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Karl Grein (1881-1957), von 1920 - 1950 Pfarrer der Auferstehungsgemeinde Darmstadt-Arheilgen, lebt Volkskirche in dem Verständnis von Kirche als einer christlichen Gemeinschaft. Besonders die pädagogischen, diakonischen und sozialen Aspekte, im Sinne seiner eigenen Leitmotive „helfen, raten, dienen“ stehen als Angebot für alle Mitglieder seiner Gemeinde im Mittelpunkt seiner Arbeit. In den Jahren des Kirchenkampfes steht er ab 1934 zusammen mit seiner Gemeinde unverrückbar, aber auch kritisch, zu den Zielen der Bekennenden Kirche. Er stellt sich den Auseinandersetzungen mit der kirchlichen…mehr

Produktbeschreibung
Karl Grein (1881-1957), von 1920 - 1950 Pfarrer der Auferstehungsgemeinde Darmstadt-Arheilgen, lebt Volkskirche in dem Verständnis von Kirche als einer christlichen Gemeinschaft. Besonders die pädagogischen, diakonischen und sozialen Aspekte, im Sinne seiner eigenen Leitmotive „helfen, raten, dienen“ stehen als Angebot für alle Mitglieder seiner Gemeinde im Mittelpunkt seiner Arbeit. In den Jahren des Kirchenkampfes steht er ab 1934 zusammen mit seiner Gemeinde unverrückbar, aber auch kritisch, zu den Zielen der Bekennenden Kirche. Er stellt sich den Auseinandersetzungen mit der kirchlichen Gegenseite „Deutsche Christen“ und den Nationalsozialisten und nimmt dafür auch Gefahren für sich selbst in Kauf. In seinem Arheilger Amtszimmer wird 1945, nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, der Grundstein für den Wiederaufbau der Evangelischen Landeskirche Hessen und ihren Zusammenschluss mit den Kirchen von Nassau und Frankfurt/M. gelegt. Als erster Personalreferent und Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), sowie als enger Mitarbeiter des ersten Kirchenpräsidenten, Martin Niemöller, gehört Karl Grein zu den Mitbegründern und Gestaltern der EKHN.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2012

Auch vernagelte Türen konnten ihn nicht aufhalten
Der Arheilger Pfarrer Karl Grein ist eine der prominenten hessischen Figuren der Bekennenden Kirche

DARMSTADT. Rechts im Chorbogen der evangelischen Auferstehungskirche in Arheilgen befindet sich ein ungewöhnliches Kreuz. Es ist aus großen Zimmermanns-Nägeln gefertigt, mit denen 1935 die Türen des Gemeindehauses von innen vernagelt worden waren. Das Kreuz ist ein christliches Symbol, es ist in der Arheilger Kirche aber auch ein Sinnbild des Widerstandes. Der Schlosser hatte die Nägel eigentlich nur eingeschlagen, um den Arheilger Pfarrer Karl Grein am Betreten des Gemeindehauses zu hindern, in dem gerade der von Landesbischof Ludwig Dietrich eingesetzte Kirchenvorstand tagte. Der hatte das Gemeindehaus für "Judengänger" als "nicht mehr zugänglich" erklärt.

Das Nagelkreuz ist eines der wichtigen Zeugnisse des Darmstädter "Kirchenkampfes", der Konfrontation zwischen den "Deutschen Christen" und der "Bekennenden Kirche". Grein gehört in Hessen zu den prominenten Vertretern der bekennenden Christen, die in ihrem ersten Dokument schon 1933 dazu aufriefen, sich bei der biblischen Verkündigung allein am Namen Jesus Christus zu orientieren. Deutsche Christen wie der damalige Darmstädter Dekan Friedrich Müller hingegen erklärten in ihren Predigten, das Wort Gottes sei in Adolf Hitler "Fleisch geworden".

