Kritisch und aktuell
„Wir mussten andere werden, um sagen zu können, war wir dachten. Lieber eine andere sein, als keine Stimme zu haben. Als Kangal wurde ich nicht als ich und nicht als Frau erkannt.“ (Zitat Pos. 106)
Inhalt
Dilek hat mit Freundin Sinai Geografie studiert. Als Sinais Freund
Baran verhaftet wird, fürchtet Dilek, dass ihre Identität aufgedeckt wird, unter der sie kritische…mehrKritisch und aktuell
„Wir mussten andere werden, um sagen zu können, war wir dachten. Lieber eine andere sein, als keine Stimme zu haben. Als Kangal wurde ich nicht als ich und nicht als Frau erkannt.“ (Zitat Pos. 106)
Inhalt
Dilek hat mit Freundin Sinai Geografie studiert. Als Sinais Freund Baran verhaftet wird, fürchtet Dilek, dass ihre Identität aufgedeckt wird, unter der sie kritische Artikel im Netz veröffentlicht. Heimlich fliegt sie nach Frankfurt, nicht einmal ihren Freund Tekin hat sie eingeweiht. Dileks Cousine Ayla lebt mit ihrer Familie in Frankfurt, doch nach einem Streit der beiden Mütter vor vielen Jahren wurde der Kontakt bewusst abgebrochen. Dilek meldet sich bei Ayla, doch sie ist misstrauisch geworden und weiß nicht, ob sie ihr trauen kann. In Istanbul ist Tekin immer noch überzeugt, dass sie vorsichtig genug waren, um nicht entdeckt zu werden, und dass Dilek es bereuen wird, nach Deutschland gegangen zu sein.
Thema und Genre
Ein Thema ist die politische Situation in der Türkei, denn die Politik der letzten Jahre wird auch in Deutschland beobachtet, und die Meinung dazu entzweit die Menschen dort wie hier bis in die Familien. Doch es geht vor allem um eine junge Generation, die nach ihrer Identität und Zukunft sucht, um mutige junge Frauen, die ihren eigenen Weg gehen wollen, notfalls über Umwege. Auch die Bedeutung der Familie und der Familienstrukturen zwischen traditionell und modern sind ein Thema.
Charaktere
Es sind drei Hauptfiguren, Dilek, Ayla und Tekin, die abwechselnd ihre Sicht der Dinge schildern. Ayla will einerseits die Erwartungen ihrer Eltern erfüllen, doch ihre eigenen Pläne für ihre Zukunft gibt sie nicht auf. Tekin ist im Netz gegen die Einschränkungen der persönlichen und der Meinungsfreiheit aktiv, er ist wachsam und vorsichtig, aber er unterscheidet zwischen Furcht und Angst und trifft keine voreiligen Entscheidungen. Dilek flieht nach Deutschland, weil sie Angst hat, verhaftet zu werden, doch sie fühlt sich auch in Deutschland nicht sicher und fragt sich, ob es richtig war, nach Frankfurt zu kommen. „Heute denke ich, ich hatte keine Wahl, morgen frage ich mich, ob ich nicht ein Feigling bin und es mir einfach mache, jetzt und hier.“ (Zitat Pos. 283)
Handlung und Schreibstil
„Seien sie sich bewusst, dass regierungskritische Äußerungen in sozialen Medien, auch wenn sie länger zurückliegen, aber auch das Teilen oder Liken eines fremden Beitrages Anlass für strafrechtliche Maßnahmen der türkischen Sicherheitsbehörden sein können.“ (Zitat Pos. 44) Diese Aussage bringt uns mitten in die Ereignisse. Die Handlung spielt in einem kurzen Zeitraum in der Gegenwart. Ergänzt wird sie durch Rückblicke, jede der Hauptfiguren erinnert sich an prägende persönliche Erfahrungen. Die Autorin erzählt die Geschichte in kurzen Kapiteln, im raschen Wechsel zwischen den drei Hauptfiguren. Die in der Überschrift des Kapitels genannte Figur wird im jeweiligen Kapitel zur Ich-Erzählerin, zum Ich-Erzähler. Ähnlich schnörkellos wie dieser straffe Aufbau ist auch die Sprache, während die Themen und Problematiken breit gefächert sind. Spannung entsteht durch die Entscheidungen und die vielen damit verbundenen Konflikte und Fragen.
Fazit
Kangal ist einerseits ein politischer Roman, es ist jedoch auch ein präziser Blick auf die aktuellen Themen unserer Gesellschaft, besonders die Situation der jungen Menschen zwischen Familientradition und Aufbruch, zwischen Türkei und Deutschland. In dieser Geschichte sind es vor allem die jungen Frauen, die selbstbewusst ihren eigenen Weg gehen wollen.