Liebe, Sünde, Leidenschaft - die Geschichte einer jungen Frau zur Zeit des Siebenjährigen Krieges.
Schicksalhaft verknüpfen sich die Lebenswege dreier Menschen des 18. Jahrhunderts: Katharina, Tochter des krainischen Gutsverwalters Poljanec, schließt sich den Wallfahrern an, um dumpfer Bigotterie und unerfülltem Begehren zu entfliehen; sie begegnet der großen Liebe, wird dennoch zur Offiziershure. Der Pfau, krainischer Artilleriehauptmann, der im österreichisch-preußischen Krieg um Schlesien in der Armee Maria Theresias dient, stolziert unter ihrem Fenster auf dem Gutshof umher, würdigt sie keines Blickes und erzählt von nie geschlagenen Schlachten. Der Jesuit, ein slowenischer Missionar, hat die gewaltsame Vertreibung der Jesuiten aus Paraguay erlebt. Wieder in Europa, schließt er sich den Köln-Pilgern an und prägt fortan Katharinas Lebensweg.
Wechselnde Schauplätze - Salzburg, Landshut, Münster, Köln und Tutzing -, historische Ereignisse - mit der Schlacht von Leuthenals Höhepunkt - sowie eine Fülle von Nebenfiguren und lebensvollen Handlungen bilden ein spannendes Epochengemälde an der Schwelle vom Barock zur Aufklärung.
Schicksalhaft verknüpfen sich die Lebenswege dreier Menschen des 18. Jahrhunderts: Katharina, Tochter des krainischen Gutsverwalters Poljanec, schließt sich den Wallfahrern an, um dumpfer Bigotterie und unerfülltem Begehren zu entfliehen; sie begegnet der großen Liebe, wird dennoch zur Offiziershure. Der Pfau, krainischer Artilleriehauptmann, der im österreichisch-preußischen Krieg um Schlesien in der Armee Maria Theresias dient, stolziert unter ihrem Fenster auf dem Gutshof umher, würdigt sie keines Blickes und erzählt von nie geschlagenen Schlachten. Der Jesuit, ein slowenischer Missionar, hat die gewaltsame Vertreibung der Jesuiten aus Paraguay erlebt. Wieder in Europa, schließt er sich den Köln-Pilgern an und prägt fortan Katharinas Lebensweg.
Wechselnde Schauplätze - Salzburg, Landshut, Münster, Köln und Tutzing -, historische Ereignisse - mit der Schlacht von Leuthenals Höhepunkt - sowie eine Fülle von Nebenfiguren und lebensvollen Handlungen bilden ein spannendes Epochengemälde an der Schwelle vom Barock zur Aufklärung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2008Halbgötter im Reich von Marschall Tito
Zwei Romane des Slowenen Drago Jancar: Der eine erzählt vom falschen Ton der Freiheit und dem Glauben an den neuen Menschen, der andere verhebt sich an einer alten Pilgergeschichte.
Laut Reiseführer "Lonely Planet" befindet sich "the hippest hostel in the world" in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana und ist - darin besteht offenbar der Hip - ein von jungen Künstlern umgestaltetes ehemaliges Gefängnis, das, noch aus den Tagen der österreichisch-ungarischen Monarchie, bis zum Zerfall Jugoslawiens seinen traurigen Dienst tat. Heute vergnügt sich eine internationale Touristengemeinde in dem als "Space of Freedom" umbenannten Gemäuer; die Fenster sind aus atmosphärischen Gründen noch immer vergittert, die Rezeption ist von Uniformierten besetzt, Lenin hängt über dem Tresen, und Titos Geist spukt in den zu Hotelzimmern umfunktionierten Zellen. Vermutlich aber wird auch der bald vom Rauch der trendigen Wasserpfeifen und dem Klang der Jam Sessions vertrieben.
Drago Jancar, der bekannteste slowenische Autor der Gegenwart, wird zu dieser Art "reality tourism" seine eigene Meinung haben. Das Wort "hip" wird ihm beim Anblick eines Gefängnisses kaum über die Lippen kommen. Für seinen in der Mythen-Reihe des Berlin Verlages erschienenen Roman "Der Wandler der Welt", eine Parabel über die perfide Eigendynamik der kommunistischen Diktatur, konnte er auf eigene Erfahrungen mit der Unfreiheit zurückgreifen.
