Produktdetails
- Verlag: Frankfurt am Main : Verl. Recht und Wirtschaft
- ISBN-13: 9783800514564
- Artikelnr.: 20858795
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2007Aus der Praxis
Der "more economic approach" in der Fusionskontrolle
Die Zeiten, in denen fusionswillige Unternehmen wettbewerbsrechtlichen Rat allein bei Kartellanwälten suchten, dürften vorbei sein. Seitdem die Europäische Kommission explizit großen Wert auf die Berücksichtigung ökonomischer Kriterien in der Prüfung von Zusammenschlussvorhaben legt, ist ein neuer Markt entstanden. Nicht nur Anwälte, sondern auch industrieökonomisch ausgebildete Unternehmensberater stehen den Fusionswilligen gegen gutes Honorar zur Seite. Eine ihrer Funktionen besteht darin, nachzuvollziehen, wie sich der "more economic approach" konkret auf die Prüfpraxis auswirkt.
Die neue Konkurrenz und die neue Materie - die Industrieökonomik - dürften für die Studienvereinigung Kartellrecht, die Vereinigung der deutschen Kartellanwälte, Anlass genug für einen ungewöhnlichen Auftrag gewesen sein. Der Industrieökonom Ulrich Schwalbe (Universität Hohenheim) und der Kartelljurist Daniel Zimmer (Universität Bonn) sollten untersuchen, inwieweit "neuere Ergebnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung" Eingang in die kartellrechtliche Praxis gefunden haben. Das Auftragsergebnis, das nun als Buch vorliegt, ist nicht nur eine lohnende Fortbildungslektüre für Kartellanwälte. Den Autoren gelingt eine unaufgeregte, aber nicht unkritische Analyse des "more economic approach". Sie gewinnt dadurch, dass sich die beiden Autoren fast gezwungenermaßen mit den Erkenntnissen der jeweils anderen Disziplin auseinandersetzen mussten. So verknüpft die Studie eine gründliche ökonomische Analyse - vor allem von Marktstrukturveränderungen - mit der Aufarbeitung der einschlägigen Fälle in den vergangenen Jahren.
Der interdisziplinäre Ansatz der Studie könnte Vorbildcharakter haben. Schwalbe und Zimmer befassen sich (auftragsgemäß) "nur" mit der Fusionskontrolle. Auf diesem Feld bezieht die Europäische Kommission bereits erklärtermaßen moderne ökonomische Methoden in ihre Prüfpraxis ein. In einem Grünbuch hat sie aber auch eine Diskussion über neue Leitlinien für die Missbrauchsaufsicht in Gang gesetzt, die ebenfalls auf "mehr Ökonomik" hinausläuft. Eine ähnliche Diskussion hat sie mit Blick auf die Beihilfenkontrolle entfacht. Die Grundsatzfragen, die der "more economic approach" aufwirft, sind meist dieselben: Sind die Modelle, die die Industrieökonomik hervorbringt, geeignet, um die Realität im Einzelfall adäquat abzubilden? Und sind sie in der behördlichen und gerichtlichen Anwendung des Wettbewerbsrechts brauchbar?
Die Antwort von Schwalbe und Zimmer lautet nie "ja" oder "nein". Die Grundsatzdiskussion über den Sinn von mehr ökonomischer Analyse führen sie pragmatisch: Erstens kann eine ökonomische Fundierung nie schaden, und zweitens ist der "more economic approach" ohnehin schon Realität. Den Autoren geht es um eine maßvolle, differenzierte Anwendung der Modelle. Die pauschale Forderung, das Wettbewerbsrecht unter Verwendung ökonomischer Methoden an "Rule of reason"-Entscheidungen auszurichten, geht ihnen zu weit. Stattdessen entwickeln sie gut begründete Argumente für und gegen den Einsatz der verfügbaren ökonomischen Konzepte, abhängig von der jeweiligen wettbewerbsrechtlichen Frage.
Besondere Praxisrelevanz erhält die Studie in den Kapiteln über "nicht koordinierte" und "koordinierte" Effekte bei der Beurteilung von Fusionen. Diese bilden zusammen mit der ebenfalls erörterten Berücksichtigung von Effizienzgewinnen das Rückgrat der seit 2004 geltenden EU-Leitlinien zur Beurteilung horizontaler Unternehmenszusammenschlüsse. Darüber hinaus liefert der Beitrag eine umfassende Übersicht über die Methoden zur Abgrenzung des relevanten Marktes. Zu allen diesen Themen stellen die Autoren zunächst die wesentlichen ökonomischen Konzepte vor, bevor sie, illustriert durch Fallbeispiele, in den juristischen Kontext eingeordnet werden.
WERNER MUSSLER.
