Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.09.2006Amerikanische Momentaufnahmen
Charles Bukowskis „Kaputt in Hollywood”
SZ-Bibliothek der Erzähler
Durch Zufall wurde Charles Bukowski, der Sohn eines Polen, 1920 in Andernach am Rhein geboren. Mit zwei Jahren ist er dann nach Amerika gekommen. Er ist dort aufgewachsen, aber seine Wurzeln lagen woanders. Das merkt man, wenn man seine Texte liest. Obwohl seine Geschichten sehr amerikanisch wirken, obwohl es immer scheint, als stecke er mittendrin im Leben, spürt man doch eine gewisse Distanz zum Geschehen. Er beobachtet immer mit dem Blick von außen.
Ich bin Jahrgang 1941 und hörte früh schon von Charles Bukowski. In seinen Texten wurde alles sehr offen ausgesprochen, das Wort mit „f” kam häufig vor. Viele fragten sich damals, was das eigentlich mit Literatur zu tun habe und begannen, sich mit dem Meister der kurzen, derben Geschichten zu beschäftigen. Auch ich tat es. Mich faszinierte seine Biografie, das Leben des Mannes mit der Ledertasche, der bei der Post arbeitete, Briefe sortierte und schrieb, weil er nachts nicht schlafen konnte, der in Los Angeles eben nicht in ein Edelviertel zog, sondern in den schlimmsten Nuttenvierteln hauste und darüber schrieb.
Aber was hat das mit Literatur zu tun? Bukowski reiht Details, Beobachtungen aneinander: Momentaufnahmen – wie mit einer Polaroid-Kamera fotografiert. Wenn man seine Geschichten vorliest, fällt einem rasch auf, wie genau er die Abfolge der Details geordnet hat. Obwohl es zunächst nur ein lockeres Drauflosreden scheint, eine Art Gequatsche, scheint es durchkomponiert. Außerdem wird hier eine Schicht beschrieben, die in der Literatur selten vorkommt. Bukowskis Geschichten handeln von Verlierern, die durch alle Netze gefallen sind, von den Freaks auf der Straße, die nicht wissen, wie es weitergehen kann, aber dennoch weiterleben. Das schildert Bukowski nicht blumig, sondern in aneinandergereihten Momentaufnahmen. Die Atmosphäre erinnert oft an die Filme der „Schwarzen Serie”, an all die Geschichten von Menschen, die in der Falle sitzen. Man spürt eine ungeheure Verlorenheit in Schwarz-Weiß.
Das sollte der Hörer erfahren und daher musste ich beim Lesen einen Mittelweg finden. Die schauspielerische Eitelkeit durfte sich nicht vor den Text schieben, sodass man nur noch den Vorlesenden erkennt. Aber im Text werden immer wieder Zwischenfragen an den Leser gestellt: „Versteht ihr?” oder „Wenn Sie wissen, was ich meine”. Da bietet es sich an, in eine Charles-Bukowski-Rolle zu schlüpfen und so zu lesen, als wäre man dabei. Aber so einfach geht das nicht. Manche Sätze sind derartig durchgeformt, dass sie kaum noch etwas mit wörtlicher Rede zu tun haben. Also habe ich versucht, mich nicht vorzudrängen und dennoch die Pausen so groß zu machen, dass man die Bilder, die Welt, die Bukowski entwirft, zur Kenntnis nehmen kann.
OTTO SANDER
Charles Bukowski
Sophie Bassouls/Corbis Sygma
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Charles Bukowskis „Kaputt in Hollywood”
SZ-Bibliothek der Erzähler
Durch Zufall wurde Charles Bukowski, der Sohn eines Polen, 1920 in Andernach am Rhein geboren. Mit zwei Jahren ist er dann nach Amerika gekommen. Er ist dort aufgewachsen, aber seine Wurzeln lagen woanders. Das merkt man, wenn man seine Texte liest. Obwohl seine Geschichten sehr amerikanisch wirken, obwohl es immer scheint, als stecke er mittendrin im Leben, spürt man doch eine gewisse Distanz zum Geschehen. Er beobachtet immer mit dem Blick von außen.
Ich bin Jahrgang 1941 und hörte früh schon von Charles Bukowski. In seinen Texten wurde alles sehr offen ausgesprochen, das Wort mit „f” kam häufig vor. Viele fragten sich damals, was das eigentlich mit Literatur zu tun habe und begannen, sich mit dem Meister der kurzen, derben Geschichten zu beschäftigen. Auch ich tat es. Mich faszinierte seine Biografie, das Leben des Mannes mit der Ledertasche, der bei der Post arbeitete, Briefe sortierte und schrieb, weil er nachts nicht schlafen konnte, der in Los Angeles eben nicht in ein Edelviertel zog, sondern in den schlimmsten Nuttenvierteln hauste und darüber schrieb.
Aber was hat das mit Literatur zu tun? Bukowski reiht Details, Beobachtungen aneinander: Momentaufnahmen – wie mit einer Polaroid-Kamera fotografiert. Wenn man seine Geschichten vorliest, fällt einem rasch auf, wie genau er die Abfolge der Details geordnet hat. Obwohl es zunächst nur ein lockeres Drauflosreden scheint, eine Art Gequatsche, scheint es durchkomponiert. Außerdem wird hier eine Schicht beschrieben, die in der Literatur selten vorkommt. Bukowskis Geschichten handeln von Verlierern, die durch alle Netze gefallen sind, von den Freaks auf der Straße, die nicht wissen, wie es weitergehen kann, aber dennoch weiterleben. Das schildert Bukowski nicht blumig, sondern in aneinandergereihten Momentaufnahmen. Die Atmosphäre erinnert oft an die Filme der „Schwarzen Serie”, an all die Geschichten von Menschen, die in der Falle sitzen. Man spürt eine ungeheure Verlorenheit in Schwarz-Weiß.
Das sollte der Hörer erfahren und daher musste ich beim Lesen einen Mittelweg finden. Die schauspielerische Eitelkeit durfte sich nicht vor den Text schieben, sodass man nur noch den Vorlesenden erkennt. Aber im Text werden immer wieder Zwischenfragen an den Leser gestellt: „Versteht ihr?” oder „Wenn Sie wissen, was ich meine”. Da bietet es sich an, in eine Charles-Bukowski-Rolle zu schlüpfen und so zu lesen, als wäre man dabei. Aber so einfach geht das nicht. Manche Sätze sind derartig durchgeformt, dass sie kaum noch etwas mit wörtlicher Rede zu tun haben. Also habe ich versucht, mich nicht vorzudrängen und dennoch die Pausen so groß zu machen, dass man die Bilder, die Welt, die Bukowski entwirft, zur Kenntnis nehmen kann.
OTTO SANDER
Charles Bukowski
Sophie Bassouls/Corbis Sygma
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