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Mit dem Zauber und Witz von "Die zauberhafte Welt der Amélie"
Eri ist noch Jungfrau, obwohl (oder weil?) sie als Putzfrau im Pornokino arbeitet. Dass sie sich in Liz verliebt, die lebende, silbern bemalte Statue in der Fußgängerzone, ist ein großes Glück. Denn Liz kann Eri dabei helfen, den großen Karton im verschlossenen Zimmer ihres Penthouse zu entsorgen. Was in dem Karton ist? Nur die Leiche von Eris Vater.

Produktbeschreibung
Mit dem Zauber und Witz von "Die zauberhafte Welt der Amélie"

Eri ist noch Jungfrau, obwohl (oder weil?) sie als Putzfrau im Pornokino arbeitet. Dass sie sich in Liz verliebt, die lebende, silbern bemalte Statue in der Fußgängerzone, ist ein großes Glück. Denn Liz kann Eri dabei helfen, den großen Karton im verschlossenen Zimmer ihres Penthouse zu entsorgen. Was in dem Karton ist? Nur die Leiche von Eris Vater.

Autorenporträt
Krausser, HelmutHelmut Krausser, geboren 1964 in Esslingen, zählt zu den interessantesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellern. Für seine Romane, Erzählungen, Lyrik, Tagebücher, Hörspiele, Dramen, Drehbücher und musikalische Werke erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Seine Romane "Der große Bagarozy" und "Fette Welt" (mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle) wurden fürs Kino verfilmt. Der Autor lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.04.2007

Vorerst ohne Bonusmaterial
„Kartongeschichte”: Helmut Krausser fasst sich kurz
Helmut Krausser hat keine Lust mehr auf Umwege. Wo sich der Autor von ziegelsteindicken Romanen wie „Melodien”, „Thanatos” oder „UC” noch um jedes historische Detail kümmert und Handlungsbögen über Jahrhunderte hinweg spannt, wo er an der romantischen Urgeschichte der Deutschen schreibt und die Welten schaffende Kraft der Poesie in Szene setzt, da packt er jetzt alles auf kleinstem Raum zusammen: Die „Kartongeschichte” heißt so, weil darin eine halb verweste Leiche von einem drogenabhängigen Stricher, einem schwarzen Pornobarkeeper und einem Lesbenpärchen in einer Pappschachtel durch die Gegend transportiert wird und schließlich im Meer landet. Und sie heißt so, weil Krausser seinen Lesern eine skelettierte Geschichte in den Romankarton gepackt hat und souverän die gewöhnliche Sorgfaltspflicht des Erzählers verletzt. Krausser darf dies tun, weil er alle Register ziehen könnte, wenn er wollte.
Bereits in seinem letzten Roman „Eros” hatte Krausser eine abgemagerte Geschichte der Bundesrepublik geliefert, bei der viele Rezensenten den historischen Füllstoff, die Lebendigkeit einer Darstellung von Fleisch und Blut vermissten. In der „Kartongeschichte” treibt er dieses Verfahren weiter: Anderen Autoren würde das Material für mindestens zwei Bücher genügen: ein paar zarte Liebesgeschichten, rücksichtsloser Sex und skurrile Kleinkriminalität, abwegige Handlungsverschlingungen und ein Familiendrama – vieles „könnte ausgeschmückt werden” oder „ließe sich liebevoller erzählen”. Aber Krausser verzichtet auf alle „üblichen” Belanglosigkeiten. Er fasst „grob” zusammen und „kürzt um allen Zierrat”, ja er streicht gleich ein ganzes Kapitel, „um der Geschichte mehr Drive zu verleihen”. Krausser-Fans dürfen allerdings hoffen: Der Erzähler stellt eine Romanfassung mit „Bonusmaterial” in der „Collector’s Edition” in Aussicht, „für all jene, die meinen, darauf partout nicht verzichten zu können”. Wir warten. STEFFEN MARTUS
HELMUT KRAUSSER: Kartongeschichte. marebuchverlag, Hamburg 2007. 139 SCF2>eiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2007

