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Dieser Band enthält die Artikel, Erklärungen, Beschlüsse, Reden sowie Entwürfe, die von Marx und Engels bzw. unter ihrem direkten Einfluß in der Zeit zwischen der Gründungsversammlung der Internationalen Arbeiterassoziation (28. September 1864) und dem Erscheinen des Ersten Bandes des "Kapitals" (Mitte September 1867) verfasst wurden. Er eröffnet die Gruppe von Bänden der Ersten Abteilung der MEGA, die das Wirken von Marx und Engels in der IAA widerspiegeln.

Produktbeschreibung
Dieser Band enthält die Artikel, Erklärungen, Beschlüsse, Reden sowie Entwürfe, die von Marx und Engels bzw. unter ihrem direkten Einfluß in der Zeit zwischen der Gründungsversammlung der Internationalen Arbeiterassoziation (28. September 1864) und dem Erscheinen des Ersten Bandes des "Kapitals" (Mitte September 1867) verfasst wurden. Er eröffnet die Gruppe von Bänden der Ersten Abteilung der MEGA, die das Wirken von Marx und Engels in der IAA widerspiegeln.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Kraft der Vermittlung
Karl Marx in der Internationalen Arbeiterassoziation
Als die Allgemeine Deutsche Metallarbeitergewerkschaft, 1868 mit Sitz in Hannover gegründet, im Streit zwischen Lassalleanern und „Eisenachern” zu zerfallen drohte, bat der Vorstand eine „Autorität in der Wissenschaft der Nationalökonomie” um eine Unterredung. Die vom Hauptkassierer J.H.W. Hamann geleitete Deputation wollte wissen, ob eine Gewerkschaft, um lebensfähig zu bleiben, mit einem politischen Verein, nämlich dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, oder einer Partei, der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, verbunden sein müsse. Die Antwort: „Alle politischen Parteien, mögen sie sein, welche sie wollen, ohne Ausnahme, begeistern die Massen der Arbeiter nur eine Zeit lang vorübergehend, die Gewerkschaften hingegen fesseln die Masse der Arbeiter auf Dauer, nur sie sind im Stande, eine wirkliche Arbeiterpartei zu repräsentieren und der Kapitalmacht ein Bollwerk entgegenzusetzen.” Dass die materielle Lage der Arbeiter gebessert werden müsse, hätte die Mehrheit eingesehen, „mögen sie einer Partei zugehören, welcher sie wollen”. Die befragte Autorität war Karl Marx, der sich im Herbst 1869 mit Tochter Jenny in Hannover aufhielt.
Diese Episode wurde aus nachvollziehbaren Gründen in die vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED herausgegebenen blauen Bände der Marx-Engels-Werkausgabe nicht aufgenommen. Sie findet sich dokumentiert in der neuen historisch-kritischen Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA), korrekterweise im Anhang des Bandes 21 der ersten Abteilung (Werke, Artikel, Entwürfe). Er umfasst den Zeitraum von September 1867 bis März 1871. Zusammen mit dem noch vor 1990 bearbeiteten Band 20, der in zweiter Auflage erschienen ist, gewährt dies einen fulminanten Einblick in jene Lebensphase, in der Marx als Politiker agierte: Von der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) 1864 bis zum deutsch-französischen Krieg.
Marx hat die Gründungsdokumente der ersten Internationale sowie die meisten Adressen, und Erklärungen des Provisorischen Zentralrats, späteren Generalrats verfasst. Aber er trat durchaus zurückhaltend auf, das ist die Überraschung der beiden Bände. Die Initiative, eine internationale Vereinigung der – nach heutigem Sprachgebrauch – Arbeitnehmer ins Leben zu rufen, ging von englischen Gewerkschaftern und französischen Travailleurs aus. Marx war vom Londoner Deutschen Arbeiterbildungsverein eingeladen worden, am Gründungsmeeting in der St. Martin’s Hall teilzunehmen. Er saß im Präsidium, ergriff aber nicht das Wort. Er wurde in ein Subkomitee gewählt, das die Ziele und Organisationsprinzipien der Internationale formulieren sollte, erfuhr aber erst im Nachhinein davon, weil er die Versammlung schon verlassen hatte. An den nächsten beiden Beratungen nahm er nicht teil. Nachdem mehrere Entwürfe des Programms und des Statuts die Ländervertreter nicht befriedigt hatten, wurde Marx gebeten, sich der Sache anzunehmen, und es entstand die berühmte „Inauguraladresse der Internationalen Arbeiterassoziation”.
