Krisentheorie gehört seit Marx zum festen Bestandteil kritischer Kapitalismus- und Gesellschaftsanalyse. Spätestens aber seit der Weltwirtschaftskrise nach 2007 kann der Blick auf das ökonomische Gefüge allein keine ausreichenden Erklärungen mehr liefern, zu komplex ist die Lage. Die verschiedenen Krisenprozesse - insbesondere die Krise der Demokratie, die Krise der Naturverhältnisse, der Geschlechterverhältnisse und die Klimakrise - können nicht mehr nur addiert werden. Vielmehr ist es notwendig, die verschiedenen Dimensionen und ihren inneren Zusammenhang als Multiple Krise zu erfassen und somit Wechselwirkungen und Kausalitäten zu verstehen. In dem Buch werden die verschiedenen Stränge der Krisentheorie marxistischer und gesellschaftskritischer Prägung nachgezeichnet und in eine Darstellung der Multiplen Krise im Kapitalismus integriert. Ausgehend von der etymologischen Bedeutung von »Krise« wird erläutert, wie sich die Debatten in den verschiedenen (wissenschaftlichen) Disziplinen entwickelt haben. War Marx der Ausgangspunkt, kamen wichtige Impulse insbesondere von Antonio Gramsci und Nicos Poulantzas in die Diskussion, deren Lücken in jüngerer Zeit vor allem durch feministische Ansätze geschlossen wurden. Die theoretische wie praktisch-politische Auseinandersetzung mit Krisen (und deren Lösungen) ist dabei selbst eingebunden in gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen um Deutungshoheit, Macht und Hegemonie. Als Ergebnis dieser teils gewaltvollen Kämpfe wird die Krise im bürgerlichen Denken häufig als Chance verstanden, der man sich gern im Sinne einer Herausforderung zu stellen habe; zugleich werden Krisen, ihre Ursachen und deren Bewältigung individualisiert: Ihr gesellschaftlicher Zusammenhang wird zerrissen. Dieser Sicht steht die Theorie der Multiplen Krise entgegen.