Wie geht Gedicht-Karaoke? Wie singt man ein bekanntes Gedicht nach? Der neue Band von Hans Thill gleicht einem Gang in die Karaoke-Kabine. Wer sich in sie hinein begibt, kann nachsingen, was ihm vorgespielt wird. Zur Verfügung stehen 16 grandiose Optionen. Wer wollte nicht immer schon mal poetische Hits wie "Gebrochen Barock", "Tag lass nach", "Palle Pur" oder "Klötenweh Quevlove" nachsingen? Bühne frei für das lyrische Rudelsingen: 16 Gedichte aus 5 europäischen Sprachen, Gedichte von Andreas Gryphius, Georg Rodolf Weckherlin, Friedrich Hölderlin, William Wordsworth, August Graf von Platen, Stefan George, Yvan Goll, Stéphane Mallarmé, Saint-Pol Rouxl, Guillaume Apollinaire, José Maria de Heredia bzw. seinem Übersetzer Hanns Grössl, Else Lasker Schüler, Federico Garcia Lorca, Ilse Aichinger, Tomasz Ró¿ycki bzw. seiner Übersetzerin Dagmara Kraus und Habib Tengour - auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Polnisch - der Lautleite des anderen Textes entlang - einem stets unabsehbaren Sinn auf der Spur, der sich selber findet, während er sich erfindet - Labsal als Labyrinth - auf dass man sich wiederfindet in so noch nicht gehörtem, in gänzlich unerhörtem Gebiet. Und als Rausschmeißer grölen alle noch auf dem Heimweg: "Taube im Abflug"!
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Heute noch Lyrik zu versuchen, und dann auch noch mit Humor, ist gewagt und kann schnell schiefgehen, überlegt Rezensent Jan Wiele, der den neuen Band von Hans Thill aber ausnehmend gut gelungen findet. In einer Art "interlinearen Interpretation" hängt Thill laut Kritiker quer durch die Jahrhunderte bekannten Dichtungen einfach seine eigenen Zeilen an. So bemerke er zu Ilse Aichinger: "Nieman (sic) ist eine Ilse." Aus Hölderlins Zeile "Lieben Brüder! es reift unsere Kunst vielleicht" wird mit Dialekt und Slang "Sieben Brüder (Schwaben vielleicht), alle im selben Fleece-Shirt und ohne Strimpf gang i net hoim, Dicker". Wiele amüsiert sich gut mit dieser ungewöhnlichen Mischung aus alt und neu.
© Perlentaucher Medien GmbH
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