Katharine, die Große: Sie gewann vier Oscars und zwölf Nominierungen, ein einzigartiger Hollywood-Rekord. Fachjournalisten wählten sie zur "Besten Filmschauspielerin aller Zeiten"(1983) und zur "Besten Schauspielerin in der 100-jährigen Geschichte des Films" (1995). Die Welt ist sich einig, dass mit Katharine Hepburn der legendärste Filmstar des Jahrhunderts die Bühne des Lebens verließ - eine Frau, die siebzig Jahre lang im Licht der Öffentlichkeit stand, die buchstäblich nichts als Hauptrollen spielte in der Film- und Theaterszene, verehrt von Cineasten weltweit, bewundert und geliebt als Vorbild ganzer Generationen moderner Frauen. Und dennoch verstand es diese Frau, ihr Leben ganz nach ihren eigenen Regeln zu gestalten und ihre Privatsphäre vor der Öffentlichkeit weitgehend zu schützen.
Als sie 1983 den 33-jährigen Biographen A. Scott Berg kennen lernte, war sie fünfundsiebzig; dennoch wurde er ihr ein enger Freund und Vertrauter. Scott Berg und Kate Hepburn haben viel Zeit miteinander verbracht und zahllose Gespräche geführt in den letzten zwanzig Jahren ihres Lebens. Sie wusste und sie wollte, dass er über sie schreibt, und sie nutzte die gemeinsamen Stunden auch dazu, sich zu erinnern, nachzudenken über sich, über Menschen und Ereignisse aus ihrer Vergangenheit, ab und zu sogar über den Sinn des Lebens. Er war ein Chronist, wie sie ihn sich gewünscht hatte, und so vertraute sie sich ihm an, vertraute ihm auch viele Details aus ihrem Leben an, die erst nach ihrem Tod - durch dieses Buch - an die Öffentlichkeit kommen sollten.
Wir erleben die ungewöhnliche Familie, die wilde Kindheit, die rasanten ersten Erfolge und schmerzlichen Niederlagen, den ganzen verschlungenen Weg dieser steilen, unvorstellbar langen Karriere, den Katharine Hepburn unbeirrbar geht. Und genauso unbeirrbar ist sie auch in ihren Gefühlen - für Männer, für Frauen, für Freunde und Weggefährten. Dass dabei eine Vielzahl erlesener, klingender Namen auftaucht, ist in ihrem Fall nur natürlich.
Als sie 1983 den 33-jährigen Biographen A. Scott Berg kennen lernte, war sie fünfundsiebzig; dennoch wurde er ihr ein enger Freund und Vertrauter. Scott Berg und Kate Hepburn haben viel Zeit miteinander verbracht und zahllose Gespräche geführt in den letzten zwanzig Jahren ihres Lebens. Sie wusste und sie wollte, dass er über sie schreibt, und sie nutzte die gemeinsamen Stunden auch dazu, sich zu erinnern, nachzudenken über sich, über Menschen und Ereignisse aus ihrer Vergangenheit, ab und zu sogar über den Sinn des Lebens. Er war ein Chronist, wie sie ihn sich gewünscht hatte, und so vertraute sie sich ihm an, vertraute ihm auch viele Details aus ihrem Leben an, die erst nach ihrem Tod - durch dieses Buch - an die Öffentlichkeit kommen sollten.
Wir erleben die ungewöhnliche Familie, die wilde Kindheit, die rasanten ersten Erfolge und schmerzlichen Niederlagen, den ganzen verschlungenen Weg dieser steilen, unvorstellbar langen Karriere, den Katharine Hepburn unbeirrbar geht. Und genauso unbeirrbar ist sie auch in ihren Gefühlen - für Männer, für Frauen, für Freunde und Weggefährten. Dass dabei eine Vielzahl erlesener, klingender Namen auftaucht, ist in ihrem Fall nur natürlich.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2003Für immer Katharine Hepburn
Ein Ich, das fragt, wo der Spiegel ist: Was steht wirklich drin in der spektakulären Biographie? / Von David Thomson
Am 29. Juni starb Katharine Hepburn im Alter von 96 Jahren. Zwölf Tage später lag A. Scott Bergs Buch "Kate Remembered" bereits in amerikanischen Buchhandlungen - die schnellste postume Biographie, die je erschienen ist, und ein Coup, dessen perfektes Timing Verlag, Autor und Hepburn selbst von langer Hand geplant hatten.
