nicht, die beiden eint fortan sogar ein gemeinsames Ziel. Dessi hat Angst, mit dem Jungen auszugehen, den sie seit Jahren mag, weil sie fürchtet, dass ihre Eltern einen Deutschen nicht gutheißen würden. Und Bo verheimlicht vor seinen Eltern, dass er eine gleichgeschlechtliche Beziehung führt. Die Lösung: Sie täuschen eine Beziehung vor, um ihre Eltern zufriedenzustellen. Anstatt miteinander auszugehen, treffen sie aber heimlich ihre Partner.
Man ahnt bald, dass diese Strategie zu keinem guten Ende führen wird, „Kanak Kids“ spielt ein Szenario durch, wie man es aus Hollywood-Highschool-Filmen kennt, aber das Buch ist dadurch auch so spannend wie die besten von ihnen. Wann bricht das Kartenhaus ein? Die Dialoge sind nie langatmig, die Diskussionen zwischen Bo und Dessi stacheln auf unterhaltsame Weise an. Und wer in ihre Gedankenwelt eintaucht, versteht am Ende ein bisschen besser, was in jungen Menschen vorgeht, die verzweifelt versuchen, dazuzugehören.
Dass Dessi eigentlich in alle Welten passen würde, an denen sie Anteil hat, ist eine Erkenntnis, die der 16-Jährigen erst spät kommt. Ihr einziger Fehler ist es wohl, ihr Neuperlacher Leben so akribisch von dem ihrer Freunde am Gymnasium trennen zu wollen. Als sich schließlich Chrissi, Daisys beste Innenstadt-Freundin, auf den Weg nach Neuperlach macht und auf Aylin, Dessis Kindheitsfreundin trifft, ist deutlich zu spüren, wie Dessi die Anspannung kaum noch erträgt. Das Ende der Lüge ist nah.
Anna Dimitrovas Debütroman begleitet Jugendliche auf ihrer Identitätssuche in einem kulturellen Setting, das es nur selten in die deutschen Bücherregale schafft. Schon deshalb lohnt sich ein Blick in dieses Buch.
Anna Dimitrova:
Kanak Kids. Halb angepasst und voll dazwischen.
Arctis Verlag,
Hamburg 2024.
384 Seiten, 19 Euro.
Ab 14 Jahren.
Die 25-jährige Autorin Anna Dimitrova ist Absolventin der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. Foto: R. Haas
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Locker geschrieben und mit viel Selbstironie zeigt die Autorin das Absurde von Vorurteilen und wie eine Integration gelingen kann." - Lotte Schüler, medienprofile Anna Dimitrova Buchprofile/medienprofile 20240901