Katia und ihre Schwester leben mit ihre Mutter in Madrid. Katia hat wenig Lust zu arbeiten, die kleine Schwester mag nicht in die Schule gehen. Die Mutter immerhin geht einer geregelten Arbeit nach: Sie ist Prostituierte. Andres Barba erzählt eine Geschichte von Liebe und Verzweiflung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2004Alles über meine Töchter
Andrés Barba stochert in seinem Roman im Nebel Madrids
Gar nicht so wenige spanische Erzähler der jüngeren Generation pflegen vorwiegend die kleine Form. Dieser entspricht häufig auch ein kleineres Thema; Probleme aus dem Privatleben von sozialen Außenseitern sind ein bevorzugter Stoff. Ihr Vorbild ist manchmal Javier Marías, häufiger aber noch Álvaro Pombo, der die Fahne des strikten Individualismus hochhält und besonders heftig auf die Forderungen nach sozialer und politischer Solidarität reagiert.
Der achtundzwanzigjährige Madrider Andrés Barba hat seinen Roman "Katias Schwester" denn auch Pombo gewidmet. Barba hatte schon vor sechs Jahren für seinen Debütroman einen Preis bekommen. Sein zweiter, nun übersetzter Roman "La hermana de Katia" (2002) kam in die Endausscheidung für den angesehenen Herralde-Romanpreis. Danach hat Barba, der in Madrid Literaturgeschichte lehrt, noch einen Erzählungsband veröffentlicht.
In "Katias Schwester" geht es vorwiegend um die Beziehungen von drei Frauen - einer Mutter und ihrer Töchter. Die Mutter arbeitet, nicht unzufrieden, als Hure in Madrid, wo die Prostitution nicht nur unmenschliche Züge zu haben scheint. Ihre Tochter Katia verdient als Striptease-Tänzerin und Pornoschauspielerin gutes Geld, begeht aber den Fehler, sich in einen unzuverlässigen Italiener zu verlieben. Die jüngere Schwester sieht sich im Schatten der auffallend schönen Katia, lebt deren Leben und deren Liebesabenteuer bewundernd mit und verliebt sich unglücklicherweise in einen jungen Amerikaner aus einer ganz anderen, einer auf missionarische Weise religiös geprägten Welt.
Die Schwestern mögen sich sehr; es gelingt Katia - vor allem mit sich selbst beschäftigt - nicht, die kleine Schwester von ihre Komplexen zu befreien und ihr die alltägliche Welt verständlich zu machen. Katia selbst gerät aus Liebeskummer an Drogen und wird zunächst einmal von der Schwester gerettet. Die Mutter gibt ihr Hurenleben auf, bevor sie alt wird, und tut sich mit einem Metzger zusammen. Für die beiden Töchter läuft das Leben nach den ersten amourösen Enttäuschungen träge weiter - mit weniger Illusionen und Hoffnungen, doch hin und wieder mit Momenten eines kleinen Glücks.
Andrés Barba schreibt kein brillantes, auch kein sehr eigenständiges Umgangsspanisch, das von Sabine Giersberg aber in ein flüssiges, gut lesbares Deutsch übertragen wurde. In der reichlich tristen Geschichte vom Leben dreier Frauen in Madrid geschieht fast nichts. So bleibt auch nach der Lektüre dem Leser wenig in Erinnerung, am ehesten vielleicht noch die wie von einem ständigen Nebel erschwerte Sicht der Schwester auf eine Welt, die sie kaum verstehen kann.
WALTER HAUBRICH.
Andrés Barba: "Katias Schwester". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Sabine Giersberg. Verlag Antje Kunstmann, München 2003. 220 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Andrés Barba stochert in seinem Roman im Nebel Madrids
Gar nicht so wenige spanische Erzähler der jüngeren Generation pflegen vorwiegend die kleine Form. Dieser entspricht häufig auch ein kleineres Thema; Probleme aus dem Privatleben von sozialen Außenseitern sind ein bevorzugter Stoff. Ihr Vorbild ist manchmal Javier Marías, häufiger aber noch Álvaro Pombo, der die Fahne des strikten Individualismus hochhält und besonders heftig auf die Forderungen nach sozialer und politischer Solidarität reagiert.
