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Ein von einer afrikanischen Lanze durchbohrtes Paar, eine Pornoschauspielerin, ein Butler, der in einem New Yorker Aufzug stecken bleibt - mysteriöse Ärzte, wollüstige Ehefrauen, Bodyguards und Gespenster, das sind die Helden in Javier Marías' Erzählungen, die einem abwechselnd den Atem nehmen, einen in schallendes Lachen ausbrechen oder über die ein oder andere Lebensweisheit nachdenken lassen. Javier Marías ist ein Zauberer, "ein bestrickender, manchmal auch dämonischer Verführer" (Paul Ingendaay, Frankfurter Allgemeine Zeitung). "Keine Liebe mehr" vereint endlich Marías' gesammelte Erzählungen: der große Erzähler at its best.…mehr

Produktbeschreibung
Ein von einer afrikanischen Lanze durchbohrtes Paar, eine Pornoschauspielerin, ein Butler, der in einem New Yorker Aufzug stecken bleibt - mysteriöse Ärzte, wollüstige Ehefrauen, Bodyguards und Gespenster, das sind die Helden in Javier Marías' Erzählungen, die einem abwechselnd den Atem nehmen, einen in schallendes Lachen ausbrechen oder über die ein oder andere Lebensweisheit nachdenken lassen. Javier Marías ist ein Zauberer, "ein bestrickender, manchmal auch dämonischer Verführer" (Paul Ingendaay, Frankfurter Allgemeine Zeitung). "Keine Liebe mehr" vereint endlich Marías' gesammelte Erzählungen: der große Erzähler at its best.
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Autorenporträt
Javier Marías, 1951 als Sohn einer Lehrerin und eines vom Franco-Regime verfolgten Philosophen geboren, veröffentlichte seinen ersten Roman mit neunzehn Jahren. Seit seinem Bestseller ¿Mein Herz so weiß¿ gilt er weltweit als beachtenswertester Erzähler Spaniens. Zuletzt erschien sein Roman 'Berta Isla'; im Oktober 2022 erscheint sein letzter Roman 'Tomás Nevinson'. Sein umfangreiches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Nelly-Sachs-Preis sowie dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Seine Bücher wurden in über vierzig Sprachen übersetzt. Am 11. September 2022 ist Javier Marías in Madrid verstorben.
Rezensionen
Erzählungen aus vierzig Jahren. [...] der spanische Schriftsteller ist ein Meister darin, mit Momenten zu überraschen, in denen Menschen alle Sicherheit verlieren Carmen Eller Die Welt/Literarische Welt 20161105

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016

So skrupulös ist dieser Autor, so pausbäckig sein Verlag

Ein dicker Band und wenig Überblick: Die gesammelten Erzählungen von Javier Marías lassen auf Deutsch die editorische Sorgfalt vermissen.

Von Paul Ingendaay

Vor wenigen Wochen hat Javier Marías in seiner Kolumne für das Magazin der Zeitung "El País" wieder von seiner Mutter Lolita erzählt, deren Todesalter - 65 Jahre - er selbst gerade überschritten hat, und wer das Werk des spanischen Schriftstellers kennt, weiß, dass nichts ihn so sehr beschäftigt wie die Zeit. Jene Zeit, die uns vorausging und in der wir selbst noch kein Bewusstsein hatten; dann die Zeit, die unsere eigene ist, der Leuchtturm, von dem aus wir alles andere betrachten, obwohl unser Licht die Gegenstände weiter draußen immer nur für kurze Augenblicke streift und sie dann wieder im Dunkel zurücklässt; und die Zeit, die noch vor uns liegt, die wir nicht kennen, aber in Gedanken antizipieren, fürchten oder herbeisehnen, je nach Gelegenheit. Wahrscheinlich werden in Spanien und Lateinamerika gerade Doktorarbeiten über "Das Konzept der Zeit im Werk von Javier Marías" oder dergleichen verfasst; sicher ist jedenfalls, dass man jedes einzelne seiner Bücher mit dieser Lupe betrachten könnte und interessante Erkenntnisse daraus zöge.