Der Notarzt als Notar
Ohnsorg-Theater in der WG: Helmut Kraussers lustige Geschichte

Rawumms! Ein Text zum Thema "wiedererfrohtes Deutschland" knallt hier aufs Stäbchenparkett: prägnant, charmant, komisch und sanft, dabei den Tod und die Liebe zwischen zwei jungen Frauen nicht aussparend (was alles ebenso etwa auf Fatih Akins neuesten Film zuträfe). Der in München lebende Autor und Pointengarant Helmut Krausser hat schon vieles versucht. Nach mehreren Poesiealben, allerhand Romanhaftem, einem Hundehistörchen ("Die wilden Hunde von Pompeii") wagte er zuletzt mit "Eros" den großen Wurf des ultimativen deutschen Romans, der, vorsichtig formuliert, nicht allzu gnädig aufgenommen wurde. Krausser hat Format bewiesen, indem er (im Rahmen der von Denis Scheck betreuten marebibliothek) sofort eine funkelnde Erzählung nachlegte. Nicht nur, was den Plot angeht, ist die kleine, rasante "Kartongeschichte" das Gegenstück zum Metaroman aus dem vergangenen Jahr. Auch stilistisch ist sie in ihrer Lakonik und angenehmen Nonchalance das Komplementär zur "Eros"-Prätention: Hier spricht Krausser nicht mit fremden Schnäbeln.

Entsprechend den wieder visionär gewordenen Zeiten wischt der Autor im Handstreich komplette Romanhandlungen beiseite: "Der Vater verließ ihretwegen die Mutter, die Mutter hatte noch lange nicht genug gelebt, hinterließ die Tochter bei englischen Fräulein, die gaben ihr den Namen des aktuellen Monats, das alles ließe sich liebevoller erzählen." Dazu keine Lust oder Zeit zu haben ist weniger Pose denn Wille zur Skizze. Und im Aperçuhaften macht Krausser eine passable Figur: "An dieser Stelle wurde ein Kapitel getilgt, um der Geschichte mehr Drive zu verleihen. Kilometerlang wird darin geschildert, wie Angelo nach einem tränenreichen Nervenzusammenbruch doch noch eine Nacht länger bleiben darf (...) Viel Unwesentliches wird penibel erklärt. Deswegen sollen keine Bäume sterben."

Der namengebende Monat, auf den oben abgehoben wurde, war der August. Verwendung findet der Name Augusta im Buch jedoch kaum. Krausser verzichtet auf ihn zugunsten des viel aparteren Spitznamens Eri, auch wenn dieser auf Eritrea rekurriere, eine nicht eben liebevolle Anspielung auf Augustas Unterernährung. Mit Verballhornungen - im Stile der Verwechslung von Postbank und Postpunk - hat es Krausser ohnehin: Sein einstiger Hundeheld trug den köstlichen Namen "Kaffeekanne", bevor die Lustigkeit auf die Kalauerschnauze fiel durch die Rückführung auf "Cave canem". Der Eröffnungskalauer hier: Eris Vater verstarb mit den Worten "Ruuuf den Notar", was sich das Mädchen erst später zu erklären vermochte. Gemeint war der Notarzt, aber die Kraft hatte nicht gereicht für die letzten beiden Buchstaben. Seither lacht Eri, die selten lacht, jedes Mal, wenn sie das Wort Notarzt hört.

Das Geschehen beginnt alltäglich, eine launige Betrachtung von Eris einfachem, einsamem Leben: Sie arbeitet als verträumte Putzhilfe im Pornokino. Krausser hält das Gaspedal durchgedrückt. Das nette, offene Mädchen findet eine Freundin, Liz, die schon bald in ihre Wohnung einzieht. Diese Wohnung hat einmal Eris Vater gehört, welcher derweil - und schon seit einiger Zeit (es kam kein Notarzt) - tot im Nebenzimmer liegt, dort aber nicht zur Gänze verwesen dürfe, wie Liz findet. Darum also geht es: den Vater loszuwerden und das einmal im ganz unpsychologischen Sinne.

