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Jahrzehntelang hat sich die Geschichtswissenschaft fast ausschließlich auf die Haupttäter Hitler, Himmler oder Heydrich konzentriert und die Akteure der zweiten und dritten Ebene, die Vollstrecker vor Ort, ausgespart. In diesem Band stellen ausgewiesene Experten 23 Karrieren der Gewalt vor - die bisher größte Sammlung von Biographien tatnaher Befehlsgeber und Exekutoren des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges - und fragen nach den zugrunde liegenden Mustern und Prägungen, Erfahrungen und Weichenstellungen. Die Täterforschung bekommt so erstmals eine konkrete, fundierte Grundlage.…mehr

Produktbeschreibung
Jahrzehntelang hat sich die Geschichtswissenschaft fast ausschließlich auf die Haupttäter Hitler, Himmler oder Heydrich konzentriert und die Akteure der zweiten und dritten Ebene, die Vollstrecker vor Ort, ausgespart. In diesem Band stellen ausgewiesene Experten 23 Karrieren der Gewalt vor - die bisher größte Sammlung von Biographien tatnaher Befehlsgeber und Exekutoren des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges - und fragen nach den zugrunde liegenden Mustern und Prägungen, Erfahrungen und Weichenstellungen. Die Täterforschung bekommt so erstmals eine konkrete, fundierte Grundlage. Darüber hinaus ziehen die beiden Herausgeber Klaus Michael Mallmann und Gerhard Paul in einem umfangreichen Überblick über Fortschritte und Probleme der neueren Täterforschung eine Zwischenbilanz dieser jungen historiographischen Teildisziplin.

Mit Beiträgen von Andrej Angrick, Ruth Bettina Birn, Martin Cüppers, Florian Dierl, Siegfried Gasparaitis, Carlo Gentile, Hannes Heer, Martin Hölzl, Peter Klein, Elisabeth Kohlhaas, Konrad Kwiet, Stephan Linck, Klaus-Michael Mallmann, Jürgen Matthäus, Jacek Mlynarczyk, Bogdan Musial, Karin Orth, Gerhard Paul, Dieter Pohl, Alexandra Przyrembel, Katrin Reichelt-Waite, Volker Rieß, Wolfgang Scheffler, Gudrun Schwarz, Knut Stang, Lawrence D. Stokes, Johannes Tuchel, Christl Wickert, Michael Wildt und Irmtrud Wojak.

Kurztext:
Klaus-Michael Mallmann und Gerhard Paul versammeln 23 Portraits von NS-Tätern der zweiten und dritten Ebene. Damit geben Sie der jungen Täterforschung erstmals eine gesicherte Grundlage. Darüber hinaus ziehen die beiden Herausgeber in einem umfangreichen Überblick über Fortschritte und Probleme dieser neuen Teildisziplin eine Zwischenbilanz.
Autorenporträt
Klaus-Michael Mallmann, geb. 1948, ist wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle Ludwigsburg und Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei der WBG u.a.: Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung (1996); Deutscher Osten 1939-1945. Der Weltanschauungskrieg in Photos und Texten (hg. mit Volker Rieß und Wolfram Pyta, 2003).
Gerhard Paul, geb. 1951, ist Professor für Geschichte und Didaktik an der Universität Flensburg, zahlreiche Veröffentlichungen.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2004

Dezentral und lokal

TÄTERBIOGRAPHIEN ist die neueste Veröffentlichung der Forschungsstelle Ludwigsburg gewidmet. Dreiundzwanzig unbekannte Karrieren werden nachgezeichnet - "die ,kleinen' Schwungräder der Gewalt und deren eigenständiger Beitrag zur Initiierung und Realisierung von Massenmord und Judenvernichtung" beleuchtet. Damit wollen die beiden Herausgeber auch dem Zerrbild vom leidenschaftslosen Befehlsempfänger und vom unideologischen Schreibtischtäter entgegenwirken: "Angesichts der Fülle dezentraler, lokaler und regionaler Initiativen werden der behauptete Befehlsnotstand und Gehorsamsdruck den letzten Rest an Plausibilität verlieren. Die breite Streuung der Verantwortung, nicht die einlinige Befehlskette von ,oben' nach ,unten' wird darum zum Signum des Vernichtungskrieges werden." Das weist beispielsweise Karin Orth überzeugend für den 1906 geborenen Bäckergesellen Egon Zill nach, der von 1936 bis 1939 eine Art "Dachauer Schule" durchlief und dort zum 1. Schutzhaftlagerführer aufstieg. SS-Aufsehernaturen wie Zill erschien Gewalttätigkeit als Inbegriff der Männlichkeit, und sie glaubten, daß das "Interesse des Vaterlandes" und die vermeintliche Gefährlichkeit der Häftlinge größte Brutalitäten legitimieren würden. Zill brachte Funktionshäftlinge durch bloße Andeutungen und das Versprechen einer zusätzlichen Brotzeit dazu, Mitgefangene zu foltern oder zu erschlagen. Er muß als Urheber des Gedankens angesehen werden, reichsdeutsche Wilddiebe und KZ-Häftlinge der "Sonderformation Dirlewanger" einzugliedern. Der 1895 geborene Oskar Dirlewanger - MG-Stoßtrupp-Führer im Ersten Weltkrieg, Alkoholiker, Drogenabhängiger und promovierter Volkswirt - wurde gefördert von Gottlob Berger, dem Chef des SS-Hauptamtes. Dirlewanger und sein Sonderkommando ergingen sich in den besetzten Gebieten in sadistischen Gewaltinszenierungen, Plünderungen, Massenvergewaltigungen und Morden. Sogar mit dem Ritterkreuz wurde er belohnt, "auch wegen seiner persönlichen Beteiligung an diversen Nahkämpfen". Der Historiker Knut Stang resümiert, Hitler und Reichsführer-SS Himmler hätten in Dirlewanger den radikalsten Vertreter dessen gesehen, "was NS-Kriegführung auszeichnete gegenüber der auch nicht eben menschenfreundlichen Kriegführung der deutschen Militärtradition. Was das über ein Regime aussagt, das sich in einer brutalen Verbrecherbande symbolisiert findet, muß wohl kaum ausgeführt werden." (Klaus-Michael Mallmann/Gerhard Paul [Herausgeber]: Karrieren der Gewalt. Nationalsozialistische Täterbiographien. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004. 282 Seiten, 39,90 [Euro].)

rab.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der vorliegende Band ist die neueste Veröffentlichung der Forschungsstelle Ludwigsburg, informiert "rab". 23 Täterbiographien würden darin nachgezeichnet, allesamt unbekannte Karrieren, die den bekannten an Brutalität in nichts nachstünden. "rab" weist darauf hin, dass die Herausgeber mit diesen 23 Einzelporträts "dem Zerrbild vom leidenschaftslosen Befehlsempfänger" entgegenwirken wollen; der behauptete Befehlsnotstand, der Gehorsamsdruck, das Bild vom leidenschaftslosen Schreibtischtäter verliere angesichts dieser Täterbiographien an Plausibilität, stimmt "rab" zu. Es gab keine direkte Befehlskette von oben nach unten, die Verantwortung wurde mit Absicht breit gestreut und konnte darum zum "Signum des Vernichtungskrieges" werden.

© Perlentaucher Medien GmbH