Karl Rahner ist einer der herausragenden, weltweit beachteten theologischen Denker dieses Jahrhunderts. Die vorliegende Einführung skizziert seinen Ansatz in seinen Voraussetzungen, seiner Entwicklung und seiner Wirkung. Sie zeigt, dass Rahners Denken für die theologische und philosophische Diskussion der Gegenwart von Bedeutung bleibt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.1997Die Klauseln der Freiheit
Heidegger lehrte Rahner reden, Kant schärfte sein Denken: Der Systemtheologe im Umriß
Die theologischen Themen Karl Rahners sind eng mit seiner Biographie verknüpft. Der Reichtum seiner Arbeiten - von den Thesen zur philosophischen Grundlegung der Theologie über dogmengeschichtliche Studien bis hin zu pastoraltheologischen Schriften - ist darin begründet, daß er sich der Fülle von Einzelfragen annahm, mit denen er im Laufe seines Lebens konfrontiert wurde. Der Rahner-Schüler Albert Raffelt und der Rahner-Kritiker Hansjürgen Verweyen wissen dies. Und doch haben sie sich dagegen entschieden, in ihrer Einführung in das Werk Rahners den Lebensweg des großen Theologen dieses Jahrhunderts in den Mittelpunkt zu stellen. Denn der äußerliche Anlaß, etwa eine päpstliche Enzyklika, war für Rahner stets nur der Ausgangspunkt. Das Ziel der Überlegungen mußte der Gesamtzusammenhang sein, in dem die einzelnen Fragestellungen ihren Ort hatten. Was heute unter Theologen verpönt ist, war Rahners Absicht: Er wollte "Systemtheologe" sein.
So ist es nur folgerichtig, daß sich die Autoren besonders intensiv mit den frühen Monographien "Geist in Welt" und "Hörer des Wortes" beschäftigen. Deren Gedanken präfigurieren die Thesen des späteren Werkes. Schon an den frühen Schriften läßt sich zeigen, wie Rahner darauf drängte, die erstarrte neuscholastische Theologie der Manuale zu überwinden, ohne das geistige Potential ihrer Quellen zu verachten. Kant als Schiedsrichter in Fragen der Vernunft und Heidegger als Sprachlehrer waren die Paten für seinen Versuch, das "Aggiornamento" der kirchlichen Lehre zu wagen. Rahner verpflichtete die katholische Theologie auf die anthropologische Wende, wie sie philosophisch, aber auch im Protestantismus, schon längst vollzogen war. Mit dem in diesem Punkt wesentlich von Rahner inspirierten Zweiten Vatikanischen Konzil gelang es dann auch der ganzen Kirche, den von Maurice Blondel kritisierten "Extrinsezismus" - die theologische Argumentation "von außen" - hinter sich zu lassen.
Im Detail zeigen Raffelt und Verweyen anhand der Überarbeitungen der beiden frühen Monographien, wie Rahner den ehemals transzendentalphilosophisch fundierten Ansatz durch eine Transzendentaltheologie ersetzte, die ganz die Perspektive des Glaubens einnahm. Eindeutig bejahen beide Autoren damit einerseits die in der Forschung umstrittene Frage, ob Rahner in der frühen Phase auch einen philosophischen Anspruch erhoben habe. Andererseits kommt hier der von Verweyen schon verschiedentlich vorgebrachte Vorwurf ins Spiel, daß der "Status transzendentalen Reflektierens" beim späten Rahner unklar bleibe.
