Der Balanceakt zwischen Wissen- und Elternschaft
Karriere mit Kindern - was das für Frauen bedeutet, die sich im Wissenschaftsbetrieb behaupten, berichten hier Akademikerinnen aus verschiedenen Disziplinen und in unterschiedlichen Stadien ihres Werdegangs. Sie schildern, wie sie Beruf und Elternschaft verbinden, und lassen uns sowohl bittere als auch glückliche Momente in diesem Balanceakt miterleben. Die Beiträge skizzieren unterschiedliche Lebensmodelle, mit denen sich Frauen den besonderen Herausforderungen ihrer doppelten Beanspruchung stellen. Die Lektüre ist erhellend nicht nur für Frauen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, sondern auch für deren Partner und Familien und für alle, die mit Wissenschafts-, Bildungs- und Familienpolitik zu tun haben.
Karriere mit Kindern - was das für Frauen bedeutet, die sich im Wissenschaftsbetrieb behaupten, berichten hier Akademikerinnen aus verschiedenen Disziplinen und in unterschiedlichen Stadien ihres Werdegangs. Sie schildern, wie sie Beruf und Elternschaft verbinden, und lassen uns sowohl bittere als auch glückliche Momente in diesem Balanceakt miterleben. Die Beiträge skizzieren unterschiedliche Lebensmodelle, mit denen sich Frauen den besonderen Herausforderungen ihrer doppelten Beanspruchung stellen. Die Lektüre ist erhellend nicht nur für Frauen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, sondern auch für deren Partner und Familien und für alle, die mit Wissenschafts-, Bildungs- und Familienpolitik zu tun haben.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.01.2006Stressiges Doppelleben
Der ständige Kampf berufstätiger Mütter gegen die Uhr
Auf dem künftigen Elterngeld der schwarz-roten Koalition ruhen die größten familienpolitischen Hoffnungen. Gerade bei den nachwuchspolitischen Sorgenkindern, den Akademikerinnen, soll damit endlich der Knoten platzen. Ihre überdurchschnittlich hohe Kinderlosigkeit treibt nicht nur Politikern tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. Von den Betroffenen selbst ist allerdings dabei selten etwas zu hören. Mit dem von Nikola Biller-Andorno herausgegebenen Buch „Karriere und Kind. Erfahrungsberichte von Wissenschaftlerinnen” wird hier endlich Abhilfe geschaffen. In dem Sammelband kommen mehr als dreißig Mütter zu Wort. Mütter aus den unterschiedlichsten Fachdisziplinen, junge wie alte, prominente und nicht-prominente, allein erziehend oder in einer Ehe lebend. Gemeinsam ist ihnen, dass sie den Spagat zwischen einem erfüllendem Beruf und der Familie hinbekommen. Allerdings bekennen viele von ihnen freimütig, welchen Preis sie dafür bezahlen müssen. „Ein Mangel an Muße und ein weit gehender Verzicht auf außerhäusliche Geselligkeit sind (. . .) unvermeidliche Opfer eines solchen Doppellebens”, so bringt es die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Jutta Limbach, auf den Punkt. „Und noch immer verlangt das Doppelleben von Mutterschaft und Wissenschaft ein Übermaß an Willenskraft, Selbstvertrauen und Selbstdisziplin sowie eine gute Gesundheit. Das gilt auch für die Kinder.” Kein Wunder bei täglichen Arbeitszeiten von mindestens zehn Stunden oft bis in den Abend und ins Wochenende hinein; die Teilnahme an internationalen Konferenzen oder längeren Forschungsaufenthalten im Ausland.
Bereits das macht den Aufbau einer stabilen Partnerschaft zu einem schwierigen Unterfangen. Die Autorinnen haben sich dennoch für Kinder entschieden - auffällig oft nur für ein Kind. Und bei der entscheidenden Frage, wer die Betreuung übernimmt, fallen die Antworten teilweise höchst unterschiedlich aus. Die meisten Mütter haben sich nach der Geburt ihrer Kinder nur für wenige Wochen oder Monate vom Wissenschaftsbetrieb zurückgezogen. Die gesetzliche, dreijährige Familienzeit war für alle undenkbar. Anschließend organisierten sie oft Helferinnen, die ihnen die Betreuung der Kinder für den größten Teil des Tages abnahmen. In seltenen Fällen übernahm der Partner diese Aufgabe. Selbst mit externer Hilfe gab und gibt es immer noch derart viel zu tun, dass der Familienalltag ein ständiger Kampf gegen die Uhr ist. Das ist nicht nur für die Mütter ein Kraftakt, der an ihrer seelischen und körperlichen Substanz zehrt. Auch an den Kindern geht das nicht spurlos vorüber. Sie müssen ständig funktionieren, um den dichten Zeitplan ihrer Mütter und Väter nicht durcheinander zu bringen. Am Ende steht manchmal die grundsätzliche Verweigerung gegenüber diesem elterlichen Lebensmodell.
