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Der Freiburger Theologe Joseph Sauer (1872-1949) verstand sich als wissenschaftlicher Erbe seines Lehrers, des "liberalen" Franz Xaver Kraus (1840-1901) und suchte dessen Programm eines kulturmächtigen Katholizismus umzusetzen. Als Archäologe und Kunsthistoriker war Sauer im Wissenschaftsbetrieb des Kaiserreichs und der Weimarer Republik hochangesehen. Kein anderer deutscher Theologe hatte während der Modernismuskrise in der katholischen Kirche (1893-1914) so weitreichende internationale Kontakte zu Reformtheologen wie Sauer. Ab 1916 prägte er in Freiburg entscheidend die Geschicke der…mehr

Produktbeschreibung
Der Freiburger Theologe Joseph Sauer (1872-1949) verstand sich als wissenschaftlicher Erbe seines Lehrers, des "liberalen" Franz Xaver Kraus (1840-1901) und suchte dessen Programm eines kulturmächtigen Katholizismus umzusetzen. Als Archäologe und Kunsthistoriker war Sauer im Wissenschaftsbetrieb des Kaiserreichs und der Weimarer Republik hochangesehen. Kein anderer deutscher Theologe hatte während der Modernismuskrise in der katholischen Kirche (1893-1914) so weitreichende internationale Kontakte zu Reformtheologen wie Sauer. Ab 1916 prägte er in Freiburg entscheidend die Geschicke der Theologischen Fakultät und dann als zweimaliger Rektor auch der gesamten Universität. 1933 fungierte Sauer als Prorektor unter Martin Heidegger und nach 1945 als ständiger Senator.

Der Autor nimmt die Selbstdeutung Sauers als Kraus-Erbe kritisch auf und beleuchtet dessen Vita vor dem Hintergrund der Katholizismus- und Universitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die herkömmliche scharfe Trennung von "ultramontanem" und "liberalem" Katholizismus trifft für Sauer nicht zu. Als weiteren Hauptaspekt untersucht er Sauers Verhältnis zur badischen Zentrumspartei und damit zugleich einen wichtigen Teil der politischen Geschichte des deutschen Südwestens.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Claus Arnold, Dr. theol., geb. 1965, ist wissenschaftlicher Assistent am Fachbereich Katholische Theologie der Universität Frankfurt am Main. Er wurde 1997 mit dieser Arbeit an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen promoviert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2000

Versteckspiel als Beruf
Wie Joseph Sauer seine Kirche mit der Moderne versöhnen wollte

Vor hundert Jahren erstarkte innerhalb der katholischen Kirche eine vor allem von Theologen getragene Reformbewegung, die gewöhnlich Modernismus genannt wird. Ihr Hauptanliegen war es, das Prinzip der Entwicklung auch in Religion und Theologie zur Geltung zu bringen. Wenn man nach hervorragenden Gestalten des Modernismus in Deutschland fragt, werden mit Sicherheit Albert Ehrhard, Franz Xaver Kraus, Sebastian Merkle und Joseph Schnitzer genannt, kaum aber der Freiburger Theologe Joseph Sauer. Dies sollte sich nach der als Dissertation an der Hochschule St. Georgen (Frankfurt) entstandenen, gründlichen und flüssig geschriebenen Biografie Sauers von Claus Arnold ändern. Joseph Sauer (1872 bis 1949), ein Lieblingsschüler des berühmten Freiburger Kirchenhistorikers Franz Xaver Kraus (1840 bis 1901), gehörte zwar nicht zu den in vorderster Front kämpfenden Theologen des "reformkatholischen" Milieus, sondern wirkte eher im stillen Kämmerlein; er unterhielt aber mehr noch als sein Lehrer Kraus zahlreiche Kontakte zu Reformtheologen in Nachbarländern.

Evolution des Heils?

Aus einem bäuerlichen Elternhaus im badischen Unzhurst bei Ottersweiler stammend, genoss Joseph Sauer eine traditionell-religiöse Erziehung. Doch mit dem Studium an der Universität Freiburg betrat er ein wissenschaftliches und kirchenpolitisches Konfliktfeld, das er bis zu seinem Lebensende nur noch selten verlassen sollte. Nach Abschluss des dreijährigen Regelstudiums in Theologie trat Sauer in das Priesterseminar St. Peter im Schwarzwald ein, musste sich aber bald für fast ein ganzes Jahr in eine Nervenheilanstalt begeben. Trotzdem blieb er mit seinem "herrlichsten Vorbild" Professor Kraus, der zu dieser Zeit in der "Allgemeinen Zeitung" die großes Aufsehen erregenden "Spektator" Briefe publizierte, in brieflichem Kontakt. Anstatt des weithin herrschenden "politischen Katholizismus" propagierte Kraus mit Entschiedenheit einen "religiösen Katholizismus". Sein zweites Vorbild fand Sauer in dem Mainzer Domkapitular Friedrich Schneider, der ebenfalls im Ruf eines "Liberalen" stand.