Bevor sich eine gepanzerte Heiligenrüstung um Katharine Hepburn legt und sie gegen alle gewöhnliche Kritik immunisiert, möchte ich ein kurzes, freundliches Plädoyer für die Schauspielerin, Karrierefrau und überzeugte Berühmtheit, um nicht zu sagen: hartnäckige Märchenerzählerin, halten - gegen jene feine Yankee-Version einer unnachgiebigen Aufrichtigen, die nur daran interessiert war, "natürlich" zu sein, und dennoch irgendwie in fast fünfzig Filme und zwölf Oscar-Nominierungen stolperte. Das geschah nicht zufällig. Sie war daran intensiv beteiligt, sie war sehr scharfsinnig und hatte einen großartigen Auftritt.
Nichts belegt ihren Auftritt besser als die Veröffentlichung von A. Scott Bergs seltsamem, nicht sehr hilfreichem, aber gänzlich legendenfreundlichem Memoirenbuch "Kate Remembered" nur ein paar Tage nach ihrem Tod. In einem Radiointerview erklärte Berg, er habe das Gefühl, Hepburn so am besten gedient zu haben, weil es am angemessensten war, sein Buch, obwohl es auf ihren Tod warten mußte, "im Augenblick ihres Todes" erscheinen zu lassen. Warum?, könnte man fragen. Berg wurde nicht gefragt. Aber wir kennen die Antwort: um das Buch am wirkungsvollsten zu verkaufen und über all jene Nachrufe zu erheben, in denen ein eher kritischer Konsens überwiegen würde. Dieses Timing nennt man in politischen Kreisen "Spin" oder, um eine Lektion zu zitieren, die Hepburn von John Ford gelernt haben könnte, einem jener toughen, unverschämten Männer, die sie so schätzte: "Wenn die Legende zum Faktum wird, druck die Legende!"
Dichtung und Wahrheit
Bergs eigener Auskunft nach war er mit Katharine Hepburn in den letzten zwanzig Jahren ihres Lebens befreundet. Manchmal glaubte er, sie offeriere ihm Material für einen Hollywoodroman. Dann wieder hatte er das Gefühl, so etwas wie das Kind zu sein, das sie nie hatte. Das sind ziemlich viele Rollen für einen Autor. Berg rannte nach jedem Treffen mit ihr los, um sich zu notieren, was sie ihm erzählt hatte. Hat Hepburn das bemerkt? Hat sie gewußt, daß ein Buch wie dieses dabei herauskommen würde? Ja, sagt Berg, das glaube er, er sei sich sogar ganz sicher. Und ich bin ziemlich überzeugt, daß sie selten etwas gesagt hat, das nicht der Festigung ihres Selbstbildes diente. Wir müssen wohl Bergs Version der Entstehungsgeschichte hinnehmen. Wir müssen ihm trauen, daß er keinen Hollywoodroman geschrieben hat.
Um kein Mißverständnis entstehen zu lassen: Ich schätze die Legende der Katharine Hepburn, und ich habe ihre Auftritte auf der Leinwand zumeist geliebt, auch wenn es maßlos übertrieben ist, wie Berg zu behaupten, es sei die großartigste Schauspielerkarriere des 20. Jahrhunderts. War sie nun Schauspielerin oder Star? Wohl eher letzteres. Mir scheint es daher am sinnvollsten, in Katharine Hepburn die lebenslange Behauptung jener Persönlichkeit zu sehen, die sie sein wollte: mutig, unabhängig, schwer in Ordnung, liberal, smart, ein bißchen einzelgängerisch, die neue Frau und zugleich auch die alte New-England-Frau. Am interessantesten allerdings ist - und darin besteht die wirkliche Hochachtung für ihre Ausdauer und List -, daß sie sich zu einer Zeit, als sie keinem anderen Hollywoodstar glich, und trotz der ersten Reaktion des Publikums, das sie nicht mochte, durchsetzte.