Der Hergang ist in den Erläuterungen des Bandes 20 minutiös dargestellt. Schon wenn wir in den Protokollen der Konstituierungsphase der IAA lesen, die etwa bis zum ersten internationalen Arbeiterkongress 1866 in Genf dauerte, entzerrt sich das Bild des zielorientiert-unversöhnlichen Parteiaktivisten, wie es im doktrinären Staatskommunismus ausgestellt wurde. Als Marx zum Präsidenten des Generalrats vorgeschlagen wurde, verzichtete er und zog es vor, als Ideengeber in der zweiten Reihe zu bleiben. Er ist um Ausgleich unterschiedlicher Strömungen bemüht, der englischen Owenisten und Tradeunionisten, der französischen Proudhonisten, der Anhänger Giuseppe Mazzinis. Es grenzt fast an ein Wunder, dass es ihm weitgehend gelingt, die verschiedenen Regional- und Nationalverbände unter dem Konzept der sozialen Emanzipation für einige Jahre zu vereinen – trotz der Vorwürfe radikaler Gruppierungen, denen Marx als zu gemäßigt erscheint.
Seine Anregungen wie auch manchmal „gelinde Opposition” (Brief an Engels) wurden zumeist gutgeheißen. Über die Sitzung des Generalrats am 3. Mai 1870, die sich mit der Verhaftung führender französischer Mitglieder der Internationale befasste, berichtete ein englischer Journalist in der Tageszeitung The Northern Echo: „The most noticeable man in the Company is a German professor; he ... has a handsome leonine face; and is evidently what an American would call the boss.” Der Historiker Jürgen Herres, Bandbearbeiter für Nummer 21 und Autor eines souverän geschriebenen Einführungstextes, formuliert es so: „Marx konnte, obwohl er herausragende Funktionen immer ablehnte, eine vor allem intellektuell dominierende Position erreichen.”
Vertieft man sich heute in die Schriften jener Epoche, stellt man mit einigem Erschrecken fest, dass sich an den gesellschaftliche Verhältnissen und den daraus erwachsenden Bedürfnissen nichts grundsätzlich geändert hat. In der Inauguraladresse etwa ist es der Widerspruch zwischen dem ungeheuren Reichtum auf der einen Seite und der Existenznot, ja Armut auf der anderen, der thematisiert wird. Höhere Krankheitsraten, geringere Bildungschancen der Geringverdiener, nicht existenzsichernde Löhne, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage (bei Marx heißt es „Zufuhr”), nachhaltiges Arbeiten „durch soziale Ein- und Vorsicht”. Und: Wie können sich die Arbeiter über Ländergrenzen hinweg abstimmen, um dem Diktat des Marktes Paroli zu bieten? Als im Oktober 2009 der Internationale Gewerkschaftsbund in Berlin über Strategien zur Bewältigung der Wirtschaftskrise beriet, wurden genau diese Themen besprochen.
Die Problemlagen gleichen sich. Sie gleichen sich, weil in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Vernetzung der Nationalwirtschaften, die Globalisierung, beginnt. Der Welthandel wird eine feste Größe in den Budgets der Unternehmen wie der Staaten, die Kapitalströme nehmen zu, Wanderungsbewegungen beeinflussen den Arbeitsmarkt. Unter dem Mantel der Liberalität geriert sich die Erpressung. Im Jahre 1866 beispielsweise streiken die Londoner Schneidergesellen für höhere Löhne. Die Unternehmer versuchen, billige Schneider aus Belgien und Frankreich ins Land zu holen. Weil ihr Konzept nicht aufgeht, verlagern sie die Aktivitäten nach Schottland und werben um deutsche Arbeiter als Lohndrücker und Streikbrecher. (Kommen uns solche Machenschaften nicht bekannt vor?) Marx verfasst daraufhin eine „Warnung” an die deutschen Schneider, sich nicht zu „willenlosen Lanzknechten des Kapitals” machen zu lassen. Die Solidaritätsaktion der Internationale hat Erfolg. Die belgischen, französischen, Schweizer Schneider bleiben zu Hause. Die deutschen waren nicht so standhaft.