Als junger Autor wurde er 1974 wegen vermeintlicher Feindpropaganda in seiner Heimatstadt Maribor ausgerechnet in jenem Gefängnis inhaftiert, in dem schon sein Vater während der deutschen Okkupation festgehalten worden war. Jancar weiß um die "prämortale Angst" der Gefangenen und um die "stinkenden kalten Schweißtropfen des Todesgrauens". Er erinnert uns in einer Zeit, in der imperiale Nostalgie in Jugoslawien wieder Konjunktur hat, daran, dass unter Tito ganze Adriainseln zu Konzentrationslagern mutierten. Jancar erzählt den real existierenden Sozialismus der Tito-Ära als mythologisches Märchen, wofür Revolutionen und Diktaturen von Natur aus bestens prädestiniert sind, vor allem solche, in denen die revolutionären Väter die eigenen Kinder fressen. Zornige Götter, Helden, Opfer - der Kommunismus hatte von allem reichlich, friedliche Revolten muten dagegen an wie historische Weichspülgänge.
Der Baumeister Dädalus, wir erinnern uns, landet nach der griechischen Sage in ebenjenem Labyrinth, das er für König Minos auf Kreta entworfen hatte, um das Ungeheuer Minotaurus zu bezwingen. Dem Künstler Pavel Areh in Jancars Roman ergeht es ähnlich, nur dass er nicht mit selbstgebauten Flügeln zu entkommen vermag. Seine Lebensgeschichte berichtet er am Ende der "großen Zeit", wie es etwas pathetisch im Roman heißt, einem jüngeren Journalisten und Ich-Erzähler, der sie gewissermaßen als historisches Vermächtnis an eine Nachwelt übergibt. Die Erzählperspektive changiert zwischen diesen beiden Männern, und zuweilen ist nicht ganz klar, wer erzählt und wo sich die auktoriale Stimme einschaltet.
Pavel ist Bildhauer und Architekt, ein Freigeist, Don Juan und kommunistischer Patriot zugleich, der, wie viele aus seiner in den dreißiger Jahren geborenen Generation, daran geglaubt hatte, dass die Menschen den Himmel stürmen und die Götter auf die Erde stürzen würden. Von seinem Freund Marek, einem Kampfgefährten aus den Kindertagen der jugoslawischen Revolution, der nach dem Siegeszug des Marschalls ganz nach oben aufgestiegen war, erhielt er in den sechziger Jahren überraschend einen heiklen Auftrag: Er sollte ein Gefängnis am Berg entwerfen, das später, wenn sich auch der letzte Systemgegner gebeugt haben würde, in ein friedliches Sanatorium oder Sportzentrum umgewandelt werden könne. Die "Lonely Planet"-Version war damals noch keine Option.
Alles lief nach Plan, bis der poröse Gebirgsuntergrund nachgab. Pavel hatte wie seine Auftraggeber die natürlichen Gegebenheiten einfach missachtet, die Mahnungen des Ingenieurs überhört. Im Ergebnis landeten Ingenieur und Baumeister in ihrem Labyrinth, das sich aus der Perspektive der Gefangenen alles andere als komfortabel erwies, weil schallisolierte Wände keinen Kontakt zu Mitgefangenen und indirektes Licht keinen Sonnenstrahl zuließen. Als bissig-desillusionierter Großinquisitor und Diskussionspartner über revolutionäre Loyalität und Opportunismus tauchte Marek hin und wieder im Gefängnis auf, zum Schachspiel und um Pavel zu versichern, dass es sich bei seiner Verhaftung um keinen Zufall, sondern um die Gesetze der Macht handelte. Weder die vom Geheimdienst arrangierten Tête-à-têtes mit einer weiblichen Gefangenen seien ein Anlass gewesen, noch die Frage nach Schuld oder Unschuld bei den Baufehlern. Nach Jahren kam Pavel frei, arrangierte sich bescheiden im Beruf und mit einer neuen Muse an der Seite, ohne die große Wende des Jahres 1989 zu erleben.
