Vor einigen Jahren, 2010, 2011, begann gegen den 1993 verstorbenen Historiker und langjährigen Inhaber des Lehrstuhls für Bayerische Geschichte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, Karl Bosl, eine Rufmord-kampagne. Zur Anwendung kamen, symptomatisch für die Diskussion über die NS-Zeit, Reiz- und Schlüsselwörter, Verdächtigungen, als vermint vorgestellte Zusammenhänge und, niemals zu vergessen, der Vorwurf, der Betreffende habe seine Verruchtheit dadurch gekrönt, daß er sich seiner Vergangenheit "nicht gestellt" habe.Das sind Schauprozeßtaktiken, die eine solche Vergangenheit als immer schon gegeben in den Raum stellen. Dieses Vorgehen ist nicht einfach fehlerhaft, sondern bewegt sich präzise im Rahmen des Propagandamusters, das seit Beginn des Kriegseintritts der westlichen Alliierten zur Anwendung kam. Kohärenz darf man nicht erwarten. Was soll man sagen zu faschistischen Kräften, mit denen man abgesehen von der kurzen Zeit militärischer Ausein-andersetzung kollaboriert hat? Damit ist ein Schlagwortkatalog prädestiniert, der Werkzeuge offeriert für Sanktionen - bis hin zu Diskreditierung, Rufmord und Gefährdung der beruflichen Existenz. Die Kontrolle der Denkmuster, die zur Anwendung zu kommen haben, ist seit 1989/90, vor allem mit den NATO-Kriegen gegen Jugoslawien und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 dramatisch rigider geworden. Sie hat mit den totalitären Ausmaßen, die seit Anfang 2020 zu registrieren sind, einen neuen Höhepunkt erreicht, konnte sich aber auch auf jahrzehntelange Vorbereitungen stützen.Es geht nicht nur um Karl Bosl. Es geht, wie immer in der Geschichte, auch um uns - um unseren Widerstand gegen Pathos, kleinbürgerliche Entrüstung und Indoktrinierungen, eben die Orwell'schen "orthodoxen Wahrheiten" als ideologische Stützen, derer die Zentren der Macht bedürfen.