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Kattes Todesurteil ist stilistisch gebrochen. Den "Küstriner Akten" fehlt seit 1826 ein zentraler Überlieferungsteil. Solche aktenanalytische Beobachtungen bilden den Anstoß für eine quellenkritische Auseinandersetzung mit der Geschichte anno 1730, als - nach landläufiger Kenntnis - der preußische Kronprinz Friedrich vor der drakonischen Strenge seines Vaters Friedrich Wilhelm I. ins Ausland zu entfliehen suchte, und sein bester Freund Hans Hermann von Katte dafür sein Leben verlor. Fiat justitia borussica oder Justizmord an einem Gardeleutnant?
In der vorliegenden Studie verbindet Jürgen
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Produktbeschreibung
Kattes Todesurteil ist stilistisch gebrochen. Den "Küstriner Akten" fehlt seit 1826 ein zentraler Überlieferungsteil. Solche aktenanalytische Beobachtungen bilden den Anstoß für eine quellenkritische Auseinandersetzung mit der Geschichte anno 1730, als - nach landläufiger Kenntnis - der preußische Kronprinz Friedrich vor der drakonischen Strenge seines Vaters Friedrich Wilhelm I. ins Ausland zu entfliehen suchte, und sein bester Freund Hans Hermann von Katte dafür sein Leben verlor. Fiat justitia borussica oder Justizmord an einem Gardeleutnant?

In der vorliegenden Studie verbindet Jürgen Kloosterhuis, Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, Aktenanalyse und Militärhistorie, um den Fall Katte über das bislang Bekannte hinaus aufzuklären. Erst aus diesem neuen Blickwinkel kann Hans Hermanns kurze Offizierkarriere im familiären Umfeld und in der Spannung zwischen Reichsdienst und Regimentskultur präzise nachgezeichnet werden; nur die Kriegsartikel taugen, um den Tatbestand Desertionskomplott angemessen einzuschätzen, in das der Kronprinz Keith, Katte und andere verstrickte. Die originelle Revision der "facheusen" Fakten, vertieft durch originäre Quellen, macht es dem Leser am Ende möglich, sich ein eigenes Urteil zu bilden, ob das standhafte Köpenicker Kriegsgericht oder der pflichtgetriebene "Soldatenkönig" Gerechtigkeit ausübten, als es um Kattes Leben oder Tod ging.

Pressestimme:
"Die Tragödie des Hans Hermann von Katte gehört zu den bekanntesten Ereignissen aus der Jugend Friedrich des Großen: Die Mißhandlung durch den Vater, die gescheiterte Flucht - und der Zwang, die Hinrichtung des Freundes und Helfers mitansehen zu müssen, haben meist als Beleg für die Grausamkeit des 'Soldatenkönigs' herhalten müssen, der ein Urteil des Köpenicker Kriegsgerichts eigenhändig verschärft und Katte zum Tod verurteilt hatte. Jürgen Kloosterhuis erzählt die Ereignisse anhand der Akten unter Einbeziehung der Vorgeschichte der Flucht. Dabei kommt er nüchtern und ohne das in dieser Frage so oft bemühte Pathos zu dem Ergebnis, daß Friedrich Wilhelm I. gar nicht anders handeln konnte, so grausam dies aus heutiger Sicht klingen mag. Auch die Anweisung, daß Friedrich die Hinrichtung Kattes mitansehen mußte, erscheint bei Kloosterhuis in einem anderen Licht: Durch Anordnung von Kattes Hinrichtung vor seinen Augen habe der König dem Kronprinzen 'und aller Welt' sichtbar machen wollen, 'wer die eigentliche Verantwortung für Hans Hermanns Katastrophe trug': sein eigener Sohn und Thronfolger." Uwe A. Oster, in: www.damals.de, 26.01.2007

Inhaltsverzeichnis:
I. Kronprinzenkonflikt - Kattetragödie - Königsdrama - II. Unkonventioneller Geschäftsgang und individuelle Schriftgutformen: Das Kabinett, seine Ordres und Dekret-Schreiben - III. Die "Küstriner Akten": Ein lückenhaftes Pertinenzgemenge - IV. Gardekürassier von Katte: zwischen Reichsdienst und Regimentskultur - V. Kronprinz Friedrich: Absolom in re, Apollon in spe - VI. Der König und sein Kriegsgericht: Militärische Justiz versus gesunder Menschenverstand? - Quellen-Anhang
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2006

Unausgeglichen beim Kronprinzen

Die Wissenden lächeln, wenn ihnen folgende Geschichte als historisches Faktum vorgesetzt wird: Ein verweichlichter Königssohn soll von seinem Vater zur Tüchtigkeit gezwungen werden; er flieht mit einem Freund; sie werden eingefangen und zum Tode verurteilt; der Freund wird hingerichtet; der Königssohn wird begnadigt; er läßt sich das aber zur Lehre dienen, und es wird ein großer Herrscher aus ihm. Typischer Fall einer aus Initiationsvorstellungen gesponnenen Fiktion, kein wahres Wort daran - und doch ist das die Geschichte des jungen Friedrich II. von Preußen, der noch zu Lebzeiten zu Recht der Große genannt wurde.