Um Aufklärung über die Greuel der Tito-Diktatur geht es in diesem ebenso nachdenklichen wie spannenden Buch nur am Rande. Jancars Mythosbearbeitung ist vielmehr eine Hommage an jene, die an die aus heutiger Sicht geradezu irrwitzige Idee vom neuen Menschen geglaubt haben, an jene gerechten und zuweilen auch selbstgerechten Weltverbesserer, die "die Götter mit besonderer Blindheit" schlagen; sie ist aber auch ein Abgesang an die "Kolkraben von Pavels Sorte" und an die Großinquisitoren vom Schlage Mareks. Die Euphorie des historischen Neubeginns kontert der Autor mit Skepsis und einem gehörigen Schuss Fatalismus: Die Freiheit, so lässt er seinen Helden sinnieren, werde nie zu singen wissen, wie die Sklaven von ihr sagen.
Von der Freiheit träumt auch eine junge krainische Frau und begibt sich ganz gegen die Konvention mitten im achtzehnten Jahrhundert allein auf eine Pilgerreise, die sie über die Alpen bis nach Köln führen soll. Die Protagonistin aus Jancars historischem Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" findet ihr Dasein als Tochter eines Gutsverwalters, für die sich kein geeigneter Freier finden will, wenig erbaulich. Der eitle Neffe des Gutsbesitzers Windisch, ein Pfau eben, will nicht anbeißen, und so hat sie kurz vor dem vierten Lebensjahrzehnt nichts, nicht einmal mehr die Unschuld, zu verlieren, die ihr ein anonymer nächtlicher Besucher nicht gerade gegen ihren Willen raubte. Am abendlichen Pilger-Feuer verliebt sie sich in dunkel umschattete Augen, die einem Jesuiten gehören, der von den jesuitischen Reduktionen in Paraguay, quasi einem Kirchenstaat, durch heranrückende Portugiesen vertrieben wurde. Ihn verfolgen nicht nur Erinnerungen an grausame Massaker, die einem Völkermord an den Guaraní-Indianern gleichkamen, sondern auch Zweifel am Glauben und an der eigenen Mission. Ihrer beider Liebe steht, wie man sich denken kann, unter keinem guten Stern. Sie ist nicht nur gegen das Gesetz der Kirche, sie gerät auch in die Wirren des Siebenjährigen Krieges, in dem Katharina zur Soldatenhure ebenjenes Windisch-Pfaus wird, der als Hauptmann im Dienst der österreichischen Armee steht. Am Ende kommt es im verwüsteten Süden Deutschlands zum Duell zwischen den ungleichen Rivalen, bei dem der Pfau, der nach einer ihn entstellenden Kriegsverletzung nur noch ein Schatten seiner selbst ist, kaum Chancen hat. Zum Happy End wird es freilich nicht kommen. Die Angst vor der Freiheit siegt über die Liebe. Aus den Fegefeuern des Lebens und der Geschichte wird allein Katharina aufrecht hervorgehen.
Diese mit allerlei süffisanten sexuellen Details gespickte Dreiecksgeschichte aus einer Zeit, in der alles Ständische und Stehende zu verdampfen begann und Europa sich in ein imperiales und industrielles Zeitalter aufmachte, hätte ein großartiger historischer Roman werden können. Jancar jedoch beschränkt sich auf fast fünfhundert Seiten vor allem auf die Dreiecksgeschichte, die sich so zäh dahinschleppt wie der Pilgerzug. Die Figuren bleiben darin holzschnittartig, die Szenerie ist blass. Am eindrucksvollsten lesen sich noch die Passagen über die Vertreibung der Jesuiten aus Paraguay. Für den großen Historienroman fehlt das Panorama, für das amouröse Kammerspiel mangelt es den Protagonisten an Fleisch und Blut. Das historische Inferno am Ende des Barock, Säkularisierung, ideologisch-klerikale Bigotterie, der Kampf mit dem hergebrachten Glauben und um das neue, selbstbestimmte Ich - das alles geht im ausladenden, aber eben nicht barocken Erzählen unter.
