Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg war eine zentrale Persönlichkeit im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Als katholischer Konservativer und Monarchist versuchte er schon während der Weimarer Republik, monarchisches Denken wachzuhalten. Als seine Zeitschrift 'Monarchie' 1934 durch die Nationalsozialisten verboten wurde, gründete er die 'Weißen Blätter'. Sie zeigten nicht nur in verdeckter Form Mißstände im NS-System auf, sondern nannten Rechtsbrüche beim Namen; Autoren wie Reinhold Schneider, Jochen Klepper und Werner Bergengruen wiesen mit ihren historischen Parallelen auf die Probleme der Gegenwart hin. Schon bald waren die 'Weißen Blätter' ein Kristallisationspunkt der konservativen Opposition gegen Hitler.1941 kam Guttenberg in die Abwehr im OKW in Berlin unter Admiral Wilhelm Canaris. Guttenberg arbeitete hier nicht nur eng mit seinen Freunden Hans von Dohnanyi, Justus Delbrück und Hans Oster zusammen, sondern knüpfte unterschiedlichste Kontakte zu weiteren Oppositionellen und Widerstandskämpfern. Er hatte Verbindungen zum 'Kreisauer Kreis', zu Ulrich von Hassell, zu den Gebrüdern Bonhoeffer, zur Heeresgruppe Mitte und zu Kreisen um Beppo Römer. Guttenberg stellte Verbindungen her, vernetzte die Opposition und war bestrebt, Verfolgten - auch unter Einsatz seines Lebens - zu helfen. Als er immer stärker in das Visier der Gestapo geriet, wurde er nach Kroatien versetzt, wo er, weiter im Kontakt mit dem Widerstand stehend, nach dem 20. Juli 1944 festgenommen wurde. Nach monatelanger Haft in Berlin wurde er Ende April 1945 von der Gestapo ermordet.Mit der Biographie von Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg versucht die Autorin den Weg ihres Vaters in den Widerstand und dort seine Handlungen gegen den Nationalsozialismus festzuhalten. Dies gelingt ihr nicht zuletzt mit Hilfe einer Vielzahl bislang unveröffentlichter Quellen aus dem Nachlaß Guttenbergs.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2003Kein idealer Verschwörer
Die Tochter beschreibt das Leben des Barons von Guttenberg
Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsberg: Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg. 1902-1945. Ein Lebensbild. Lukas-Verlag, Berlin 2003. 299 Seiten, 19,80 [Euro].
Wenn Kinder über ihre Eltern schreiben, ist das nicht unproblematisch. Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsberg hat eine Biographie ihres Vaters vorgelegt, des im Widerstand gegen den Nationalsozialismus umgekommenen Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, die den allermeisten Fallstricken erfolgreich ausgewichen ist. Sie schreibt ganz offen aus der Erzählperspektive der überlebenden Tochter und markiert klar jene Stellen ihres Textes, die subjektive Wertungen enthalten. Dem Buch kommt zugute, daß die Autorin Zugang zum Nachlaß ihres Vaters hatte und damit auf eine breite Quellenbasis aufbauen kann.
Guttenberg stammte aus einem uralten bayerischen Adelsgeschlecht, war lange überzeugter Monarchist und zeit seines Lebens gläubiger Katholik. In der Spätphase der Weimarer Republik gab er eine kleine Zeitschrift mit dem Titel "Monarchie" heraus, die zu Beginn des Dritten Reiches verboten, bald aber durch eine ähnliche Publikation unter dem Namen "Weiße Blätter" ersetzt wurde - diese konnten immerhin bis 1943 erscheinen. Guttenberg verpflichtete namhafte Autoren zur Mitarbeit; der wichtigste und regelmäßigste unter ihnen war gewiß Reinhold Schneider, aber auch Rudolf Alexander Schröder, Werner Bergengruen und Jochen Klepper schrieben für Guttenbergs Blatt, später zudem Ulrich von Hassell. Geschickt und einfühlsam erläutert die Autorin dem mit dem Leben unter der Diktatur nicht mehr vertrauten Leser, wie Guttenberg zwischen den Zeilen, durch die Kombination verschiedener Nachrichten oder durch den Abdruck historischer Betrachtungen, einer geistigen Opposition ein Sprachrohr verschaffte.