Wir können uns diese Vorrede erlauben, weil der gerade herausgekommene fünfhundertseitige Erzählband "Keine Liebe mehr - Akzeptierte und akzeptable Erzählungen" dem deutschen Publikum zu rund zwei Dritteln bekannt ist, wenn es die beiden früheren Erzählsammlungen des Autors zur Kenntnis genommen hat: "Während die Frauen schlafen", erschienen 1999 im Verlag Klaus Wagenbach, und "Als ich sterblich war", erschienen im selben Jahr bei Klett-Cotta, Marías damaligem deutschen Hausverlag. Der erste der beiden Bände kam im Original 1990 heraus und wurde in Spanien zehn Jahre später - also gerade ein Jahr nach der deutschen Übersetzung - um vier Texte erweitert noch einmal veröffentlicht. Das Hinzugekommene steigerte die Qualität nicht, im Gegenteil, es handelte sich dabei teils um wenig bedeutende Frühwerke, einmal auch um eine Variante, die den Schauplatz der Geschichte "Keine Liebe mehr" lediglich von England nach Mexiko verlegt, mit den entsprechenden Orts- und Namensänderungen sowie atmosphärischen Retuschen und einem neuen Titel: "Nennen wir es Sehnsucht".

Marías erläutert dieses Vorgehen im spanischen Vorwort. Man bat ihn um einen Text für eine Anthologie, deren Ertrag den armen Kindern von Chiapas zugutekommen sollte. Der Autor wollte helfen, hatte aber nichts vorrätig, die Zeit drängte - und indem er eine vorhandene Story rasch zu einer neuen umbaute, konnte er zu einem Band beitragen, der den Kindern von Chiapas gewisse Einkünfte verschafft haben dürfte. Der zweite der beiden Originalbände - "Als ich sterblich war" - erschien im Original 1995 und ist seitdem unverändert nachgedruckt worden. Deutsche Rezensenten monierten hier oder da den Gelegenheitscharakter der Texte; man ist bei uns schnell mit dem Verdacht bei der Hand, ein soeben zu Bestsellerruhm aufgestiegener Autor wolle inferiore Ware "nachlegen", solange der Markt noch heiß ist, oder aber sein Verlag beabsichtige, von der frischen Reputation zu profitieren.

Sämtliche dieser Argumente beruhen im Fall Marías auf Ressentiment, Ahnungslosigkeit oder beidem. Im spanischen Vorwort legt der Autor offen, elf der zwölf Geschichten seien Auftragsarbeiten für Zeitungen, Magazine oder Anthologien gewesen - was nicht nur den Umfang, sondern oft auch das Thema und manchmal sogar die verwendeten Handlungselemente beeinflusst hat. Anders als in Deutschland, wo man heimlich noch an die Genieästhetik zu glauben scheint, haftet solchen Texten in der spanisch- oder englischsprachigen Welt kein übler Geruch an. Der Markt, der Auftraggeber und selbst enge formale Vorgaben können die kreative Arbeit stimulieren - und tun es, wenn der Schriftsteller die Umstände zu seinen Gunsten zu wenden vermag. Alles, so die Grundannahme, ist Material.

Die poetologischen Äußerungen von Javier Marías lassen auf einen hochprofessionellen, ganz dem Schreiben ergebenen Handwerker schließen, der die Bedingungen seines eigenen Tuns ohne Koketterie oder grandiose Gesten dokumentiert. Wenn er im vorliegenden Band nicht nur 23 "akzeptierte", sondern eben auch sieben "akzeptable" Erzählungen vorlegt, dann nach langem Zögern, das er dem Leser im spanischen Vorwort erklärt: Der Autor findet manche dieser Texte nämlich durchaus nicht gut genug, er hatte lange seine Zweifel, ob er sie überhaupt zeigen dürfe (frühere Vorworte zeugen davon), doch der Wille zur Vollständigkeit behielt am Ende die Oberhand, und hier sind sie nun: manchmal frühreife, rhetorisch zu ausladende oder auch thematisch vage Geschichten aus einer Zeit, den siebziger Jahren, da Marías noch nicht im unverwechselbaren Marías-Ton schrieb. Den erreichte er erst 1986, im Alter von 35 Jahren, mit seinem fünften Roman, "Der Gefühlsmensch", und landete dann mit seinem siebten, "Mein Herz so weiß" (die deutsche Übersetzung erschien erst vier Jahre nach dem 1992 herausgekommenen spanischen Original), einen Sensationserfolg. Wenn man bedenkt, dass der Autor aber schon mit sechzehn in einer kleinen Tageszeitung seine erste Erzählung "Leben und Tod des Marcelino Iturriaga" publizierte - ein sympathisches, klar geschriebenes Stück über einen jungen Mann, der die Welt vom Totenreich aus betrachtet und damit die Gespensterliebe des Autors präludiert -, wird einem erst klar, wie viele Berufsjahre der 1951 geborene Marías schon auf dem Buckel hat: ein halbes Jahrhundert.