An dem einen Tag, den ich mit ihr verbringen konnte, fand ich diesen Weg faszinierend und bewundernswert. Doch ich glaube, sie war immer ein glänzendes Selbst, ein gewaltiges "Ich", das sich fragte, wo der Spiegel und die Kameras waren. Ein paar Beispiele: Im Alter liebte sie es, den Eindruck zu vermitteln, sie habe die Idee, Scarlett O'Hara in "Vom Winde verweht" zu spielen, nie ernst genommen; sie und das Mädchen aus Tara seien hoffnungslos unpassend füreinander gewesen. Am Ende kam der Produzent David O. Selznick zu demselben Schluß, doch Katharine Hepburn war, wie Aufzeichnungen belegen, ganz scharf auf diese Glanzrolle gewesen. Und sie beschäftigte keinen anderen als Howard Hughes als eine Art Agenten, als geschäftlichen und juristischen Berater in ihrer Kampagne. Ein Vertrag für die Rolle war bereits aufgesetzt. Als Hepburn sie nicht bekam, revidierte sie die ganze Geschichte und lachte fröhlich über die bloße Vorstellung. Das ist typisch Hollywood.
Ihre sorgfältig geplante Wahl der "Philadelphia Story" als Projekt, das ihr Image verändern sollte, zeigte ihren natürlichen Instinkt dafür, wie das Showgeschäft funktioniert. Erneut stand ihr Hughes zur Seite, um das Unternehmen vom Papier auf die Bühne und schließlich auf die Leinwand zu bringen. Und ich glaube, es war für ihre Karriere sehr wichtig, daß Tracy Lord, die Heldin des Films, eine kalte, hochmütige Prinzessin ist (was gar nicht so weit von Hepburns Ruf als Kassengift in den dreißiger Jahren entfernt war), die von den Umständen gedemütigt wird, die aber auftaut und beginnt, sich natürlich zu benehmen.
Zart und hart
Doch es gibt auch heikle Punkte. Obwohl es überall so dargestellt wird, hat sie keineswegs 27 Jahre lang mit Spencer Tracy "zusammengelebt". Es gab Zärtlichkeit und Zuwendung zwischen ihnen, es gab einige wunderbare Filme, in denen zumeist die eiserne Kate Spencers Sentimentalität und männlicher Torheit nachgab. Aber es gab auch andere, hitzige Verwicklungen. Tracy behandelte sie mitunter brutal, nicht zuletzt während seiner Affäre mit Gene Tierney. "Kate Remembered" ist in diesem bedeutsamen Punkt keine Hilfe, doch ich vermute mal, daß Hepburn generell nicht gerne Sex mit jemandem hatte. Da ist eine Art Selbstbewunderung, die das töricht erscheinen ließe.
Das führt zugleich zu "Me", ihrer Autobiographie (dt.: ",Ich'. Geschichten meines Lebens"), die 1991 bei Knopf erschien (auch mein Verlag, muß ich hinzufügen). Die Details sind nicht wichtig, aber der Vertrag war ein enormer Deal - vermutlich die höchste Gage in Hepburns Karriere. Ich glaube, jeder anständige New-England-Charakter ist bei einem solchen Deal fest davon ausgegangen, daß sie alles erzählen würde (zumindest alles, was sie zu erzählen bereit war). Nun kommt Bergs Buch - das innere "Ich"?; vielleicht, aber mit ziemlich viel von "Ihm" -, und es wird gewiß gekauft und gern gelesen werden, weil Hepburn eine gute Erzählerin und ihre Stimme nicht allzu schwer nachzuahmen war. Doch diese Memoiren wurden zur selben Zeit begonnen, in der auch "Me" entstand, was wohl kaum ein freundlicher Akt gegenüber dem Verlag war, der für ihre Autobiographie bezahlt hatte. Wie viele Ichs, wie viele frische und offenherzige Bekenntnisse muß es noch geben, bevor wir begreifen, daß diese großartige Geschichtenerzählerin und kühle, aber strahlende Träumerin nie mit der Wahrheit herausgerückt wäre?