Jancars historisches Fazit mag pädagogisch und banal klingen, man kann es beliebig auf alle Epochen und Nationen übertragen; es könnte sogar im hippen Hostel an der Pinnwand stehen - falsch ist es deshalb nicht. "Wenn Halbgötter und Götter auf die Erde niedersteigen, gibt es neben Begeisterung immer auch Angst, Brennnesselsuppe und ein Messer in der Brust. Und für jeden eine Mauer im Gefängnis."
SABINE BERKING.
Drago Jancar: "Der Wandler der Welt". Der Mythos von Dädalus. Roman. Aus dem Slowenischen übersetzt von Klaus Detlef Olof. Berlin Verlag, Berlin 2007. 170 S., geb., 19,90 [Euro].
Drago Jancar: "Katharina, der Pfau und der Jesuit". Historischer Roman. Aus dem Slowenischen übersetzt von Klaus Detlef Olof. Folio Verlag, Wien und Bozen 2007. 470 S., geb., 24,90 [Euro].
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Zwei Romane des Slowenen Drago Jancar: Der eine erzählt vom falschen Ton der Freiheit und dem Glauben an den neuen Menschen, der andere verhebt sich an einer alten Pilgergeschichte.
Laut Reiseführer "Lonely Planet" befindet sich "the hippest hostel in the world" in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana und ist - darin besteht offenbar der Hip - ein von jungen Künstlern umgestaltetes ehemaliges Gefängnis, das, noch aus den Tagen der österreichisch-ungarischen Monarchie, bis zum Zerfall Jugoslawiens seinen traurigen Dienst tat. Heute vergnügt sich eine internationale Touristengemeinde in dem als "Space of Freedom" umbenannten Gemäuer; die Fenster sind aus atmosphärischen Gründen noch immer vergittert, die Rezeption ist von Uniformierten besetzt, Lenin hängt über dem Tresen, und Titos Geist spukt in den zu Hotelzimmern umfunktionierten Zellen. Vermutlich aber wird auch der bald vom Rauch der trendigen Wasserpfeifen und dem Klang der Jam Sessions vertrieben.
Drago Jancar, der bekannteste slowenische Autor der Gegenwart, wird zu dieser Art "reality tourism" seine eigene Meinung haben. Das Wort "hip" wird ihm beim Anblick eines Gefängnisses kaum über die Lippen kommen. Für seinen in der Mythen-Reihe des Berlin Verlages erschienenen Roman "Der Wandler der Welt", eine Parabel über die perfide Eigendynamik der kommunistischen Diktatur, konnte er auf eigene Erfahrungen mit der Unfreiheit zurückgreifen.
Als junger Autor wurde er 1974 wegen vermeintlicher Feindpropaganda in seiner Heimatstadt Maribor ausgerechnet in jenem Gefängnis inhaftiert, in dem schon sein Vater während der deutschen Okkupation festgehalten worden war. Jancar weiß um die "prämortale Angst" der Gefangenen und um die "stinkenden kalten Schweißtropfen des Todesgrauens". Er erinnert uns in einer Zeit, in der imperiale Nostalgie in Jugoslawien wieder Konjunktur hat, daran, dass unter Tito ganze Adriainseln zu Konzentrationslagern mutierten. Jancar erzählt den real existierenden Sozialismus der Tito-Ära als mythologisches Märchen, wofür Revolutionen und Diktaturen von Natur aus bestens prädestiniert sind, vor allem solche, in denen die revolutionären Väter die eigenen Kinder fressen. Zornige Götter, Helden, Opfer - der Kommunismus hatte von allem reichlich, friedliche Revolten muten dagegen an wie historische Weichspülgänge.
Der Baumeister Dädalus, wir erinnern uns, landet nach der griechischen Sage in ebenjenem Labyrinth, das er für König Minos auf Kreta entworfen hatte, um das Ungeheuer Minotaurus zu bezwingen. Dem Künstler Pavel Areh in Jancars Roman ergeht es ähnlich, nur dass er nicht mit selbstgebauten Flügeln zu entkommen vermag. Seine Lebensgeschichte berichtet er am Ende der "großen Zeit", wie es etwas pathetisch im Roman heißt, einem jüngeren Journalisten und Ich-Erzähler, der sie gewissermaßen als historisches Vermächtnis an eine Nachwelt übergibt. Die Erzählperspektive changiert zwischen diesen beiden Männern, und zuweilen ist nicht ganz klar, wer erzählt und wo sich die auktoriale Stimme einschaltet.