Da im Arheilger Pfarrhaus nach dem Krieg mit Einverständnis der amerikanischen Besatzungsmacht am 13. April 1945 auch die provisorische Kirchenregierung für Hessen-Darmstadt gebildet wurde, der Grein angehörte, darf man den Darmstädter Stadtteil als die Wiege der Evangelischen Landeskirche von Hessen und Nassau (EKHN) bezeichnen. Es ist ein Erbe, dem sich die Landeskirche mit ihrem großangelegten Forschungsprojekt zum "Kirchenkampf" seit einigen Jahren intensiv widmet. Schon beim Start des Forschungsvorhabens 2008 hatte der damalige Kirchenpräsident Peter Steinacker angekündigt, eine der ersten Veranstaltungen Grein zu widmen.

Oberkirchenrat i. R. Klaus-Dieter Grunwald, der zur Leitung des Forschungsprojekts "Kirchenkampf" gehört, sieht in Grein eine "geistliche Leitfigur" für die Kirche. 1881 in Darmstadt als Sohn des Hofpredigers Ernst Grein geboren, wurde Grein 1919 Pfarrer in Arheilgen. Wegen seiner schwarzen Haare und seines kräftigen Schnurrbartes nannte man ihn im Dorf auch den "Schwarzen Karl". Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, beteiligte sich Grein nach dem Beispiel des Berliner Pfarrers Martin Niemöller an der Gründung des Hessischen Pfarrernotbundes. Ein Jahr später trat er zusammen mit seinen beiden Söhnen der Bekennenden Kirche bei, in deren Landesbruderrat er gewählt wurde. Ihrem Beispiel folgten etwa 600 Gemeindemitglieder.

Die Auseinandersetzung Greins mit den Deutschen Christen ist inzwischen gut erforscht. Der Arheilger Geschichtsverein hat dazu eine Schrift herausgegeben, außerdem ist eine umfangreiche Biografie von Hans-Heinrich Herwig erschienen ("Karl Grein. Pfarrer im Arheilger Kirchenkampf"). Aus ihnen wird deutlich, mit welcher Zivilcourage der Arheilger Pfarrer gehandelt hat. Er wehrt sich gegen die zwangsweise Eingliederung der kirchlichen Kinder- und Jugendgruppen in die HJ, nennt in einer Predigt den Stabschef der SA, Ernst Röhm, einen "Judas Ischariot" und lässt sich auch nicht bremsen, als er vom deutsch-christlichen Landesbischof Dietrich erst beurlaubt und dann seines Amtes enthoben wird. Die Verfügung nennt er "widerchristlich und rechtsungültig", was auch der Kirchenvorstand so sieht, der daraufhin von der Landeskirchenkanzlei aufgelöst wird.

Unbeirrt von Gestapo-Verhören, Hausdurchsuchung und Redeverbot hält Grein drei- bis viermal in der Woche Gottesdienst. Als das Schloss der Kirche ausgewechselt wird, wechselt er ins Gemeindehaus, als man das vernagelt lässt, predigt er im Pfarrhaus. In der Pogromnacht 1938 lässt er für eine schwer verletzte jüdische Frau den Krankenwagen holen. Kurz darauf wird sein Pfarrhaus beschmiert: "Schwarzer Karl, Judenhirte, Volksverräter, Sabotage gegen Volksgemeinschaft" ist auf der Mauer zu lesen. Im März 1945 gelingt Grein es, die deutschen Soldaten in Arheilgen zur Aufgabe zu bringen, indem er einige Frauen im Ort zusammentrommelt, die sich vor die Geschütze stellen.

Allein war Grein in seinem Widerstand nicht, hinter ihm stand stets der Großteil seiner Gemeinde. Auch in den anderen Kirchengemeinden Darmstadts hatten nicht überwiegend die Deutschen Christen das Sagen. Wie Grunwald in seinem Beitrag "Der Kirchenkampf in Darmstadt" zur Schrift des Geschichtsvereins schreibt, gehörten nur drei von 17 Pfarren des Dekanats den Deutschen Christen an, acht hingegen der Bekennenden Kirche.

RAINER HEIN

Die Biografie über Karl Grein von Hans-Ludwig Herweg ist im Justus von Liebig Verlag erschienen, 350 Seiten, 19,80 Euro, der Band 1 "Schwarzer Karl. Ein mutiger Arheilger trotzt den Nazis" in der Reihe des Arheilger Geschichtsvereins kostet 9,90 Euro.

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