"Kate Remembered" fügt "Me" nichts von Belang hinzu. Wir erfahren nicht, ob die Hepburn nun bisexuell oder lesbisch war. Ist das zu intim? Wenn ja, was soll dann das ganze Gefasel vom "Warten auf den Tod"? Warum sollten ernsthafte Liebesbeziehungen welcher Art auch immer so geheim sein? Gibt es da womöglich noch Tagebücher - das wahre innere Heiligtum -, in denen sie die ganzen alten Geschichten noch einmal erzählt?
Sie und er
Mich erinnert sie ein wenig an Agnes Mooreheads Tante Fanny in Orson Welles Film "The Magnificent Ambersons": eine alternde Jungfer in einem Haus voller Männer, denen sie zu sein versucht, was sie von ihr erwarten: Schwester und Kumpel. Hepburn hatte in ihrem Leben ein Faible für mächtige, erfolgreiche Männer, die innerlich leer gewesen sein mögen: John Ford, Howard Hughes, Louis B. Mayer, John Huston, Spencer Tracy. Sie war der Wildfang, der sie necken konnte, der mit ihnen auf die Jagd ging, sie nach Hause brachte, wenn sie betrunken waren, und sie wegschob, wenn sie sie küssen wollten.
So gesehen, ist es ein trauriges Leben, und ich vermute, Hepburn war zu tapfer, um sich eines einzugestehen: daß da eine Art tragischer Einsamkeit war, eine Kälte, die sich nicht einfach abschütteln ließ. Es gibt das Wrack einer verlassenen Frau in "Eines langen Tages Reise in die Nacht", einer jener seltenen Momente, in denen sie das harte Licht einer mitleidlosen Story auf ihr ungeschütztes Selbst fallen ließ. Man sieht ihre Manierismen verblühen wie die Träume eines jungen Mädchens. Doch sobald man sie mit Tante Fanny vergleicht, muß man sich eingestehen: Sie wäre nie so gut, so einfach oder so ohne schützendes Ego gewesen wie Agnes Moorehead.
Es mag sein, daß Amerika nicht ohne Legenden existieren kann. Und womöglich hat das amerikanische Kino uns nichts Wirkungsvolleres (und Gefährlicheres) hinterlassen als die Bereitschaft, all diese Dinge zu schlucken - als Gegenbild zur Wahrheit. Doch große Schauspielerinnen und noble Charaktere lehren uns, auf härteren Herausforderungen zu bestehen. Katharine Hepburns Karriere war bedeutend, und es gibt kleine Wunder in ihr wie "Leoparden küßt man nicht", in dem ihre Egomanie blühen darf, oder wie "Holiday", in dem sie das perfekte Beispiel einer Schönheit ist, die ein Leben lang in einem schwierigen, unangenehmen Charakter hausen muß. Doch im Leben war sie zu oft zu entschlossen, unsere lustige Tante zu sein, über die wir Geschichten erzählen und dabei vergessen, daß sie in einem einsamen Zimmer in einem kalten Winkel des großen Hauses wohnt.
David Thomson ist einer der renommiertesten angelsächsischen Filmpublizisten. Der gebürtige Brite lebt in San Francisco und hat neben dem "Biographical Dictionary of Film" vielgelobte Biographien über Marlon Brando, Orson Welles und David O. Selznick geschrieben. Peter Körte übersetzte seinen Text aus dem Englischen.
"Kate Remembered" erscheint unter dem deutschen Titel "Katharine Hepburn. Ein Jahrhundertleben" am 4. August im Münchener Karl Blessing Verlag (384 S., 21 Euro).