Ulrich Schwalbe/Daniel Zimmer: Kartellrecht und Ökonomie. Moderne ökonomische Ansätze in der europäischen und deutschen Zusammenschlusskontrolle. Verlag Recht und Wirtschaft, Frankfurt 2006, 453 Seiten, 89 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der "more economic approach" in der Fusionskontrolle
Die Zeiten, in denen fusionswillige Unternehmen wettbewerbsrechtlichen Rat allein bei Kartellanwälten suchten, dürften vorbei sein. Seitdem die Europäische Kommission explizit großen Wert auf die Berücksichtigung ökonomischer Kriterien in der Prüfung von Zusammenschlussvorhaben legt, ist ein neuer Markt entstanden. Nicht nur Anwälte, sondern auch industrieökonomisch ausgebildete Unternehmensberater stehen den Fusionswilligen gegen gutes Honorar zur Seite. Eine ihrer Funktionen besteht darin, nachzuvollziehen, wie sich der "more economic approach" konkret auf die Prüfpraxis auswirkt.
Die neue Konkurrenz und die neue Materie - die Industrieökonomik - dürften für die Studienvereinigung Kartellrecht, die Vereinigung der deutschen Kartellanwälte, Anlass genug für einen ungewöhnlichen Auftrag gewesen sein. Der Industrieökonom Ulrich Schwalbe (Universität Hohenheim) und der Kartelljurist Daniel Zimmer (Universität Bonn) sollten untersuchen, inwieweit "neuere Ergebnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung" Eingang in die kartellrechtliche Praxis gefunden haben. Das Auftragsergebnis, das nun als Buch vorliegt, ist nicht nur eine lohnende Fortbildungslektüre für Kartellanwälte. Den Autoren gelingt eine unaufgeregte, aber nicht unkritische Analyse des "more economic approach". Sie gewinnt dadurch, dass sich die beiden Autoren fast gezwungenermaßen mit den Erkenntnissen der jeweils anderen Disziplin auseinandersetzen mussten. So verknüpft die Studie eine gründliche ökonomische Analyse - vor allem von Marktstrukturveränderungen - mit der Aufarbeitung der einschlägigen Fälle in den vergangenen Jahren.
Der interdisziplinäre Ansatz der Studie könnte Vorbildcharakter haben. Schwalbe und Zimmer befassen sich (auftragsgemäß) "nur" mit der Fusionskontrolle. Auf diesem Feld bezieht die Europäische Kommission bereits erklärtermaßen moderne ökonomische Methoden in ihre Prüfpraxis ein. In einem Grünbuch hat sie aber auch eine Diskussion über neue Leitlinien für die Missbrauchsaufsicht in Gang gesetzt, die ebenfalls auf "mehr Ökonomik" hinausläuft. Eine ähnliche Diskussion hat sie mit Blick auf die Beihilfenkontrolle entfacht. Die Grundsatzfragen, die der "more economic approach" aufwirft, sind meist dieselben: Sind die Modelle, die die Industrieökonomik hervorbringt, geeignet, um die Realität im Einzelfall adäquat abzubilden? Und sind sie in der behördlichen und gerichtlichen Anwendung des Wettbewerbsrechts brauchbar?
Die Antwort von Schwalbe und Zimmer lautet nie "ja" oder "nein". Die Grundsatzdiskussion über den Sinn von mehr ökonomischer Analyse führen sie pragmatisch: Erstens kann eine ökonomische Fundierung nie schaden, und zweitens ist der "more economic approach" ohnehin schon Realität. Den Autoren geht es um eine maßvolle, differenzierte Anwendung der Modelle. Die pauschale Forderung, das Wettbewerbsrecht unter Verwendung ökonomischer Methoden an "Rule of reason"-Entscheidungen auszurichten, geht ihnen zu weit. Stattdessen entwickeln sie gut begründete Argumente für und gegen den Einsatz der verfügbaren ökonomischen Konzepte, abhängig von der jeweiligen wettbewerbsrechtlichen Frage.
Besondere Praxisrelevanz erhält die Studie in den Kapiteln über "nicht koordinierte" und "koordinierte" Effekte bei der Beurteilung von Fusionen. Diese bilden zusammen mit der ebenfalls erörterten Berücksichtigung von Effizienzgewinnen das Rückgrat der seit 2004 geltenden EU-Leitlinien zur Beurteilung horizontaler Unternehmenszusammenschlüsse. Darüber hinaus liefert der Beitrag eine umfassende Übersicht über die Methoden zur Abgrenzung des relevanten Marktes. Zu allen diesen Themen stellen die Autoren zunächst die wesentlichen ökonomischen Konzepte vor, bevor sie, illustriert durch Fallbeispiele, in den juristischen Kontext eingeordnet werden.
WERNER MUSSLER.
Ulrich Schwalbe/Daniel Zimmer: Kartellrecht und Ökonomie. Moderne ökonomische Ansätze in der europäischen und deutschen Zusammenschlusskontrolle. Verlag Recht und Wirtschaft, Frankfurt 2006, 453 Seiten, 89 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main