Reichlich geben die Autoren auch Kostproben der verklausulierten Sprache Rahners. Daß dieser stets von den Voraussetzungen der vorkonziliaren Schultheologie ausging, macht das Studium seiner Texte heute noch schwieriger. Selbst Studenten der Theologie kennen diese Axiomatik, auch in ihren Grundzügen, schlicht nicht mehr. Aus diesem Grund werden Einführungen wie die vorliegende notwendig - nicht zuletzt als Leseanleitung für die seit 1995 erscheinende, auf zweiunddreißig Bände angelegte Gesamtausgabe der Schriften Rahners. Wer vor allem über die Biographie Rahners etwas erfahren möchte, wird an anderer Stelle sicherlich besser bedient. Den Autoren ist es aber nicht nur gelungen, das Denken Rahners auf engem Raum zu erschließen. Ihre Einführung mit systematischen Zuschnitt bietet darüber hinaus Einblicke in die Geschichte der katholischen Theologie im zwanzigsten Jahrhundert. Über einen demütigen Dienst am "Andenken" Rahners gehen die beiden Autoren deshalb hinaus. Sie zeigen, daß der Theologe Rahner heute noch Anlaß zum Weiterdenken gibt - wenn auch nicht immer genau in die von ihm gewiesene Richtung. STEFAN ORTH
Albert Raffelt, Hansjürgen Verweyen: "Karl Rahner". Verlag C. H. Beck, München 1997. 144 S., kt., 17,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Heidegger lehrte Rahner reden, Kant schärfte sein Denken: Der Systemtheologe im Umriß
Die theologischen Themen Karl Rahners sind eng mit seiner Biographie verknüpft. Der Reichtum seiner Arbeiten - von den Thesen zur philosophischen Grundlegung der Theologie über dogmengeschichtliche Studien bis hin zu pastoraltheologischen Schriften - ist darin begründet, daß er sich der Fülle von Einzelfragen annahm, mit denen er im Laufe seines Lebens konfrontiert wurde. Der Rahner-Schüler Albert Raffelt und der Rahner-Kritiker Hansjürgen Verweyen wissen dies. Und doch haben sie sich dagegen entschieden, in ihrer Einführung in das Werk Rahners den Lebensweg des großen Theologen dieses Jahrhunderts in den Mittelpunkt zu stellen. Denn der äußerliche Anlaß, etwa eine päpstliche Enzyklika, war für Rahner stets nur der Ausgangspunkt. Das Ziel der Überlegungen mußte der Gesamtzusammenhang sein, in dem die einzelnen Fragestellungen ihren Ort hatten. Was heute unter Theologen verpönt ist, war Rahners Absicht: Er wollte "Systemtheologe" sein.
So ist es nur folgerichtig, daß sich die Autoren besonders intensiv mit den frühen Monographien "Geist in Welt" und "Hörer des Wortes" beschäftigen. Deren Gedanken präfigurieren die Thesen des späteren Werkes. Schon an den frühen Schriften läßt sich zeigen, wie Rahner darauf drängte, die erstarrte neuscholastische Theologie der Manuale zu überwinden, ohne das geistige Potential ihrer Quellen zu verachten. Kant als Schiedsrichter in Fragen der Vernunft und Heidegger als Sprachlehrer waren die Paten für seinen Versuch, das "Aggiornamento" der kirchlichen Lehre zu wagen. Rahner verpflichtete die katholische Theologie auf die anthropologische Wende, wie sie philosophisch, aber auch im Protestantismus, schon längst vollzogen war. Mit dem in diesem Punkt wesentlich von Rahner inspirierten Zweiten Vatikanischen Konzil gelang es dann auch der ganzen Kirche, den von Maurice Blondel kritisierten "Extrinsezismus" - die theologische Argumentation "von außen" - hinter sich zu lassen.
Im Detail zeigen Raffelt und Verweyen anhand der Überarbeitungen der beiden frühen Monographien, wie Rahner den ehemals transzendentalphilosophisch fundierten Ansatz durch eine Transzendentaltheologie ersetzte, die ganz die Perspektive des Glaubens einnahm. Eindeutig bejahen beide Autoren damit einerseits die in der Forschung umstrittene Frage, ob Rahner in der frühen Phase auch einen philosophischen Anspruch erhoben habe. Andererseits kommt hier der von Verweyen schon verschiedentlich vorgebrachte Vorwurf ins Spiel, daß der "Status transzendentalen Reflektierens" beim späten Rahner unklar bleibe.
Reichlich geben die Autoren auch Kostproben der verklausulierten Sprache Rahners. Daß dieser stets von den Voraussetzungen der vorkonziliaren Schultheologie ausging, macht das Studium seiner Texte heute noch schwieriger. Selbst Studenten der Theologie kennen diese Axiomatik, auch in ihren Grundzügen, schlicht nicht mehr. Aus diesem Grund werden Einführungen wie die vorliegende notwendig - nicht zuletzt als Leseanleitung für die seit 1995 erscheinende, auf zweiunddreißig Bände angelegte Gesamtausgabe der Schriften Rahners. Wer vor allem über die Biographie Rahners etwas erfahren möchte, wird an anderer Stelle sicherlich besser bedient. Den Autoren ist es aber nicht nur gelungen, das Denken Rahners auf engem Raum zu erschließen. Ihre Einführung mit systematischen Zuschnitt bietet darüber hinaus Einblicke in die Geschichte der katholischen Theologie im zwanzigsten Jahrhundert. Über einen demütigen Dienst am "Andenken" Rahners gehen die beiden Autoren deshalb hinaus. Sie zeigen, daß der Theologe Rahner heute noch Anlaß zum Weiterdenken gibt - wenn auch nicht immer genau in die von ihm gewiesene Richtung. STEFAN ORTH
Albert Raffelt, Hansjürgen Verweyen: "Karl Rahner". Verlag C. H. Beck, München 1997. 144 S., kt., 17,80 DM.
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