Als wolle eine launenhafte Schöpfung dem Übermaß an Schönheit etwas entgegensetzen, vereint sich hier überwältigende Prachtmit ebenso überwältigenden Katastrophen, natur- wie menschengemachten. Der ambivalente Reichtum bringt (Über-)Lebenskunsthervor,ein unbekümmertes Durcheinander von zahllosen Völkern und ihren Kulturen, Sprachen, Musiken und Physiognomien,vor allem aber überbordende Lebensfreude, das vielgeliebte 'easy living' in tropischer Hitze.Der New Yorker Alex Webb, einer der bedeutendsten und meistausgezeichneten Fotografen unserer Tage, in unzähligen Samm-lungen vertreten und Mitglied der Agentur Magnum seit drei Jahrzehnten, kennt diese Landschaft wie kein anderer.Berühmt wurde er vor allem mit seinen Karibikporträts, die er auf zahllosen Reisen schuf. Für den neuen mare-Bildband reisteer mehrere Male in die unterschiedlichen Welten der Kleinen und Großen Antillen, beobachtete die Menschen und ihr meergeprägtesLeben und brachte Bilder mit, die undogmatisch und jenseits von Dokumentation mit feinem Gespür all die rätselhaften,unbegreiflichen Farben und Stimmungen dieser Perlenkette im Karibischen Meer evozieren.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2010Welt des Lichts
Wie soll man die sechsunddreißig Millionen Menschen und Hunderte Inseln der Karibik auf einen Punkt bringen? Der Fotograf Alex Webb hat es geschafft.
Von Freddy Langer
Alex Webb ist Fotograf. Einer der besten der Welt vermutlich. Allemal unter den Farbfotografen. Kaum jemand versteht es, bunte Welten so aufregend zu organisieren, wie er. Manchmal könnte man meinen, er sei zur Ausbildung bei einem Farbfeldmaler gewesen. So austariert sind die Kompositionen. So aufregend die Kombinationen schreiender Farbtöne. Im gnadenlosen Licht der Tropen hat er seinen Arbeitsplatz gefunden, schon vor mehr als dreißig Jahren. Die gleißende Sonne ist ihm zur Bedingung für seine Arbeit geworden. Die Karibik wurde ihm ein zweites Zuhause.
Alex Webb ist Journalist. Magnum-Fotograf, Erzähler, Kritiker. In seinem ersten Buch aus der Karibik liegen noch Leichen auf den Straßen oder abgehackte Körperteile. Aber auch ohne solche Schocks hat er es immer wieder verstanden, die politische Zerrissenheit und das wirtschaftliche Desaster dieses Fleckens Welt darzustellen. Seit einem halben Jahrtausend ist die Karibik Spielplatz und Spielball der mächtigen Nationen. Es hat ihr nie gutgetan. Und als reichte das nicht, tobt sich hier eine wilde Natur regelmäßig aus: mit Tropenstürmen, Überschwemmungen, Erdbeben. Hinter den Bergen, sagt ein haitianisches Sprichwort, liegen nur die nächsten Berge.
Alex Webb blickt in die Hinterhöfe jenseits der Palmenstrände, in die Häuser der Menschen und in deren Gesichter. Karibikzauber hat er nirgendwo entdeckt. Vielmehr liegt auch in seinem jüngsten Buch "Karibik", Schwermut über dem Land, unter deren Gewicht die Menschen gebeugt gehen und das Land gedrückt ist. Die Farben aber, die Farben der Holzhütten und der Kolonialbauten, der Fischerboote und der öffentlichen Busse, der Natur und immer wieder der Kleidung, die die Menschen tragen - diese üppige Farbpracht schallt allerorten wie ein dröhnendes Dennoch über die Inseln.
"Karibik" von Alex Webb. Mit einem Vorwort von Karl Spurzem. Mareverlag, Hamburg 2010. 124 Seiten, zahlreiche Farbfotografien, eine CD mit Musik aus der Karibik. Gebunden, 58 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie soll man die sechsunddreißig Millionen Menschen und Hunderte Inseln der Karibik auf einen Punkt bringen? Der Fotograf Alex Webb hat es geschafft.
Von Freddy Langer
Alex Webb ist Fotograf. Einer der besten der Welt vermutlich. Allemal unter den Farbfotografen. Kaum jemand versteht es, bunte Welten so aufregend zu organisieren, wie er. Manchmal könnte man meinen, er sei zur Ausbildung bei einem Farbfeldmaler gewesen. So austariert sind die Kompositionen. So aufregend die Kombinationen schreiender Farbtöne. Im gnadenlosen Licht der Tropen hat er seinen Arbeitsplatz gefunden, schon vor mehr als dreißig Jahren. Die gleißende Sonne ist ihm zur Bedingung für seine Arbeit geworden. Die Karibik wurde ihm ein zweites Zuhause.
Alex Webb ist Journalist. Magnum-Fotograf, Erzähler, Kritiker. In seinem ersten Buch aus der Karibik liegen noch Leichen auf den Straßen oder abgehackte Körperteile. Aber auch ohne solche Schocks hat er es immer wieder verstanden, die politische Zerrissenheit und das wirtschaftliche Desaster dieses Fleckens Welt darzustellen. Seit einem halben Jahrtausend ist die Karibik Spielplatz und Spielball der mächtigen Nationen. Es hat ihr nie gutgetan. Und als reichte das nicht, tobt sich hier eine wilde Natur regelmäßig aus: mit Tropenstürmen, Überschwemmungen, Erdbeben. Hinter den Bergen, sagt ein haitianisches Sprichwort, liegen nur die nächsten Berge.
Alex Webb blickt in die Hinterhöfe jenseits der Palmenstrände, in die Häuser der Menschen und in deren Gesichter. Karibikzauber hat er nirgendwo entdeckt. Vielmehr liegt auch in seinem jüngsten Buch "Karibik", Schwermut über dem Land, unter deren Gewicht die Menschen gebeugt gehen und das Land gedrückt ist. Die Farben aber, die Farben der Holzhütten und der Kolonialbauten, der Fischerboote und der öffentlichen Busse, der Natur und immer wieder der Kleidung, die die Menschen tragen - diese üppige Farbpracht schallt allerorten wie ein dröhnendes Dennoch über die Inseln.
"Karibik" von Alex Webb. Mit einem Vorwort von Karl Spurzem. Mareverlag, Hamburg 2010. 124 Seiten, zahlreiche Farbfotografien, eine CD mit Musik aus der Karibik. Gebunden, 58 Euro.
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