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Ich, das fragt, wo der Spiegel ist: Was steht wirklich drin in der spektakulären Biographie? / Von David Thomson
Am 29. Juni starb Katharine Hepburn im Alter von 96 Jahren. Zwölf Tage später lag A. Scott Bergs Buch "Kate Remembered" bereits in amerikanischen Buchhandlungen - die schnellste postume Biographie, die je erschienen ist, und ein Coup, dessen perfektes Timing Verlag, Autor und Hepburn selbst von langer Hand geplant hatten.
Bevor sich eine gepanzerte Heiligenrüstung um Katharine Hepburn legt und sie gegen alle gewöhnliche Kritik immunisiert, möchte ich ein kurzes, freundliches Plädoyer für die Schauspielerin, Karrierefrau und überzeugte Berühmtheit, um nicht zu sagen: hartnäckige Märchenerzählerin, halten - gegen jene feine Yankee-Version einer unnachgiebigen Aufrichtigen, die nur daran interessiert war, "natürlich" zu sein, und dennoch irgendwie in fast fünfzig Filme und zwölf Oscar-Nominierungen stolperte. Das geschah nicht zufällig. Sie war daran intensiv beteiligt, sie war sehr scharfsinnig und hatte einen großartigen Auftritt.
Nichts belegt ihren Auftritt besser als die Veröffentlichung von A. Scott Bergs seltsamem, nicht sehr hilfreichem, aber gänzlich legendenfreundlichem Memoirenbuch "Kate Remembered" nur ein paar Tage nach ihrem Tod. In einem Radiointerview erklärte Berg, er habe das Gefühl, Hepburn so am besten gedient zu haben, weil es am angemessensten war, sein Buch, obwohl es auf ihren Tod warten mußte, "im Augenblick ihres Todes" erscheinen zu lassen. Warum?, könnte man fragen. Berg wurde nicht gefragt. Aber wir kennen die Antwort: um das Buch am wirkungsvollsten zu verkaufen und über all jene Nachrufe zu erheben, in denen ein eher kritischer Konsens überwiegen würde. Dieses Timing nennt man in politischen Kreisen "Spin" oder, um eine Lektion zu zitieren, die Hepburn von John Ford gelernt haben könnte, einem jener toughen, unverschämten Männer, die sie so schätzte: "Wenn die Legende zum Faktum wird, druck die Legende!"
Dichtung und Wahrheit
Bergs eigener Auskunft nach war er mit Katharine Hepburn in den letzten zwanzig Jahren ihres Lebens befreundet. Manchmal glaubte er, sie offeriere ihm Material für einen Hollywoodroman. Dann wieder hatte er das Gefühl, so etwas wie das Kind zu sein, das sie nie hatte. Das sind ziemlich viele Rollen für einen Autor. Berg rannte nach jedem Treffen mit ihr los, um sich zu notieren, was sie ihm erzählt hatte. Hat Hepburn das bemerkt? Hat sie gewußt, daß ein Buch wie dieses dabei herauskommen würde? Ja, sagt Berg, das glaube er, er sei sich sogar ganz sicher. Und ich bin ziemlich überzeugt, daß sie selten etwas gesagt hat, das nicht der Festigung ihres Selbstbildes diente. Wir müssen wohl Bergs Version der Entstehungsgeschichte hinnehmen. Wir müssen ihm trauen, daß er keinen Hollywoodroman geschrieben hat.
Um kein Mißverständnis entstehen zu lassen: Ich schätze die Legende der Katharine Hepburn, und ich habe ihre Auftritte auf der Leinwand zumeist geliebt, auch wenn es maßlos übertrieben ist, wie Berg zu behaupten, es sei die großartigste Schauspielerkarriere des 20. Jahrhunderts. War sie nun Schauspielerin oder Star? Wohl eher letzteres. Mir scheint es daher am sinnvollsten, in Katharine Hepburn die lebenslange Behauptung jener Persönlichkeit zu sehen, die sie sein wollte: mutig, unabhängig, schwer in Ordnung, liberal, smart, ein bißchen einzelgängerisch, die neue Frau und zugleich auch die alte New-England-Frau. Am interessantesten allerdings ist - und darin besteht die wirkliche Hochachtung für ihre Ausdauer und List -, daß sie sich zu einer Zeit, als sie keinem anderen Hollywoodstar glich, und trotz der ersten Reaktion des Publikums, das sie nicht mochte, durchsetzte.