Erst mit der Ernennung zum Ordinarius für Christliche Archäologie und Patrologie im Jahre 1916 war Sauer aller materiellen Existenzsorgen ledig. Jetzt konnte er seine "liberal-konservative" Haltung offener bekunden. Dies bedeutete für ihn eine doppelte Frontstellung: auf der einen Seite gegen einen "kulturlosen" Ultramontanismus und auf der anderen gegen einen religionslosen "Liberalismus". Vorher hatte er seine tatsächliche Gesinnung mehr hinter seinem Lehrer Kraus versteckt, den er in mehreren Nachrufen als einen frommen Katholiken und Prieser, als einen ideal und romantisch gesinnten Wissenschaftler und als einen schlagkräftigen Kirchenpolitiker vor Augen stellte. Arnold schildert die lang andauernden Streitigkeiten um das Persönlichkeitsbild des früh verstorbenen Kraus und damit auch um das Gebilde des "Reformkatholizismus". Wenn Sauer selbst sich nicht mit letzter Offenheit zu der Kraus'schen Reformbewegung bekannte, lag der Hauptgrund in der Rücksichtnahme auf die bischöfliche Opposition, namentlich auf Erzbischof Thomas Nörber von Freiburg und Bischof Paul Wilhelm Keppler von Rottenburg. Sauer wollte vermeiden, dass man den Katholizismus mit einem politischen Programm oder einer bestimmten Partei gleichsetze. Kirche und Katholizismus sollten keine absoluten Gegenmächte zu Kultur und Gesellschaft darstellen.

Besonders aufschlussreich ist Arnolds Schilderung von Sauers engen Beziehungen zu prominenten europäischen "Modernisten", dem englischen Baron Friedrich von Hügel, dem französischen Theologen Alfred Loisy und dem englischen Jesuiten George Tyrrell. Papst Pius X. verurteilte in der Enzyklika "Pascendi" (1907) das von Loisy vertretene und auch von Sauer aufgenommene Entwicklungsprinzip in Bibelexegese und Kirchengeschichte als Quintessenz der modernistischen Lehre. Der Freiburger Theologe nahm unter Pseudonym Stellung "Zum Fall Loisy", indem er die eigentliche Absicht der römischen Behörden für ihr Eingreifen offenkundig machte. Die Inquisition und die Indexkongregation hätten Loisys "ganze Methode" im Auge gehabt, "die Übertragung eines Forschungsprinzips, das für alle Wissensgebiete in Geltung ist, der historisch-kritischen Methode auf das Gebiet der Theologie, die Annahme des Evolutionsprinzips auch für den Boden der Heilsgeschichte. Loisy musste als Bahnbrecher fallen, ähnlich wie Galilei." Für Sauer bot die Enzyklika keinerlei Anlass zum Umdenken.

Im Ersten Weltkrieg blieb Sauer nicht frei von der damals allgemeinen nationalen Begeisterung, die ihn auch noch jede Form von "Selbstaufopferung" rechtfertigen ließ. Mit der Weimarer Republik konnte sich der Theologe nicht anfreunden. Erstaunt liest man bei ihm antikapitalistisch-antisemitische Ausfälle gegen "Wuchergeist" und "Kriegsgewinnler". Wegen des "Demokratismus" in kulturpessimistische Stimmungen versetzt, zog Sauer sich in "die köstliche Oase des der Gegenwart entrückten Geisteslebens" zurück. Wohl aber verteidigte er als zweimaliger Rektor der Freiburger Universität (1925/26 und 1932/33) die Autonomie der Universität gegenüber der Regierung in Karlsruhe. Unter den Konflikten ragt der Streit um die Anpassung der 1931 erlassenen päpstlichen Studienordnung auf die deutschen Verhältnisse heraus.