Bei den zahlreichen Behandlungen dieser Geschichte stand Friedrich im Mittelpunkt, und das große Verdienst des vorliegenden Buches ist, daß es sich den Freund, auch den königlichen Vater und dessen Verhalten näher ansieht. Beides geschieht auf der Grundlage einer Überprüfung der Aktenlage, wozu der Verfasser, Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, besonders geeignet ist (Jürgen Kloosterhuis: "Katte". Ordre und Kriegsartikel. Aktenanalytische und militärhistorische Aspekte einer ,facheusen' Geschichte. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2006. 112 S., Abb., 14,80 [Euro]).

Was die Akten betrifft, so mag es denjenigen erschüttern, der mit dem Preußentum Akkuratesse verbindet, wenn er lesen muß, daß "auch in Preußen Akten manchmal verschwinden konnten", daß es Lücken im Aktenbestand gibt, daß Beamte die Akten bei sich zu Hause aufbewahrten und ähnliches mehr.

Gleichwohl ergibt sich für Katte ein kohärentes Bild, und das nimmt diesem Freund des jungen Kronprinzen einiges von dem romantischen Flair, mit dem er gern umgeben wird. Hans Hermann von Katte stammte aus magdeburgischem Adel. Schon auf dem Pädagogium in Halle wurde ihm "Poeterey und Träumerey" attestiert, sein Vater meinte über den Studenten der Rechte: "Die Freyheit bekommt Ihm nicht", er wurde nur auf Drängen des Vaters Soldat, sein Regimentskommandeur schrieb: "Sans reproche scheint er mir nur zu Pferd oder mit der Flûte traversière", und der Autor resümiert, Katte sei "unausgeglichen, überheblich, leichtsinnig und für Eskapaden bekannt" gewesen. Das war wohl nicht der richtige Freund für den acht Jahre jüngeren Kronprinzen.

Dem Autor geht es darum, den Konflikt Kattes mit dem König über das rein Persönliche hinauszuheben. In Katte stießen zwei konträre Verhaltensweisen aufeinander, "Reichsdienst" und "Regimentskultur". Der Reichsdienst, dem er zuneigte, bedeutete Weltläufigkeit - Katte hatte zwei große Kavalierstouren in die europäischen Hauptstädte unternommen - und eine anschließende Tätigkeit etwa am Reichskammergericht in Wetzlar oder beim Reichshofrat in Wien. Die Regimentskultur charakterisierte das Preußen, das Friedrich Wilhelm I. zu bauen unternahm und in dem Disziplin und selbstloses Dienen in Armee und Verwaltung Tugenden des Staates der Zukunft darstellten. Als langjähriger Offizier in der Eliteeinheit Gens d'armes wußte Katte, was das bedeutete. Er wußte auch, daß das, was er mit dem jungen Kronprinzen unternahm, eine schwerwiegende Desertion darstellte.

Das Todesurteil und seine Vollstreckung waren die notwendige Folge. Gleichwohl spricht es für den König, daß er nach dem Spruch des Kriegsgerichts das Todesurteil nicht unbewegten Gesichts fällte und bestätigte, sondern daß bis in das vorhandene Aktenstück hinein heute noch sichtbar ist, wie die Erregung über das Ausmaß der Eidbrüchigkeit Kattes und die Härte des Urteils aus Friedrich Wilhelm herausbrechen. Der objektiv-nüchterne Text des Kabinettsdekrets lautet in den entscheidenden Passagen: "Seine Königliche Majestät in Preußen wollen, und zwar von Rechts wegen, daß der Katte mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden soll", aber mitten in dem Text wechselt der Stil plötzlich erregt in die Ich-Form: "Dieser Katte aber ist nicht nur in Meinem Dienst Officier bei der Armée, sondern auch bei der Guarde Gens d'armes, und da bei der ganzen Armée alle Meine Officiers Mir getreu und hold sein müßen, so muß solches um so viel mehr geschehen von den Officiers von solchen Regimentern."

Kleinere Fehler des Buches verwundern. So steht auf einem farbig wiedergegebenen Stammbuchblatt Kattes deutlich nicht "La monde" (zweimal so wiedergegeben), sondern natürlich "Le monde". Nicht verwundert es, daß auch bei Kloosterhuis eine mögliche Herkunft des bildlichen Ausdrucks unerwähnt bleibt, mit dem der König bitter die vorzeitige Hinwendung zum Kronprinzen mit der Bemerkung charakterisierte, man wende sich wohl schon der "künftigen Sonne" zu. Genau das sagte laut Plutarch der junge Pompejus zu dem alternden römischen Diktator Sulla, "er möge bedenken, daß vor der aufgehenden Sonne mehr Menschen sich neigten als vor der untergehenden".

Im übrigen ist das Buch reichlich mit wörtlichen Quellen in einem Anhang versehen, schlüssig argumentiert und gut geschrieben. Die Sympathie des Autors liegt nicht bei Katte, sondern bei Friedrich Wilhelm und seinen Bestrebungen, aus Preußen einen modernen Staat zu machen. Er nennt die Geschichte ein "Königsdrama" und sagt, es sei "zwingend notwendig" gewesen, "ein Exempel zu statuiren", "wenn Friedrich Wilhelm I. weiter Regimentschef und König in Preußen bleiben wollte. So lagen die Fakten, so sprachen die Akten, das waren die Konsequenzen."

WOLFGANG SCHULLER

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