Wir können uns die Vorrede erlauben, hieß es oben im zweiten Absatz. Das war zu vornehm ausgedrückt. Im Grunde müsste die ganze Rezension aus Vorrede bestehen, weil der S. Fischer Verlag sämtliche Vorworte des Autors zu seinen Erzählungen aus der Sammelausgabe von 2012 - die ihrerseits alle früheren Vorworte mitaufnahm, zusammen rund zehn Seiten - gestrichen hat. Damit entzieht der Verlag Javier Marías das Wort - darunter etwa die am Ende geäußerte Annahme, er werde möglicherweise überhaupt keine Erzählungen mehr schreiben - und raubt ihm zusammen mit der Selbstaussage gerade den Werkstattbegriff, auf den es diesem reflektierten Autor so ankommt. All die Erläuterungen, Anmerkungen und Drucknachweise, die Einwände und unumwunden eingestandenen Schwächen manches Textes, die den Autor eher größer machen, nicht kleiner: Dem deutschen Leser werden sie vorenthalten.

Was man jetzt in Händen hat, ist also eine Erzählsammlung, die die Spuren ihrer komplexen Entstehung konsequent verwischt. Zwar werden die verdienstvollen Übersetzerinnen der früheren Erzählbände - Renata Zuniga und die verstorbene Elke Wehr - genannt, zusammen mit der neuen, der immer versierten Susanne Lange; doch die Titel der beiden Originalbände, aus denen die neue Ausgabe zu siebzig Prozent besteht, erscheinen nur in winziger Type im Impressum. Selbst die Entstehungsjahre, die in der spanischen Ausgabe praktischerweise gleich im Inhaltsverzeichnis hinter jeder Erzählung genannt werden, so dass der Leser sich auf der Marías-Zeitachse orientieren kann, werden in der deutschen Edition ans Ende des einzelnen Textes gesetzt: alles, um den Überblick zu erschweren. Wenn dann noch hinzukommt, dass eine Story im Inhaltsverzeichnis "In der unterschiedenen Zeit" heißt, in der Überschrift dagegen "In der unentschiedenen Zeit" (richtig ist die zweite Version), entsteht, um das mindeste zu sagen, der Eindruck von Achtlosigkeit.

Daher schnell zum Serviceteil: Neu ist die fünfzig Seiten lange Erzählung "Mala índole" aus dem Jahr 1996, deren deutschen Titel der Verlag leider nicht nur mit "Böses Blut" wiedergibt, sondern mit "Böses Blut oder mit Elvis in Mexiko". Uff! Man will sich sehr klein zusammenrollen vor so viel Pausbäckigkeit. Die Geschichte selbst erinnert aufgrund ihrer latenten Bedrohlichkeit, aber auch der genüsslich-boshaften Figurenzeichnung an manche Kapitel von Marías' Romanen, die wie Geschichten innerhalb der Geschichte wirken. Auch hier geht es, wie in einer meisterhaften Szene aus "Mein Herz so weiß", um die Nöte eines Dolmetschers, doch diesmal gerät der arme Kerl in die Fänge eines überempfindlichen mexikanischen Gangsterbosses. Die drei folgenden neuen Erzählungen - geschrieben zwischen 2000 und 2005 und damit möglicherweise die letzten Vertreter dieses Genres, die wir von ihm bekommen werden - sind weitere Beispiele für Marías' maliziöse Beobachtungskunst und seinen Hang zu schicksalhaften, elegant inszenierten Verstrickungen. Einige der anderen Meistererzählungen wieder zu lesen lohnt sich natürlich immer - "Während die Frauen schlafen" etwa, "Was der Butler sagte", "Der Nachtarzt", "Als ich sterblich war" oder "Zerbrochenes Fernglas". Nehmen wir das Ganze also als Prosawundertüte, etwas anderes geht nicht, und was oben liegt, liegt oben.

Javier Marías: "Keine Liebe mehr". Akzeptierte und akzeptable Erzählungen.

Aus dem Spanischen von Susanne Lange, Elke Wehr und Renata Zuniga. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2016. 510 S., geb., 25,- [Euro].

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