Sauer war von Anfang an gegen den Nationalsozialismus eingestellt. Die Übergabe der Rektoratsgeschäfte an Martin Heidegger vollzog der Prorektor Sauer als bloßer Moderator, um keinen Skandal heraufzubeschwören. Heidegger bestimmte aber nicht Sauer zum Dekan, sondern den Kirchenrechtler Nikolaus Hilling, der bald eine mehr als zwiespältige Rolle spielen sollte. Fakultätsinterne Differenzen ergaben sich bei Habilitationsverfahren und anlässlich der Besetzung vakanter Lehrstühle. Für Sauer blieb die wissenschaftliche Qualifikation des Kandidaten ausschlaggebend. Denunziationen ließ er nicht einfach hingehen. Nach seiner altersgemäßen Entpflichtung (1937) wurde Sauer mit der Vertretung seiner Professur betraut. Gegen die bald drohende Aufhebung seines Lehrstuhls setzte er sich energisch zur Wehr, allerdings ohne Erfolg. Er erhielt aber vom Rektor jedes Semester neu einen Lehrauftrag und blieb so in der Universität zu Hause.

Eine prekäre Situation war gegeben, seit der Kirchenhistoriker Ludwig Mohler, ein Mitglied der NSDAP, nach Auflösung der Münchener Theologischen Fakultät (1939) in Freiburg dozierte. Doch Mohler starb bereits 1943. Gegen Karl August Fink als Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Kirchengeschichte legte sich Sauer mächtig ins Zeug, weil "man ihn für einen skrupellosen Streber und der Partei mehr als willenlos ergeben" hielt. Ernannt wurde Johannes Vincke. Aufs Ganze gesehen hat man Sauer nach Meinung des Autors im Dritten Reich nicht als Widerständler, sondern als Resistenzler einzustufen: "Der Kraus-Schüler Sauer hat jedenfalls zwischen 1933 und 1945 weniger Kompromisse gemacht als mancher eher ,ultramontane' Kollege wie Veit oder Hilling."

Fürs Ketzertum zu leise

Getreu dem Programm seines Lehrers Kraus vom "Katholizismus als Kulturmacht" bekämpfte Sauer in seinen letzten vier Lebensjahren noch 1945 den "Liberalismus" mit Mitteln eines "politischen Katholizismus" und plädierte für eine überkonfessionelle, christliche Demokratie. Seine Barmherzigkeit gegenüber Nazi-Sympathisanten war nicht grenzenlos, sie schloss Heidegger nicht ein. Es enttäuschte Sauer, dass seine Fakultät beim geistigen Wiederaufbau im staatlichen und gesellschaftlichen Bereich weithin untätig blieb. Maßlos enttäuscht notierte er am 9. Februar 1946 in seinem Tagebuch: "Kurz, das Schlafen ist auch die einzige Haltung der Fakultät, eine unerhörte Verkennung der ganzen Lage."

Was Sauers persönliche Stellung im Kampf zwischen Modernismus und Antimodernismus betrifft, so kann man bedauern, dass er zu wenig öffentlich Partei ergriffen hat. Wäre er mit seinen der traditionellen Theologie oft widersprechenden Meinungen, wie wir sie aus seinen ungezählten Privatbriefen und seinen umfangreichen Tagebüchern kennen, in die Arena der damaligen Zeit getreten, könnte er heute als ein mutiger Bekenner gelten. Freilich wäre ihm dann auch mit großer Wahrscheinlichkeit ein ebenso schlimmes Schicksal widerfahren wie manchem seiner mutigen Gesinnungsgenossen. So aber blieb es bei Sauer - dem privaten Modernisten.

GEORG DENZLER

Claus Arnold: "Katholizismus als Kulturmacht". Der Freiburger Theologe Joseph Sauer (1872 -1949) und das Erbe des Franz Xaver Kraus. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1999. 522 S., geb., 108,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Georg Denzler begrüßt in seiner Besprechung, dass Joseph Sauer, "ein Lieblingsschüler des berühmten Freiburger Kirchenhistorikers Franz Xaver Kraus", als Vertreter der katholischen Reformbewegung "Modernismus" mit dieser Dissertation gewürdigt wird. Liest man dann Denzlers Besprechung, bleibt allerdings unklar, warum. Sauer war nach Denzler, der hier eifrig das Buch referiert, weder besonders fortschrittlich noch besonders konservativ. Während der Nazizeit war er "nicht als Widerständler, sondern als Resistenzler" einzustufen. Als Theologe hat er "wenig öffentlich Partei ergriffen". Zur Qualität des Buchs kein Wort. Eine selbst für FAZ-Verhältnisse selten flaue Rezension.

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