Als Abhilfe gegen diesen Stress rufen die meisten Mütter nach dem forcierten Ausbau öffentlicher Ganztagskinderbetreuung. Auffällig wenige Frauen kommen jedoch auf den Gedanken, die mütter- und familienfeindlichen Strukturen des Wissenschaftsbetriebes ganz grundsätzlich in Frage zu stellen. Zum Beispiel die ehemalige Wissenschaftsministerin in Thüringen, Dagmar Schipanski. Sie fordert langjährige Beschäftigungsverträge für Nachwuchswissenschaftler, um Eltern die Sicherheit zu geben, nach der Geburt sich in Ruhe ein oder zwei Jahre Zeit für ihre Kinder zu nehmen. Den Einwand, damit würden sie den fachlichen Anschluss verlieren, wischt Schipanski mit Blick auf ihre vielfältigen Erfahrungen vom Tisch. Zudem verlangt sie, die Maßstäbe zur Bewertung wissenschaftlicher Leistungen zu korrigieren. Nicht nur Forschungsergebnisse sollten zählen, sondern genauso die Qualität der Lehre. Darin läge gerade für Frauen eine große Chance.
Welchen Raum wir Müttern und Vätern in der Arbeitswelt geben, so analysiert die Informatikerin Petra Bauer, hängt letztlich von der Antwort auf die Grundsatzfrage ab: Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hat die Familienarbeit gegenüber der Erwerbsarbeit? Wer die „liebevolle und aufmerksame Hinwendung zu Kindern” in den Familien faktisch als minderwertig abqualifiziert, braucht sich über die anhaltende Flucht vorm Kind nicht zu wundern. Damit stellt die Kinderfrage unsere praktizierten Werte in Wirtschaft und Gesellschaft auf den Prüfstand. Bislang haben wir diesen Test mit Blick auf die Geburten- und Armutsrate von Kindern offenkundig nicht bestanden.
KOSTAS PETROPULOS
NIKOLA BILLER-ANDORNO / ANNA- KARINA JAKOVLJEVIC / KATHARINA LANDFESTER / MIN AE LEE- KIRSCH: Karriere und Kind. Erfahrungsberichte von Wissenschaftlerinnen. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2005. 328 Seiten, 24,90 Euro.
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Der ständige Kampf berufstätiger Mütter gegen die Uhr
Auf dem künftigen Elterngeld der schwarz-roten Koalition ruhen die größten familienpolitischen Hoffnungen. Gerade bei den nachwuchspolitischen Sorgenkindern, den Akademikerinnen, soll damit endlich der Knoten platzen. Ihre überdurchschnittlich hohe Kinderlosigkeit treibt nicht nur Politikern tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. Von den Betroffenen selbst ist allerdings dabei selten etwas zu hören. Mit dem von Nikola Biller-Andorno herausgegebenen Buch „Karriere und Kind. Erfahrungsberichte von Wissenschaftlerinnen” wird hier endlich Abhilfe geschaffen. In dem Sammelband kommen mehr als dreißig Mütter zu Wort. Mütter aus den unterschiedlichsten Fachdisziplinen, junge wie alte, prominente und nicht-prominente, allein erziehend oder in einer Ehe lebend. Gemeinsam ist ihnen, dass sie den Spagat zwischen einem erfüllendem Beruf und der Familie hinbekommen. Allerdings bekennen viele von ihnen freimütig, welchen Preis sie dafür bezahlen müssen. „Ein Mangel an Muße und ein weit gehender Verzicht auf außerhäusliche Geselligkeit sind (. . .) unvermeidliche Opfer eines solchen Doppellebens”, so bringt es die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Jutta Limbach, auf den Punkt. „Und noch immer verlangt das Doppelleben von Mutterschaft und Wissenschaft ein Übermaß an Willenskraft, Selbstvertrauen und Selbstdisziplin sowie eine gute Gesundheit. Das gilt auch für die Kinder.” Kein Wunder bei täglichen Arbeitszeiten von mindestens zehn Stunden oft bis in den Abend und ins Wochenende hinein; die Teilnahme an internationalen Konferenzen oder längeren Forschungsaufenthalten im Ausland.