Pavel ist Bildhauer und Architekt, ein Freigeist, Don Juan und kommunistischer Patriot zugleich, der, wie viele aus seiner in den dreißiger Jahren geborenen Generation, daran geglaubt hatte, dass die Menschen den Himmel stürmen und die Götter auf die Erde stürzen würden. Von seinem Freund Marek, einem Kampfgefährten aus den Kindertagen der jugoslawischen Revolution, der nach dem Siegeszug des Marschalls ganz nach oben aufgestiegen war, erhielt er in den sechziger Jahren überraschend einen heiklen Auftrag: Er sollte ein Gefängnis am Berg entwerfen, das später, wenn sich auch der letzte Systemgegner gebeugt haben würde, in ein friedliches Sanatorium oder Sportzentrum umgewandelt werden könne. Die "Lonely Planet"-Version war damals noch keine Option.
Alles lief nach Plan, bis der poröse Gebirgsuntergrund nachgab. Pavel hatte wie seine Auftraggeber die natürlichen Gegebenheiten einfach missachtet, die Mahnungen des Ingenieurs überhört. Im Ergebnis landeten Ingenieur und Baumeister in ihrem Labyrinth, das sich aus der Perspektive der Gefangenen alles andere als komfortabel erwies, weil schallisolierte Wände keinen Kontakt zu Mitgefangenen und indirektes Licht keinen Sonnenstrahl zuließen. Als bissig-desillusionierter Großinquisitor und Diskussionspartner über revolutionäre Loyalität und Opportunismus tauchte Marek hin und wieder im Gefängnis auf, zum Schachspiel und um Pavel zu versichern, dass es sich bei seiner Verhaftung um keinen Zufall, sondern um die Gesetze der Macht handelte. Weder die vom Geheimdienst arrangierten Tête-à-têtes mit einer weiblichen Gefangenen seien ein Anlass gewesen, noch die Frage nach Schuld oder Unschuld bei den Baufehlern. Nach Jahren kam Pavel frei, arrangierte sich bescheiden im Beruf und mit einer neuen Muse an der Seite, ohne die große Wende des Jahres 1989 zu erleben.
Um Aufklärung über die Greuel der Tito-Diktatur geht es in diesem ebenso nachdenklichen wie spannenden Buch nur am Rande. Jancars Mythosbearbeitung ist vielmehr eine Hommage an jene, die an die aus heutiger Sicht geradezu irrwitzige Idee vom neuen Menschen geglaubt haben, an jene gerechten und zuweilen auch selbstgerechten Weltverbesserer, die "die Götter mit besonderer Blindheit" schlagen; sie ist aber auch ein Abgesang an die "Kolkraben von Pavels Sorte" und an die Großinquisitoren vom Schlage Mareks. Die Euphorie des historischen Neubeginns kontert der Autor mit Skepsis und einem gehörigen Schuss Fatalismus: Die Freiheit, so lässt er seinen Helden sinnieren, werde nie zu singen wissen, wie die Sklaven von ihr sagen.