An dem einen Tag, den ich mit ihr verbringen konnte, fand ich diesen Weg faszinierend und bewundernswert. Doch ich glaube, sie war immer ein glänzendes Selbst, ein gewaltiges "Ich", das sich fragte, wo der Spiegel und die Kameras waren. Ein paar Beispiele: Im Alter liebte sie es, den Eindruck zu vermitteln, sie habe die Idee, Scarlett O'Hara in "Vom Winde verweht" zu spielen, nie ernst genommen; sie und das Mädchen aus Tara seien hoffnungslos unpassend füreinander gewesen. Am Ende kam der Produzent David O. Selznick zu demselben Schluß, doch Katharine Hepburn war, wie Aufzeichnungen belegen, ganz scharf auf diese Glanzrolle gewesen. Und sie beschäftigte keinen anderen als Howard Hughes als eine Art Agenten, als geschäftlichen und juristischen Berater in ihrer Kampagne. Ein Vertrag für die Rolle war bereits aufgesetzt. Als Hepburn sie nicht bekam, revidierte sie die ganze Geschichte und lachte fröhlich über die bloße Vorstellung. Das ist typisch Hollywood.
Ihre sorgfältig geplante Wahl der "Philadelphia Story" als Projekt, das ihr Image verändern sollte, zeigte ihren natürlichen Instinkt dafür, wie das Showgeschäft funktioniert. Erneut stand ihr Hughes zur Seite, um das Unternehmen vom Papier auf die Bühne und schließlich auf die Leinwand zu bringen. Und ich glaube, es war für ihre Karriere sehr wichtig, daß Tracy Lord, die Heldin des Films, eine kalte, hochmütige Prinzessin ist (was gar nicht so weit von Hepburns Ruf als Kassengift in den dreißiger Jahren entfernt war), die von den Umständen gedemütigt wird, die aber auftaut und beginnt, sich natürlich zu benehmen.
Zart und hart
Doch es gibt auch heikle Punkte. Obwohl es überall so dargestellt wird, hat sie keineswegs 27 Jahre lang mit Spencer Tracy "zusammengelebt". Es gab Zärtlichkeit und Zuwendung zwischen ihnen, es gab einige wunderbare Filme, in denen zumeist die eiserne Kate Spencers Sentimentalität und männlicher Torheit nachgab. Aber es gab auch andere, hitzige Verwicklungen. Tracy behandelte sie mitunter brutal, nicht zuletzt während seiner Affäre mit Gene Tierney. "Kate Remembered" ist in diesem bedeutsamen Punkt keine Hilfe, doch ich vermute mal, daß Hepburn generell nicht gerne Sex mit jemandem hatte. Da ist eine Art Selbstbewunderung, die das töricht erscheinen ließe.
Das führt zugleich zu "Me", ihrer Autobiographie (dt.: ",Ich'. Geschichten meines Lebens"), die 1991 bei Knopf erschien (auch mein Verlag, muß ich hinzufügen). Die Details sind nicht wichtig, aber der Vertrag war ein enormer Deal - vermutlich die höchste Gage in Hepburns Karriere. Ich glaube, jeder anständige New-England-Charakter ist bei einem solchen Deal fest davon ausgegangen, daß sie alles erzählen würde (zumindest alles, was sie zu erzählen bereit war). Nun kommt Bergs Buch - das innere "Ich"?; vielleicht, aber mit ziemlich viel von "Ihm" -, und es wird gewiß gekauft und gern gelesen werden, weil Hepburn eine gute Erzählerin und ihre Stimme nicht allzu schwer nachzuahmen war. Doch diese Memoiren wurden zur selben Zeit begonnen, in der auch "Me" entstand, was wohl kaum ein freundlicher Akt gegenüber dem Verlag war, der für ihre Autobiographie bezahlt hatte. Wie viele Ichs, wie viele frische und offenherzige Bekenntnisse muß es noch geben, bevor wir begreifen, daß diese großartige Geschichtenerzählerin und kühle, aber strahlende Träumerin nie mit der Wahrheit herausgerückt wäre?
