Die Nazizeit in der Altkatholischen Kirche
Soll man es tragisch nennen oder einfach nur folgerichtig?
Im Kampf gegen Rom, was die Theologen antiultramontan nennen, glaubte die altkatholische Kirche als deutsche Nationalkirche (Liturgiesprache war schon damals deutsch) in den Nazis einen
Verbündeten gefunden zu haben.
Aus heutiger Sicht verwundert dies umso mehr, wenn man weiß, dass die…mehrDie Nazizeit in der Altkatholischen Kirche
Soll man es tragisch nennen oder einfach nur folgerichtig?
Im Kampf gegen Rom, was die Theologen antiultramontan nennen, glaubte die altkatholische Kirche als deutsche Nationalkirche (Liturgiesprache war schon damals deutsch) in den Nazis einen Verbündeten gefunden zu haben.
Aus heutiger Sicht verwundert dies umso mehr, wenn man weiß, dass die Kirche sich als unpolitischen Katholizismus verstand, weil Gläubige aus allen Parteien Teil der Gemeinde waren. Hinzu kommt, dass die Altkatholiken von der Zentrumspartei der großen Katholiken abgrenzen und so eine neue Identität bilden wollten (35f).
Der ständige Kampf gegen Rom überrascht eigentlich schon damals, weil Gründungsvater Döllinger sich für die Wiedervereinigung der getrennten Christenheit einsetzte (5). Von römischer Seite wurde die Altkatholiken dagegen nur als Sekte oder „Professorenkirche“ angesehen (13). Vergessen sollten wir auch nicht, dass die heutige Kirche der Sehnsucht zwischen 1878 und 1930 mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder verlor (75).
In einem Buch über die Nazizeit darf auch das Verhältnis zum Antisemitismus nicht fehlen. Doch spielte er bei den Altkatholiken eine geringe Rolle, weil er 1. für diese Kirche uninteressant war, 2. durch das Bildungsbürgertum ohnehin nicht so verbreitet war, 3. die Kirche sich durch den Anti- Antisemitismus noch stärker von Rom abgrenzen konnte und 4. weil man durch die Behauptung Roms nur Protestanten und Juden würde in diese Kirche eintreten, selbst Opfer des Antisemitismus wurde (65). Um Unruhen zu vermeiden, sollte die Frage, ob Jesus ein Jude war, nicht diskutiert werden. (417) Dennoch konnte auf altkatholischen Kongressen unter Beifall gefordert werden, Gegner der Arbeit der Werbeorganisation KNB von Hütwohl, die NSDAP-Mitglieder warb, weil die Römer den Nazis die Sakramente verweigerten, ins KZ zu schicken (544). Die deutschen römisch-katholischen Bischöfe hatten sich 1931klar von den Nazis distanziert. Man müsste spekulative Geschichte betreiben und überlegen, was passiert wäre, wenn sich der Vatikan nicht im Frühling 1933 in einem Konkordat mit den Nazis geeinigt hätte.
Erwin Kreuzer heißt der altkatholische Bischof der Nazizeit, der als talentierter Pfarrer in Kempten auffiel. Seine beiden Vorgänger wurden des Amtes enthoben und einer davon beging im Gefängnis Selbstmord. Außerdem befasste er sich in den 20er Jahren mit der sozialen Frage (80f). Im Krieg hob er ohne Beschluss die Interkommunion mit den Anglikanern auf.
Der Schweizer christkatholische Bischof Küry blieb dagegen stets gegenüber den Nazis reserviert. Auf dem Internationalen Kongress 1934 in Konstanz sorgte er für Unterkünfte auf Schweizer Seite, damit niemand fürchten müsse, „nachts aus dem Bett geholt zu werden.“ (352) Warum Küry die deutschen Altkatholiken in Schutz nimmt und erklärt, sie hätten ein halbes Jahrhundert unter dem Terror der Zentrumspartei gelitten, bleibt mir rätselhaft (612).
Nach dem Krieg wurde wie in Deutschland üblich rein gewaschen. Man habe außer einige hebräischen Wörtern wie Hosianna die Liturgie nicht geändert und sei selbst Opfer gewesen. Immerhin hatte die Altkatholische Kirche sich nicht den Deutschen Christen angeschlossen.
Lokalgeschichtlich war Norbert Keussen seit 1925 Pfarrer in Heidelberg (178) und trat auch brav in die Partei ein. An der KNB beteiligte er sich aber nicht (455), weshalb die Gemeinde eher schrumpfte (591). Zu Vorträgen der KNB 1937 in Heidelberg kamen nur 180-200 Mitglieder (511). Schon 1931 durfte der evangelische Theologe Günther Dehn nicht an die Uni Heidelberg, weil er sich in einem Vortrag gegen die Verherrlichung des Krieges aussprach (195f). Kreuzers Stellvertreter schrieb im November 1945 einen Hirtenbrief aus Neckargmünd (761).
Außer dass mitunter zu lang aus Quellen zitiert wird, kann ich keine Mängel finden. 5 Sterne