Von der Freiheit träumt auch eine junge krainische Frau und begibt sich ganz gegen die Konvention mitten im achtzehnten Jahrhundert allein auf eine Pilgerreise, die sie über die Alpen bis nach Köln führen soll. Die Protagonistin aus Jancars historischem Roman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" findet ihr Dasein als Tochter eines Gutsverwalters, für die sich kein geeigneter Freier finden will, wenig erbaulich. Der eitle Neffe des Gutsbesitzers Windisch, ein Pfau eben, will nicht anbeißen, und so hat sie kurz vor dem vierten Lebensjahrzehnt nichts, nicht einmal mehr die Unschuld, zu verlieren, die ihr ein anonymer nächtlicher Besucher nicht gerade gegen ihren Willen raubte. Am abendlichen Pilger-Feuer verliebt sie sich in dunkel umschattete Augen, die einem Jesuiten gehören, der von den jesuitischen Reduktionen in Paraguay, quasi einem Kirchenstaat, durch heranrückende Portugiesen vertrieben wurde. Ihn verfolgen nicht nur Erinnerungen an grausame Massaker, die einem Völkermord an den Guaraní-Indianern gleichkamen, sondern auch Zweifel am Glauben und an der eigenen Mission. Ihrer beider Liebe steht, wie man sich denken kann, unter keinem guten Stern. Sie ist nicht nur gegen das Gesetz der Kirche, sie gerät auch in die Wirren des Siebenjährigen Krieges, in dem Katharina zur Soldatenhure ebenjenes Windisch-Pfaus wird, der als Hauptmann im Dienst der österreichischen Armee steht. Am Ende kommt es im verwüsteten Süden Deutschlands zum Duell zwischen den ungleichen Rivalen, bei dem der Pfau, der nach einer ihn entstellenden Kriegsverletzung nur noch ein Schatten seiner selbst ist, kaum Chancen hat. Zum Happy End wird es freilich nicht kommen. Die Angst vor der Freiheit siegt über die Liebe. Aus den Fegefeuern des Lebens und der Geschichte wird allein Katharina aufrecht hervorgehen.
Diese mit allerlei süffisanten sexuellen Details gespickte Dreiecksgeschichte aus einer Zeit, in der alles Ständische und Stehende zu verdampfen begann und Europa sich in ein imperiales und industrielles Zeitalter aufmachte, hätte ein großartiger historischer Roman werden können. Jancar jedoch beschränkt sich auf fast fünfhundert Seiten vor allem auf die Dreiecksgeschichte, die sich so zäh dahinschleppt wie der Pilgerzug. Die Figuren bleiben darin holzschnittartig, die Szenerie ist blass. Am eindrucksvollsten lesen sich noch die Passagen über die Vertreibung der Jesuiten aus Paraguay. Für den großen Historienroman fehlt das Panorama, für das amouröse Kammerspiel mangelt es den Protagonisten an Fleisch und Blut. Das historische Inferno am Ende des Barock, Säkularisierung, ideologisch-klerikale Bigotterie, der Kampf mit dem hergebrachten Glauben und um das neue, selbstbestimmte Ich - das alles geht im ausladenden, aber eben nicht barocken Erzählen unter.
Jancars historisches Fazit mag pädagogisch und banal klingen, man kann es beliebig auf alle Epochen und Nationen übertragen; es könnte sogar im hippen Hostel an der Pinnwand stehen - falsch ist es deshalb nicht. "Wenn Halbgötter und Götter auf die Erde niedersteigen, gibt es neben Begeisterung immer auch Angst, Brennnesselsuppe und ein Messer in der Brust. Und für jeden eine Mauer im Gefängnis."
SABINE BERKING.
Drago Jancar: "Der Wandler der Welt". Der Mythos von Dädalus. Roman. Aus dem Slowenischen übersetzt von Klaus Detlef Olof. Berlin Verlag, Berlin 2007. 170 S., geb., 19,90 [Euro].
Drago Jancar: "Katharina, der Pfau und der Jesuit". Historischer Roman. Aus dem Slowenischen übersetzt von Klaus Detlef Olof. Folio Verlag, Wien und Bozen 2007. 470 S., geb., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Enttäuscht ist Rezensentin Sabine Berking von diesem Roman des slowenischen Autors Drago Jancar. Sie sieht hier eine verpasste Gelegenheit, denn das Buch hätte ein "großartiger historischer Roman" werden können. Ist es zu ihren Bedauern aber nicht geworden. Berking macht dafür vor allem die Konzentration des Autors auf die Dreiecksgeschichte zwischen einer Frau auf Pilgerreise, einem Jesuiten und dem eitlen Neffen eines Gutsverwalters verantwortlich. Diese Geschichte findet sie ziemlich "zäh" und wenig mitreißend. Zudem kommen ihr die Figuren schablonenhaft und die Szenerie farblos vor. "Für den großen Historienroman fehlt das Panorama", urteilt sie, "für das amouröse Kammerspiel mangelt es den Protagonisten an Fleisch und Blut".
© Perlentaucher Medien GmbH
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