Die erste Phase der Globalisierung näherte sich um 1900 ihrem Höhepunkt und brach mit Beginn des Weltkrieges ab. Erst in den 1970er Jahren erreichte der Kapitalexport wieder das Niveau von 1913. Dazwischen lag das „ideologische Jahrhundert”, in dem sich die eine Seite wie die andere sicher war, wie die Geschichte verläuft. Das Vorherige galt als überwunden. Die neuere Historiographie charakterisiert dieses Dazwischen als eine Periode der De-Globalisierung. Doch dann sprang der Motor wieder an. Mit Erstaunen stellen wir fest: Die gleiche Phänomene, die wir heute beobachten, gab es schon einmal. Das ist der Grund, weshalb sich unser Blick auf das 19. Jahrhundert verändert hat.
Die meisten Schriften von Marx (auch von Engels) aus dieser Zeit sind schon in diversen Editionen veröffentlicht worden. Der akkurate Vergleich mit den Handschriften und Erstdrucken, ausführliche Entstehungs- und Wirkungsgeschichten sowie Erläuterungen ergeben einen Referenzband in gewohnter MEGA-Qualität. Aber es sind in Band 21 auch sieben Texte von Marx und Engels neu aufgenommen, auch solche von anderen Autoren, denen nicht überlieferte Manuskripte oder Reden der Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus zugrunde lagen. Zum ersten Mal in einer deutschen Edition: Sämtliche Protokolle der Meetings des Generalrats, fast 400 Seiten. Dass dieser Part nicht, wie vorgesehen, im Zuge der „Redimensionierung” der Ausgabe gestrichen wurde, ist ein substantieller Gewinn. Diese Dokumente wurden in der deutschen Rezeption von Marx kaum wahrgenommen.
Bei allem Engagement für die Internationale der Arbeiterschaft entstehen auch noch die letzten Manuskripte für sein ökonomisches Hauptwerk „Das Kapital”. Ja, er sei „in der That overworked”, schreibt er an Engels, und „Jennychen’s Geburtstag” will auch noch gefeiert und Lauras Liebes-Question beschwatzt werden. (Es ist der 1. Mai 1865.) Vertreter des Generalrats sind zu Gast. Sie erwarten Antwort auf Fragen der Wahlrechtsbewegung. JENS GRANDT
KARL MARX, FRIEDRICH ENGELS: Werke, Artikel, Entwürfe September 1867 bis März 1871. Bearbeitet von Jürgen Herres. Bd. I/21 der Marx-Engels-Gesamtausgabe, Akademie-Verlag Berlin 2009. 2 Bände, 2430 Seiten, 278 Euro.
KARL MARX, FRIEDRICH ENGELS: Werke, Artikel, Entwürfe September 1864 bis September 1867, 2. Auflage. Bd. I/20 der Marx-Engels-Gesamtausgabe, Akademie-Verlag Berlin 2003. 2 Bände, 2040 Seiten, 208 Euro.
Er war keineswegs ein zielstrebiger, unversöhnlicher Parteiaktivist.
Marx mit Freund Engels und Familie (li). Zeitung zur Maifeier Abb.: ADN/Scherl
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Jens Grandt begrüßt die nun vorliegenden Bände 20 und 21 der neuen historisch-kritischen Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). Sie scheinen ihm von hoher Bedeutung für die Marx-Rezeption in Deutschland, vermitteln sie - den Zeitraum von der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA) 1864 bis zum deutsch-französischen Krieg umfassend - für ihn doch einen großartigen Einblick in die wichtige Phase von Marx' Leben, in der dieser als Politiker agierte. Geradezu überrascht zeigt er sich darüber, wie zurückhaltend sich Marx bei der Gründung der IAA verhielt, das gängige Bild eines "zielorientiert-unversöhnlichen Parteiaktivisten" relativiert sich für ihn sichtlich. Die Texte der beiden Bände verdeutlichen zu seinem Erschrecken auch, dass sich an den gesellschaftliche Verhältnissen und Widersprüchen seit damals "nichts grundsätzlich" geändert hat. Mit Lob bedenkt er die Qualität der Edition und der akribischen Erläuterungen. Besonders verdienstvoll findet er schließlich, dass sämtliche Protokolle der Meetings des Generalrats aufgenommen wurden - Dokumente, die die deutsche Marx-Rezeption bislang kaum wahrgenommen hat.

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