Dr. Karl Biesendahl widmet sich den technischen Details der damaligen Fahrräder und beschreibt die gesellschaftliche Entwicklung rund um das Phänomen Fahrradsport. Damals völlig neu: Das Radfahren der Damen Die Kleidung des Radfahrers Die Toilette der Radfahrerin Viele im Buch verwendete „Stilblüten“ geben Einblick in eine längst vergangene Zeit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2018Radeln 1897
Fahrradbücher als Reprint
Alles schon mal dagewesen - von kaum einem anderen Gebiet der Technik wird dies so häufig behauptet wie vom Fahrrad. Und es stimmt sogar. Ob es die trickreiche Überwindung des Totpunkts am Kurbelantrieb ist, die Kardanwelle oder eine große Ladefläche vor dem Fahrer: Vieles von dem, was es schon vor 100 Jahren gab, ist seitdem wiedergekommen, manches sogar nicht nur einmal. Diese Tatsache macht die Lektüre alter Literatur so unterhaltsam wie anregend. Den Band zum Fahrradhilfsmotor liest man heute mit Blick aufs Elektrofahrrad, auch wenn die in dem Buch aus den Goldenen Zwanzigern diskutierten Motoren Verbrenner sind. Aber wo und wie die zusätzliche Technik untergebracht wurde, das lässt schon Vergleiche mit der Elektrifizierung zu. Bei der blieben uns glücklicherweise etliche Konstruktionen erspart, die sich schon mit Vergaser und Auspuff nicht durchsetzen konnten. Da die vielfach völlig zu Recht ausgestorbenen Varianten einzeln und ausführlich vorgestellt werden, wirft der Leser von heute zugleich einen Blick auf die Vielzahl von deutschen Herstellern, die längst verschwunden sind. Fein, dass das Reprint auch ihre alten Werbeanzeigen enthält. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, etwa mit dem "Oberurseler Gnom" unterwegs zu sein, dem Einbaumotor, der angeblich in jedes Fahrrad passte. Und "zehnprozentige Steigungen ohne Mittreten zu nehmen", welches Pedelec kann das von sich behaupten? Eher nostalgisches Vergnügen bereitet der Katechismus vom Ende des vorletzten Jahrhunderts, als die Dame den Fahrradsport noch im knöchellangen weißen Sommerkleid ausübte. Bei dieser Lektüre ist man noch etwas häufiger froh darüber, was einem die Fahrradwelt heute alles erspart, auch wenn manch guter Rat des Buchs bis heute Beherzigung verdient: "Der Hauptwert (des Fahrrads) liegt aber nicht in der Prüfung aller Einzelteile, sondern die Hauptsache ist und bleibt, dass die Maschine aus einer guten Fabrik stammt." Wer sich an solchen Tipps freuen will, muss Frakturschrift flüssig lesen können. Der Verlag Johann Kleine Vennekate in Lemgo, dessen Schwerpunkt Literatur zu historischen Motorrädern ist, hat noch einige weitere schöne alte Titel zum Fahrrad als Nachdrucke im Angebot.
HANS-HEINRICH PARDEY
Der Fahrradhilfsmotor - seine Konstruktion und Anwendung. Von Curt Hanfland. 264 Seiten, mit zahlreichen Illustrationen und antiquarischen Anzeigen, Nachdruck der Ausgabe von 1921.
Katechismus des Radfahrsports. Von Karl Biesendahl. 266 Seiten mit über 100 Abbildungen, Nachdruck der Ausgabe von 1897. Beide Bücher in der Reihe "Altes Wissen" bei Johann Kleine Vennekate, Lemgo, für 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fahrradbücher als Reprint
Alles schon mal dagewesen - von kaum einem anderen Gebiet der Technik wird dies so häufig behauptet wie vom Fahrrad. Und es stimmt sogar. Ob es die trickreiche Überwindung des Totpunkts am Kurbelantrieb ist, die Kardanwelle oder eine große Ladefläche vor dem Fahrer: Vieles von dem, was es schon vor 100 Jahren gab, ist seitdem wiedergekommen, manches sogar nicht nur einmal. Diese Tatsache macht die Lektüre alter Literatur so unterhaltsam wie anregend. Den Band zum Fahrradhilfsmotor liest man heute mit Blick aufs Elektrofahrrad, auch wenn die in dem Buch aus den Goldenen Zwanzigern diskutierten Motoren Verbrenner sind. Aber wo und wie die zusätzliche Technik untergebracht wurde, das lässt schon Vergleiche mit der Elektrifizierung zu. Bei der blieben uns glücklicherweise etliche Konstruktionen erspart, die sich schon mit Vergaser und Auspuff nicht durchsetzen konnten. Da die vielfach völlig zu Recht ausgestorbenen Varianten einzeln und ausführlich vorgestellt werden, wirft der Leser von heute zugleich einen Blick auf die Vielzahl von deutschen Herstellern, die längst verschwunden sind. Fein, dass das Reprint auch ihre alten Werbeanzeigen enthält. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, etwa mit dem "Oberurseler Gnom" unterwegs zu sein, dem Einbaumotor, der angeblich in jedes Fahrrad passte. Und "zehnprozentige Steigungen ohne Mittreten zu nehmen", welches Pedelec kann das von sich behaupten? Eher nostalgisches Vergnügen bereitet der Katechismus vom Ende des vorletzten Jahrhunderts, als die Dame den Fahrradsport noch im knöchellangen weißen Sommerkleid ausübte. Bei dieser Lektüre ist man noch etwas häufiger froh darüber, was einem die Fahrradwelt heute alles erspart, auch wenn manch guter Rat des Buchs bis heute Beherzigung verdient: "Der Hauptwert (des Fahrrads) liegt aber nicht in der Prüfung aller Einzelteile, sondern die Hauptsache ist und bleibt, dass die Maschine aus einer guten Fabrik stammt." Wer sich an solchen Tipps freuen will, muss Frakturschrift flüssig lesen können. Der Verlag Johann Kleine Vennekate in Lemgo, dessen Schwerpunkt Literatur zu historischen Motorrädern ist, hat noch einige weitere schöne alte Titel zum Fahrrad als Nachdrucke im Angebot.
HANS-HEINRICH PARDEY
Der Fahrradhilfsmotor - seine Konstruktion und Anwendung. Von Curt Hanfland. 264 Seiten, mit zahlreichen Illustrationen und antiquarischen Anzeigen, Nachdruck der Ausgabe von 1921.
Katechismus des Radfahrsports. Von Karl Biesendahl. 266 Seiten mit über 100 Abbildungen, Nachdruck der Ausgabe von 1897. Beide Bücher in der Reihe "Altes Wissen" bei Johann Kleine Vennekate, Lemgo, für 25 Euro.
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