Bereits das macht den Aufbau einer stabilen Partnerschaft zu einem schwierigen Unterfangen. Die Autorinnen haben sich dennoch für Kinder entschieden - auffällig oft nur für ein Kind. Und bei der entscheidenden Frage, wer die Betreuung übernimmt, fallen die Antworten teilweise höchst unterschiedlich aus. Die meisten Mütter haben sich nach der Geburt ihrer Kinder nur für wenige Wochen oder Monate vom Wissenschaftsbetrieb zurückgezogen. Die gesetzliche, dreijährige Familienzeit war für alle undenkbar. Anschließend organisierten sie oft Helferinnen, die ihnen die Betreuung der Kinder für den größten Teil des Tages abnahmen. In seltenen Fällen übernahm der Partner diese Aufgabe. Selbst mit externer Hilfe gab und gibt es immer noch derart viel zu tun, dass der Familienalltag ein ständiger Kampf gegen die Uhr ist. Das ist nicht nur für die Mütter ein Kraftakt, der an ihrer seelischen und körperlichen Substanz zehrt. Auch an den Kindern geht das nicht spurlos vorüber. Sie müssen ständig funktionieren, um den dichten Zeitplan ihrer Mütter und Väter nicht durcheinander zu bringen. Am Ende steht manchmal die grundsätzliche Verweigerung gegenüber diesem elterlichen Lebensmodell.
Als Abhilfe gegen diesen Stress rufen die meisten Mütter nach dem forcierten Ausbau öffentlicher Ganztagskinderbetreuung. Auffällig wenige Frauen kommen jedoch auf den Gedanken, die mütter- und familienfeindlichen Strukturen des Wissenschaftsbetriebes ganz grundsätzlich in Frage zu stellen. Zum Beispiel die ehemalige Wissenschaftsministerin in Thüringen, Dagmar Schipanski. Sie fordert langjährige Beschäftigungsverträge für Nachwuchswissenschaftler, um Eltern die Sicherheit zu geben, nach der Geburt sich in Ruhe ein oder zwei Jahre Zeit für ihre Kinder zu nehmen. Den Einwand, damit würden sie den fachlichen Anschluss verlieren, wischt Schipanski mit Blick auf ihre vielfältigen Erfahrungen vom Tisch. Zudem verlangt sie, die Maßstäbe zur Bewertung wissenschaftlicher Leistungen zu korrigieren. Nicht nur Forschungsergebnisse sollten zählen, sondern genauso die Qualität der Lehre. Darin läge gerade für Frauen eine große Chance.
Welchen Raum wir Müttern und Vätern in der Arbeitswelt geben, so analysiert die Informatikerin Petra Bauer, hängt letztlich von der Antwort auf die Grundsatzfrage ab: Welchen gesellschaftlichen Stellenwert hat die Familienarbeit gegenüber der Erwerbsarbeit? Wer die „liebevolle und aufmerksame Hinwendung zu Kindern” in den Familien faktisch als minderwertig abqualifiziert, braucht sich über die anhaltende Flucht vorm Kind nicht zu wundern. Damit stellt die Kinderfrage unsere praktizierten Werte in Wirtschaft und Gesellschaft auf den Prüfstand. Bislang haben wir diesen Test mit Blick auf die Geburten- und Armutsrate von Kindern offenkundig nicht bestanden.
KOSTAS PETROPULOS
NIKOLA BILLER-ANDORNO / ANNA- KARINA JAKOVLJEVIC / KATHARINA LANDFESTER / MIN AE LEE- KIRSCH: Karriere und Kind. Erfahrungsberichte von Wissenschaftlerinnen. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2005. 328 Seiten, 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Da in der anhaltenden Debatte über die Kinderlosigkeit insbesondere von Akademikerinnen sich kaum je die Betroffenen zu Wort melden, findet Kostas Petropulos diesen Band, in dem über dreißig Wissenschaftlerinnen über ihr Leben mit Kindern berichten, sehr begrüßenswert. Das Buch mache deutlich, dass es nach wie vor ein strapaziöser Spagat für Frauen sei, sich trotz verfolgter wissenschaftlicher Karriere für Kinder zu entscheiden, konstatiert der Rezensent. "Auffällig oft" haben die Wissenschaftlerinnen nur ein Kind und die Frage der Betreuung ihres Nachwuchses wird "höchst unterschiedlich" gelöst und verlangt auch den Kindern einiges an Disziplin ab, so Petropulos, der in der "Kinderfrage" unsere "Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Prüfstand" sieht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Die Erfahrungsberichte machen bewußt, daß sich Wissenschaft als Beruf und Mutterschaft zusammen realisieren lassen. Sie machen deshalb Mut, diesen Balanceakt zu wagen und möchten zur Normalisierung des Phänomens Wissenschaftlerinnen mit Kindern beitragen" (Forschung und Lehre, 04.07.2005)
Familie geht doch
"Wissenschaftlerinnen erzählen, wie sie und ihre Männer Familienleben gleichberechtigt managen." (Die Zeit, 08.09.2005)
Familie geht doch
"Wissenschaftlerinnen erzählen, wie sie und ihre Männer Familienleben gleichberechtigt managen." (Die Zeit, 08.09.2005)