"Kate Remembered" fügt "Me" nichts von Belang hinzu. Wir erfahren nicht, ob die Hepburn nun bisexuell oder lesbisch war. Ist das zu intim? Wenn ja, was soll dann das ganze Gefasel vom "Warten auf den Tod"? Warum sollten ernsthafte Liebesbeziehungen welcher Art auch immer so geheim sein? Gibt es da womöglich noch Tagebücher - das wahre innere Heiligtum -, in denen sie die ganzen alten Geschichten noch einmal erzählt?
Sie und er
Mich erinnert sie ein wenig an Agnes Mooreheads Tante Fanny in Orson Welles Film "The Magnificent Ambersons": eine alternde Jungfer in einem Haus voller Männer, denen sie zu sein versucht, was sie von ihr erwarten: Schwester und Kumpel. Hepburn hatte in ihrem Leben ein Faible für mächtige, erfolgreiche Männer, die innerlich leer gewesen sein mögen: John Ford, Howard Hughes, Louis B. Mayer, John Huston, Spencer Tracy. Sie war der Wildfang, der sie necken konnte, der mit ihnen auf die Jagd ging, sie nach Hause brachte, wenn sie betrunken waren, und sie wegschob, wenn sie sie küssen wollten.
So gesehen, ist es ein trauriges Leben, und ich vermute, Hepburn war zu tapfer, um sich eines einzugestehen: daß da eine Art tragischer Einsamkeit war, eine Kälte, die sich nicht einfach abschütteln ließ. Es gibt das Wrack einer verlassenen Frau in "Eines langen Tages Reise in die Nacht", einer jener seltenen Momente, in denen sie das harte Licht einer mitleidlosen Story auf ihr ungeschütztes Selbst fallen ließ. Man sieht ihre Manierismen verblühen wie die Träume eines jungen Mädchens. Doch sobald man sie mit Tante Fanny vergleicht, muß man sich eingestehen: Sie wäre nie so gut, so einfach oder so ohne schützendes Ego gewesen wie Agnes Moorehead.
Es mag sein, daß Amerika nicht ohne Legenden existieren kann. Und womöglich hat das amerikanische Kino uns nichts Wirkungsvolleres (und Gefährlicheres) hinterlassen als die Bereitschaft, all diese Dinge zu schlucken - als Gegenbild zur Wahrheit. Doch große Schauspielerinnen und noble Charaktere lehren uns, auf härteren Herausforderungen zu bestehen. Katharine Hepburns Karriere war bedeutend, und es gibt kleine Wunder in ihr wie "Leoparden küßt man nicht", in dem ihre Egomanie blühen darf, oder wie "Holiday", in dem sie das perfekte Beispiel einer Schönheit ist, die ein Leben lang in einem schwierigen, unangenehmen Charakter hausen muß. Doch im Leben war sie zu oft zu entschlossen, unsere lustige Tante zu sein, über die wir Geschichten erzählen und dabei vergessen, daß sie in einem einsamen Zimmer in einem kalten Winkel des großen Hauses wohnt.
David Thomson ist einer der renommiertesten angelsächsischen Filmpublizisten. Der gebürtige Brite lebt in San Francisco und hat neben dem "Biographical Dictionary of Film" vielgelobte Biographien über Marlon Brando, Orson Welles und David O. Selznick geschrieben. Peter Körte übersetzte seinen Text aus dem Englischen.
"Kate Remembered" erscheint unter dem deutschen Titel "Katharine Hepburn. Ein Jahrhundertleben" am 4. August im Münchener Karl Blessing Verlag (384 S., 21 Euro).
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