1941 wird Guttenberg Sonderführer in der Zentralabteilung des Amtes Ausland/Abwehr im OKW und so unmittelbarer Mitarbeiter einer Zentralfigur des militärischen Widerstands, des Generalmajors Hans Oster. Guttenberg, der aus seiner bisherigen Tätigkeit vielfältige Kontakte besitzt, bringt jetzt den Politiker Goerdeler und den Diplomaten Hassell miteinander in Verbindung, macht Fabian von Schlabrendorff aus der Opposition im Oberkommando der Heeresgruppe Mitte mit dem früheren Chef des Generalstabs des Heeres Generaloberst Ludwig Beck bekannt. Der Kreisauer Kreis verdankt ihm die Kontakte zu Jesuiten wie P. August Rösch und P. Alfred Delp. Aber Guttenberg lernt auch neue Freunde kennen: neben Oster selbst vor allem Hans von Dohnanyi und Justus Delbrück. Sein eigenes Denken schärft sich an den parlamentarisch-demokratischen Ansichten der beiden ebenso wie an ihrer protestantischen Herkunft.
In den Kern der Verschwörung des 20. Juli wird Guttenberg nicht einbezogen. Er gilt als notorisch unpünktlich, reise- und gesprächsfreudig, wohl auch etwas unzuverlässig - also nicht gerade als Idealtyp des Verschwörers. Zudem aber hat die weitgehende Übernahme des Amtes Ausland/Abwehr durch den Sicherheitsdienst der SS es notwendig gemacht, Guttenberg aus Berlin weg nach Zagreb zu versetzen, wo er zu einem der Vertrauten des Deutschen Bevollmächtigten Generals in Kroatien, Glaise von Horstenau, geworden ist. Aber selbst von dort spinnt der umtriebige Baron seine Fäden: zum Grafen Marogna-Redwitz bei der Abwehr in Wien, zu Konrad Kardinal Graf von Preysing in München, zu Ulrich Graf von Schwerin-Schwanenfeld und anderen Hitlergegnern.
Nach dem gescheiterten Staatsstreich vom 20. Juli 1944 wird auch Guttenberg verhaftet. Schon vorher war er in den unterschiedlichsten Zusammenhängen in das Visier der Gestapo geraten. Guttenberg wußte wohl zuwenig, um den Ermittlern Wesentliches verraten zu können, obwohl er gefoltert worden ist. Wie viele Abwehrangehörige wird Guttenberg erst kurz vor Eintreffen der feindlichen Armeen ermordet - wahrscheinlich am 24. April 1945 in den Trümmern von Berlin.
Früher hätte man eine so stark personenbezogene Arbeit - vor allem aus dem familiären Umfeld - in der Fachwissenschaft belächelt. Zu sehr richtete sich das Interesse allein auf die politischen und gesellschaftlichen Ziele der nationalkonservativen Opposition. In den letzten Jahren ist aber in der Widerstandsforschung deutlich geworden, welche zentrale Rolle persönliche Beziehungen, gemeinsames religiöses und sittliches Herkommen beim Aufbau der auf Staatsstreich und Kriegsbeendigung ausgerichteten Verschwörung gespielt haben. Zum Verständnis dieses komplexen Geschehens ist die Kenntnis der familiären und biographischen Verknüpfungen wichtig. Daraus gewinnen Bücher wie das der Baronin Bottlenberg-Landsberg über ihren Vater Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg ihren Wert.
WINFRIED HEINEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Tochter beschreibt das Leben des Barons von Guttenberg
Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsberg: Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg. 1902-1945. Ein Lebensbild. Lukas-Verlag, Berlin 2003. 299 Seiten, 19,80 [Euro].
Wenn Kinder über ihre Eltern schreiben, ist das nicht unproblematisch. Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsberg hat eine Biographie ihres Vaters vorgelegt, des im Widerstand gegen den Nationalsozialismus umgekommenen Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, die den allermeisten Fallstricken erfolgreich ausgewichen ist. Sie schreibt ganz offen aus der Erzählperspektive der überlebenden Tochter und markiert klar jene Stellen ihres Textes, die subjektive Wertungen enthalten. Dem Buch kommt zugute, daß die Autorin Zugang zum Nachlaß ihres Vaters hatte und damit auf eine breite Quellenbasis aufbauen kann.
Guttenberg stammte aus einem uralten bayerischen Adelsgeschlecht, war lange überzeugter Monarchist und zeit seines Lebens gläubiger Katholik. In der Spätphase der Weimarer Republik gab er eine kleine Zeitschrift mit dem Titel "Monarchie" heraus, die zu Beginn des Dritten Reiches verboten, bald aber durch eine ähnliche Publikation unter dem Namen "Weiße Blätter" ersetzt wurde - diese konnten immerhin bis 1943 erscheinen. Guttenberg verpflichtete namhafte Autoren zur Mitarbeit; der wichtigste und regelmäßigste unter ihnen war gewiß Reinhold Schneider, aber auch Rudolf Alexander Schröder, Werner Bergengruen und Jochen Klepper schrieben für Guttenbergs Blatt, später zudem Ulrich von Hassell. Geschickt und einfühlsam erläutert die Autorin dem mit dem Leben unter der Diktatur nicht mehr vertrauten Leser, wie Guttenberg zwischen den Zeilen, durch die Kombination verschiedener Nachrichten oder durch den Abdruck historischer Betrachtungen, einer geistigen Opposition ein Sprachrohr verschaffte.
