Jeder geht, aber von jedem muss etwas bleiben
Dieser Satz, den eine fremde Frau auf einem Friedhof zu ihm sagt, bleibt Paul im Gedächtnis. Dabei hat er gerade ganz andere Sorgen. Seine Freundin Julie hat ihn vor Monaten ohne Vorwarnung verlassen und ist seither spurlos verschwunden. Auch
Michael, ihr Bruder und sein Chef, hat angeblich nichts von seiner Schwester gehört. Paul lässt sich gehen,…mehrJeder geht, aber von jedem muss etwas bleiben
Dieser Satz, den eine fremde Frau auf einem Friedhof zu ihm sagt, bleibt Paul im Gedächtnis. Dabei hat er gerade ganz andere Sorgen. Seine Freundin Julie hat ihn vor Monaten ohne Vorwarnung verlassen und ist seither spurlos verschwunden. Auch Michael, ihr Bruder und sein Chef, hat angeblich nichts von seiner Schwester gehört. Paul lässt sich gehen, seine Gedanken kreisen ausschließlich um die verlorene Geliebte, er bringt für nichts mehr Interesse auf. In dieser Situation stößt er bei einem Spaziergang zufällig auf einen englischen Soldatenfriedhof und lernt das ältere Ehepaar Ochs kennen. Diese Begegnung wird weitreichende Folgen für Paul haben ...
„Keilsberg“ ist das Romandebüt von Sebastian Mense. Eine wichtige Rolle in diesem Buch spielt seine Heimatstadt Kassel, bzw. der nahegelegene, wenig bekannte Soldatenfriedhof. Dort sind britische und russische Opfer des Kriegsgefangenenlagers Keilsberg aus dem 1. Weltkrieg bestattet.
Einer dieser Gefangenen war der englische Soldat Thomas Barley. Durch Lieselotte Ochs gerät der Briefwechsel zwischen Tom und seiner Mutter in Pauls Hände. Sie bittet ihn als studierten Anglisten, um die Übersetzung ins Deutsche. Toms Briefe gewähren verstörende Einblicke in das Lagerleben der Kriegsgefangenen. Seine Mutter Madelaine wiederum berichtet über die Lage im England des Jahres 1915. Paul beginnt über Thomas Barley zu recherchieren. Warum passen die Briefe inhaltlich oft nicht richtig zusammen? Was geschah mit Thomas Barley?
Sebastian Mense schreibt flüssig und bildhaft. Seine Charaktere wirken glaubwürdig und haben Tiefe. Die einfühlsame Beschreibung der Situation der Gefangenen, der Schrecken und Entbehrungen, die sie erdulden mussten, berührt. Die Lage der Bevölkerung in Deutschland und England, ihre Gefühle, Ängste wie Hoffnungen, sind anschaulich beschrieben. Man spürt die gründliche Recherche des Autors. Der laufende Wechsel der Perspektiven und der zwei Zeitebenen sorgt für anhaltende Spannung.
Besonders interessant fand ich die Entwicklung Pauls. Zunächst verharrt er im Selbstmitleid und seine Gedanken kreisen ausschließlich um Julie. Doch allmählich findet er in sein Leben zurück. Er schafft es, endlich loszulassen, sein Schicksal wieder selbst in die Hände zu nehmen und eine überfällige Entscheidung zu treffen. Als er endlich ein Lebenszeichen seiner Ex-Freundin sieht, kappt er mühelos die letzte Verbindung zu ihr. Zeitgleich mit seinem „Cold Case“ löst er auch seine eigenen Probleme.
Vielleicht treffen wir Paul ja wieder? Mich hat der Roman sehr gut unterhalten und ich habe Neues über den 1. Weltkrieg erfahren, obwohl ich schon einiges zu diesem Thema gelesen habe. Vielleicht recherchiert Paul auch künftig zu (anderen) historischen Themen? Ein Wiedersehen würde mich freuen, obwohl ich das nach den ersten Kapiteln nicht gedacht hätte.
Ich vergebe die volle Punktzahl und eine Leseempfehlung an alle historisch Interessierten. Aber nicht nur an diese.