Der achtundzwanzigjährige Madrider Andrés Barba hat seinen Roman "Katias Schwester" denn auch Pombo gewidmet. Barba hatte schon vor sechs Jahren für seinen Debütroman einen Preis bekommen. Sein zweiter, nun übersetzter Roman "La hermana de Katia" (2002) kam in die Endausscheidung für den angesehenen Herralde-Romanpreis. Danach hat Barba, der in Madrid Literaturgeschichte lehrt, noch einen Erzählungsband veröffentlicht.
In "Katias Schwester" geht es vorwiegend um die Beziehungen von drei Frauen - einer Mutter und ihrer Töchter. Die Mutter arbeitet, nicht unzufrieden, als Hure in Madrid, wo die Prostitution nicht nur unmenschliche Züge zu haben scheint. Ihre Tochter Katia verdient als Striptease-Tänzerin und Pornoschauspielerin gutes Geld, begeht aber den Fehler, sich in einen unzuverlässigen Italiener zu verlieben. Die jüngere Schwester sieht sich im Schatten der auffallend schönen Katia, lebt deren Leben und deren Liebesabenteuer bewundernd mit und verliebt sich unglücklicherweise in einen jungen Amerikaner aus einer ganz anderen, einer auf missionarische Weise religiös geprägten Welt.
Die Schwestern mögen sich sehr; es gelingt Katia - vor allem mit sich selbst beschäftigt - nicht, die kleine Schwester von ihre Komplexen zu befreien und ihr die alltägliche Welt verständlich zu machen. Katia selbst gerät aus Liebeskummer an Drogen und wird zunächst einmal von der Schwester gerettet. Die Mutter gibt ihr Hurenleben auf, bevor sie alt wird, und tut sich mit einem Metzger zusammen. Für die beiden Töchter läuft das Leben nach den ersten amourösen Enttäuschungen träge weiter - mit weniger Illusionen und Hoffnungen, doch hin und wieder mit Momenten eines kleinen Glücks.
Andrés Barba schreibt kein brillantes, auch kein sehr eigenständiges Umgangsspanisch, das von Sabine Giersberg aber in ein flüssiges, gut lesbares Deutsch übertragen wurde. In der reichlich tristen Geschichte vom Leben dreier Frauen in Madrid geschieht fast nichts. So bleibt auch nach der Lektüre dem Leser wenig in Erinnerung, am ehesten vielleicht noch die wie von einem ständigen Nebel erschwerte Sicht der Schwester auf eine Welt, die sie kaum verstehen kann.
WALTER HAUBRICH.
Andrés Barba: "Katias Schwester". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Sabine Giersberg. Verlag Antje Kunstmann, München 2003. 220 S., geb., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Und so plätschert es dahin: wie in Andres Barbas Roman, so auch in Walter Haubrichs Besprechung desselben. "Katias Schwester", heißt es, sei eine "reichlich triste Geschichte", von der wenig in Erinnerung bleibe, am meisten noch ihre Blässe und die wie von Nebel verhangene Sicht der graumäusigen Titelfigur auf ihre schöne Schwester und ihre Mutter. Am Ende sind alle drei um Illusionen ärmer und mummeln sich ein ins kleine Glück, konstatiert der Rezensent, der bei so viel milder Trübe gar keinen Einspruch mehr erheben mag. Eines dieser Bücher über diese "kleinen Themen" halt, verfasst von einem Autor, der, wie könnte es anders sein, "kein brillantes, auch kein sehr eigenständiges Umgangsspanisch" schreibt, das aber immerhin "in ein flüssiges, gut lesbares Deutsch übertragen wurde". Tja, so ist das.
© Perlentaucher Medien GmbH
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