1941 wird Guttenberg Sonderführer in der Zentralabteilung des Amtes Ausland/Abwehr im OKW und so unmittelbarer Mitarbeiter einer Zentralfigur des militärischen Widerstands, des Generalmajors Hans Oster. Guttenberg, der aus seiner bisherigen Tätigkeit vielfältige Kontakte besitzt, bringt jetzt den Politiker Goerdeler und den Diplomaten Hassell miteinander in Verbindung, macht Fabian von Schlabrendorff aus der Opposition im Oberkommando der Heeresgruppe Mitte mit dem früheren Chef des Generalstabs des Heeres Generaloberst Ludwig Beck bekannt. Der Kreisauer Kreis verdankt ihm die Kontakte zu Jesuiten wie P. August Rösch und P. Alfred Delp. Aber Guttenberg lernt auch neue Freunde kennen: neben Oster selbst vor allem Hans von Dohnanyi und Justus Delbrück. Sein eigenes Denken schärft sich an den parlamentarisch-demokratischen Ansichten der beiden ebenso wie an ihrer protestantischen Herkunft.
In den Kern der Verschwörung des 20. Juli wird Guttenberg nicht einbezogen. Er gilt als notorisch unpünktlich, reise- und gesprächsfreudig, wohl auch etwas unzuverlässig - also nicht gerade als Idealtyp des Verschwörers. Zudem aber hat die weitgehende Übernahme des Amtes Ausland/Abwehr durch den Sicherheitsdienst der SS es notwendig gemacht, Guttenberg aus Berlin weg nach Zagreb zu versetzen, wo er zu einem der Vertrauten des Deutschen Bevollmächtigten Generals in Kroatien, Glaise von Horstenau, geworden ist. Aber selbst von dort spinnt der umtriebige Baron seine Fäden: zum Grafen Marogna-Redwitz bei der Abwehr in Wien, zu Konrad Kardinal Graf von Preysing in München, zu Ulrich Graf von Schwerin-Schwanenfeld und anderen Hitlergegnern.
Nach dem gescheiterten Staatsstreich vom 20. Juli 1944 wird auch Guttenberg verhaftet. Schon vorher war er in den unterschiedlichsten Zusammenhängen in das Visier der Gestapo geraten. Guttenberg wußte wohl zuwenig, um den Ermittlern Wesentliches verraten zu können, obwohl er gefoltert worden ist. Wie viele Abwehrangehörige wird Guttenberg erst kurz vor Eintreffen der feindlichen Armeen ermordet - wahrscheinlich am 24. April 1945 in den Trümmern von Berlin.
Früher hätte man eine so stark personenbezogene Arbeit - vor allem aus dem familiären Umfeld - in der Fachwissenschaft belächelt. Zu sehr richtete sich das Interesse allein auf die politischen und gesellschaftlichen Ziele der nationalkonservativen Opposition. In den letzten Jahren ist aber in der Widerstandsforschung deutlich geworden, welche zentrale Rolle persönliche Beziehungen, gemeinsames religiöses und sittliches Herkommen beim Aufbau der auf Staatsstreich und Kriegsbeendigung ausgerichteten Verschwörung gespielt haben. Zum Verständnis dieses komplexen Geschehens ist die Kenntnis der familiären und biographischen Verknüpfungen wichtig. Daraus gewinnen Bücher wie das der Baronin Bottlenberg-Landsberg über ihren Vater Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg ihren Wert.
WINFRIED HEINEMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Maria Theodora von dem Bottlenberg-Landsbergs Biografie ihres Vaters Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, der im Widerstand gegen den Nationalsozialismus umkam, hat Rezensent Winfried Heinemann durchaus überzeugt. Im Allgemeinen hält er es zwar für "nicht unproblematisch", "wenn Kinder über ihre Eltern schreiben". Aber im vorliegenden Fall hat er nichts daran auszusetzen. Die Autorin schreibe ganz offen aus der Erzählperspektive der überlebenden Tochter und markiere klar jene Stellen ihres Textes, die subjektive Wertungen enthalten. Auch dass sie Zugang zum Nachlass ihres Vaters hatte und so auf eine breite Quellenbasis aufbauen konnte, wertet er positiv. In der Widerstandsforschung der letzten Jahre wurde Heinemann zufolge die zentrale Rolle von persönlichen Beziehungen sowie religiöser und sittlicher Herkunft für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus deutlich. Insofern hält Heinemann Arbeiten, die familiäre und biografische Verknüpfungen darstellen, für das Verständnis des Widerstands für wichtig. Daraus beziehe auch Bottlenberg-Landsbergs Buch ihren Wert.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH