In 1996, in the middle of watching an ill-tempered football match between England and Germany, Philip Oltermann's parents tell him that they are going to leave their home city Hamburg behind and move to London. Inspired by his own experience of both countries, Philip Oltermann looks at eight historical encounters between English and German people.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2013Don't mention the war, please
Ein Witz mit Bart: Welchen Titel trägt das kürzeste Buch der Welt? "Tausend Jahre deutscher Humor". Ein Witz von der Insel, die Deutschland im Augenblick politisch den Rücken zuwendet, obwohl das Interesse der Briten am wirtschaftlich erfolgreichen Nachbarn groß ist (F.A.Z. vom 6. Februar). Der Band "Keeping Up With the Germans" (Dranbleiben an den Deutschen, mithalten mit ihnen), letztes Jahr in England erschienen, macht Stimmung für die deutsch-englische Freundschaft. In der nun auf Deutsch vorliegenden Fassung hat man zwar den Umschlag übernommen, aber einen Titel gewählt, der kein Höhepunkt deutschen Humors ist. (Philip Oltermann: "Dichter und Denker, Spinner und Banker". Eine deutsch-englische Beziehungsgeschichte. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2013. 284 S., br., 12,99 [Euro].)
Die unterschiedliche Auffassung von Humor - das haben alle englischen Rezensenten des durchweg positiv besprochen Buches vermerkt - ist eine Schlüsselfrage. Dessen ungeachtet kommt das Buch nicht ohne intensive Erörterung der fußballerischen Konkurrenz aus. Wembley, EM-Halbfinale 1996, WM-Achtelfinale 2010. Den Antagonisten Kevin Keegan und Berti Vogts ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Dass die Hitlerei zurückstehen muss, hat auch damit zu tun, dass dieses Kapitel der Geschichte nicht mehr alle anderen überdeckt. Oltermann erzählt die Geschichte der nazibegeisterten Unity Mitford und ihrer Plauderei mit dem "Führer": Und er kombiniert diese Anekdote geschickt mit seinem Besuch im Englischen Garten zu München, wo die Mitford sich einst nackt sonnte und in dem er zusammenzuckt, als im Biergarten am Chinesischen Turm die Blasmusik zu spielen beginnt.
Oltermann, Jahrgang 1981, arbeitet für die Online-Ausgabe des "Guardian". Er beschäftigt sich intensiv mit der Vergangenheit, auch mit der von Punk und Britpop. So beginnt seine "The Clash"-Rezeption zweiundzwanzig Jahre nach Gründung der Band. Ein wenig mehr Gegenwart hätte nicht geschadet: Welchen Stellenwert hat Deutschland für heute dreißigjährige Briten? Der Autor hat je eine Lebenshälfte in Norderstedt bei Hamburg und eine in London (beziehungsweise an seinem Studienort Oxford) verbracht. Er neigt eindeutig der englischen Seite zu, und wie so mancher expatriate erreichte er dieses Ziel mit sprachlicher und habitueller Überanpassung.
Der Mini gegen den Käfer, Kurt Schwitters im Lake District, die einseitige Liebe der Deutschen zu "Dinner for One" - die Lektüre ist auch ein vergnüglicher Spaziergang durch die Kulturgeschichte. Die Lektion im Fach Debattenfreude und Rhetorik hat Oltermann, anders als Theodor W. Adorno, in Oxford gelernt. Der sei, so erinnert sich der Philosoph A. J. Ayer in seinen Memoiren, in Erinnerung durch sein "dandyhaftes Gehabe und Auftreten und seine konstanten Bemühungen herauszufinden, ob man anderen Einwanderern das Privileg gestattet hatte, das ihm bisher verwehrt war, nämlich sein Abendessen am High Table einzunehmen".
HANNES HINTERMEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Witz mit Bart: Welchen Titel trägt das kürzeste Buch der Welt? "Tausend Jahre deutscher Humor". Ein Witz von der Insel, die Deutschland im Augenblick politisch den Rücken zuwendet, obwohl das Interesse der Briten am wirtschaftlich erfolgreichen Nachbarn groß ist (F.A.Z. vom 6. Februar). Der Band "Keeping Up With the Germans" (Dranbleiben an den Deutschen, mithalten mit ihnen), letztes Jahr in England erschienen, macht Stimmung für die deutsch-englische Freundschaft. In der nun auf Deutsch vorliegenden Fassung hat man zwar den Umschlag übernommen, aber einen Titel gewählt, der kein Höhepunkt deutschen Humors ist. (Philip Oltermann: "Dichter und Denker, Spinner und Banker". Eine deutsch-englische Beziehungsgeschichte. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2013. 284 S., br., 12,99 [Euro].)
Die unterschiedliche Auffassung von Humor - das haben alle englischen Rezensenten des durchweg positiv besprochen Buches vermerkt - ist eine Schlüsselfrage. Dessen ungeachtet kommt das Buch nicht ohne intensive Erörterung der fußballerischen Konkurrenz aus. Wembley, EM-Halbfinale 1996, WM-Achtelfinale 2010. Den Antagonisten Kevin Keegan und Berti Vogts ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Dass die Hitlerei zurückstehen muss, hat auch damit zu tun, dass dieses Kapitel der Geschichte nicht mehr alle anderen überdeckt. Oltermann erzählt die Geschichte der nazibegeisterten Unity Mitford und ihrer Plauderei mit dem "Führer": Und er kombiniert diese Anekdote geschickt mit seinem Besuch im Englischen Garten zu München, wo die Mitford sich einst nackt sonnte und in dem er zusammenzuckt, als im Biergarten am Chinesischen Turm die Blasmusik zu spielen beginnt.
Oltermann, Jahrgang 1981, arbeitet für die Online-Ausgabe des "Guardian". Er beschäftigt sich intensiv mit der Vergangenheit, auch mit der von Punk und Britpop. So beginnt seine "The Clash"-Rezeption zweiundzwanzig Jahre nach Gründung der Band. Ein wenig mehr Gegenwart hätte nicht geschadet: Welchen Stellenwert hat Deutschland für heute dreißigjährige Briten? Der Autor hat je eine Lebenshälfte in Norderstedt bei Hamburg und eine in London (beziehungsweise an seinem Studienort Oxford) verbracht. Er neigt eindeutig der englischen Seite zu, und wie so mancher expatriate erreichte er dieses Ziel mit sprachlicher und habitueller Überanpassung.
Der Mini gegen den Käfer, Kurt Schwitters im Lake District, die einseitige Liebe der Deutschen zu "Dinner for One" - die Lektüre ist auch ein vergnüglicher Spaziergang durch die Kulturgeschichte. Die Lektion im Fach Debattenfreude und Rhetorik hat Oltermann, anders als Theodor W. Adorno, in Oxford gelernt. Der sei, so erinnert sich der Philosoph A. J. Ayer in seinen Memoiren, in Erinnerung durch sein "dandyhaftes Gehabe und Auftreten und seine konstanten Bemühungen herauszufinden, ob man anderen Einwanderern das Privileg gestattet hatte, das ihm bisher verwehrt war, nämlich sein Abendessen am High Table einzunehmen".
HANNES HINTERMEIER
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