Weitere Protagonisten sind der schwule Schwarzafrikaner Jonas sowie dessen drogenabhängiger Geliebter Angelo, Arbeitskollegen Eris und tragische Existenzen. Zusammen erleben die vier Freunde Momente des Glücks, der Gemeinschaft. Stets verfolgt werden sie dabei von Liz' Exfreund Stan, der auch eine kurze intime Erfahrung mit Eri machen durfte und sich seither brennend für die Frauen-WG interessiert, ohne auch nur ein einziges Vorkommnis richtig zu erfassen. Plötzlich taucht noch Eris Mutter auf, die ihre Tochter als Einjährige zuletzt gesehen hatte, bevor sie sich nach Argentinien absetzte. Vom Tod des Exgatten, den sie wiederzugewinnen hofft, weiß sie natürlich nichts. Nun ist endgültig Ohnsorg-Theater in der Wohngemeinschaft, allerdings auf einem solchen, auch stilistischen Humorniveau, dass man mit dem Lachen überhaupt nicht aufhören kann.

Es gibt noch einige Verwicklungen mehr, die nicht verraten zu werden brauchen, weitere Personen treten auf (manche überflüssigerweise). Nach etwa zwei Stunden ist Ruhe im Karton. Der Erzählkarren wird mit einem gewaltigen Satz im Meer versenkt: "So. Jetzt Feierabend." Ein Buch, das nicht lüge, müsse sein wie das Leben, heißt es zum Abschied. Und tatsächlich kommt Kraussers anrührende Geschichte bei allem Burleskenhaften ganz nah an die Wirklichkeit heran, was nicht zuletzt am gutmütigen, auktorial-selbstbezüglichen Tonfall liegt.

Wer diese Erzählung nicht am Stück verschlingt, stammt nicht aus dieser Zeit. Eine unerwartete poetologische Volte steht am Schluss: Krausser parallelisiert das Erzählen mit dem Kreislauf der Elemente. Geschichte und Naturgeschichte aufeinander abzubilden ist zwar nicht völlig neu, das hat es schon am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts gegeben; aber ein furioser Gedanke ist es allemal: "Kein Tropfen Wasser in unseren Körpern, der nicht zuvor in ungezählten anderen Dienst tat. In Menschen, Katzen, Rosen oder Pfirsichen. Sehen Sie sich das Meer an! All die entspannt hintreibenden Wasseratome, Komparsen auf Urlaub, bevor sie erneut eingreifen müssen." Auch die große Buchstabensuppe schwappt lange entspannt vor sich hin, bevor sie sich zu Geschichten wie dieser neu konfiguriert. Mehr davon, Herr Suppenkaspar.

OLIVER JUNGEN

Helmut Krausser: "Kartongeschichte". Roman. Marebuchverlag, Hamburg 2007. 139 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Trotz der Kürze des vorliegenden Werks verhaspelt sich Rezensent Oliver Jungen etwas im Nacherzählen des Plots - es geht irgendwie um ein magersüchtiges Mädchen, eine Frauen-WG, tragische Bewunderer, Pornos, und einen toten, zu beseitigenden Vater -, aber er versteht es dennoch, mit launiger Prosa und Freude am Zitat für dieses neue Büchlein Helmut Kraussers zu werben. Bewundernd streicht er die Souveränität heraus, mit der Krausser den Misserfolg des monumentalen Vorgängerwerks "Eros" durch Kürze und Pointenreichtum pariert. Auch der spezifische Wortwitz Kraussers findet die amüsierte Zustimmung des Rezensenten.

© Perlentaucher Medien GmbH