Bewegendes Roadmovie von Besteller-Autor Oliver Scherz. Für Mädchen und Jungen ab 8 Jahren.
Lange, sehr lange schon wartet Carlo schon auf seinen italienischen Papa. Immer wieder vertröstet er Carlo, dass er ihn besuchen kommt. Aber er kommt einfach nicht. Also macht Carlo sich auf den Weg zu ihm nach Palermo. Ganz allein, im Nachtzug, im Taxi und mit der Fähre. Ohne Fahrkarte oder festen Plan. Dabei erlebt er so manches Abenteuer und lernt außergewöhnliche Menschen kennen. Bis er endlich vor der Tür seines Vaters steht...
Lange, sehr lange schon wartet Carlo schon auf seinen italienischen Papa. Immer wieder vertröstet er Carlo, dass er ihn besuchen kommt. Aber er kommt einfach nicht. Also macht Carlo sich auf den Weg zu ihm nach Palermo. Ganz allein, im Nachtzug, im Taxi und mit der Fähre. Ohne Fahrkarte oder festen Plan. Dabei erlebt er so manches Abenteuer und lernt außergewöhnliche Menschen kennen. Bis er endlich vor der Tür seines Vaters steht...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2015Vom Zehnmeterbrett nach Sizilien
Wo ein Wille ist, ist auch ein Carlo: Oliver Scherz erzählt von der rasanten Vatersuche eines Halbitalieners.
Von Felicitas von Lovenberg
Manche schnappen sich schon mit drei Jahren den Bollerwagen und machen sich auf den Weg, das Abenteuer zu suchen - wobei der Hunger sie spätestens zum Abendessen ziemlich sicher wieder heimtreibt. Von Lindgrens Lotta und Rasmus bis hin zu Twains Huckleberry Finn ist die Kinderliteratur voll von Ausreißern, die vor jemandem weglaufen, jemanden wiederfinden oder retten wollen oder einfach ein besseres Leben suchen. Jetzt gibt es einen neuen Ausreißer, der es mit den Klassikern aufnehmen kann: Don Carlo von Oliver Scherz.
Don Carlo heißt eigentlich Carlo und lebt in Bochum. Er ist elf, sieht aber aus wie dreizehn, vor allem, wenn er Anzug, Hemd und Krawatte trägt: dann sieht er nämlich aus "wie ein italienischer Don. Don Carlo, der Gangsterboss" - was ihm durchaus erstrebenswert erscheint. Der Anzug stammt von seinem italienischen Vater, und der wiederum ist in Palermo, seit Carlos Mutter ihn vor einiger Zeit, genauer gesagt: vor fünf Monaten, zwei Wochen und sechs Tagen, rausgeworfen hat. Seitdem wartet Carlo sehnsüchtig darauf, dass sein Vater zurückkommt. "Ich warte immer. In der Schule, im Bett, beim Essen. Aber Mama will nicht hin und Papa kommt nicht her."
Weil das kein Zustand ist, mit dem Carlo sich auf Dauer abzufinden gedenkt, hat er einen Plan gefasst. Der lautet: seiner Mutter sagen, dass er Samstag bei einem Freund schläft - weil sie mal wieder Nachtschicht hat bei ihrer Arbeit im Altersheim, wird sie seine Abwesenheit erst am Montagmorgen bemerken, darum muss er bis zum Frühstück wieder da sein. Das gibt ihm ungefähr zwei Tage, um nach Palermo zu fahren, dort seinen Papa zu überraschen und mit ihm zurück nach Bochum zu reisen. Die Italien-Karte hat er sich eingeprägt, Palermo liegt auf einer Insel, und die liegt wie ein Ball direkt vor der Fußspitze des Stiefels Italien. Es kann also praktisch nichts schiefgehen. Und außerdem, so hat sein Vater es ihm immer wieder gesagt: "Wenn du was willst, musst du's durchziehn, Carlo. Dann schaffst du alles! Bloß nicht so viel denken!" Nach solchen Ansagen sprang der Vater dann vom Zehnmeterbrett, Hintern voraus.
Das ist die Lektion, die Carlo im Kopf hat, als er sich ohne Fahrkarte in den ICE nach München setzt. Die erste Etappe seiner Reise bewältigt er mit Hilfe von Pizzabrötchen, die er sich noch schnell als Reiseproviant in die Anzugtasche gesteckt hat. Die Strecke von München nach Rom im Nachtzug verbringt er als blinder Passagier, und von Rom bis nach Palermo wird es dann richtig abenteuerlich, auch weil Carlo die Erfahrung machen muss, dass es nicht alle Leute, die ihm unterwegs begegnen, gut mit ihm meinen. Doch so rasant die Geschichte auch ist, die Oliver Scherz in "Keiner hält Don Carlo auf" erzählt - unwiderstehlich ist sie nicht der Handlung, sondern des Tons wegen. Carlo quasselt so schnell, vertraut und eingeschworen daher, als würde er seinem besten Freund oder eben seinem Vater zum wiederholten Mal von den Abenteuern erzählen, die er bestanden hat, um zu ihm zu kommen - so dass die Pointen cool und lässig wirken und die Langeweile des Zwischendurch ausgeblendet wird.
Carlo ist ein Halbstarker, wie er nicht nur im Buche steht, halb Kind, halb Mann, noch dazu halber Italiener, der die Ideale seines Vaters von Fußball bis Pizza ebenso verinnerlicht hat, wie er dessen breitbauchiges Gehabe nachzuahmen sucht. Was sein Papa mit Carlo unternehmen will, wenn dieser ihn irgendwann einmal auf Sizilien besucht, hat er ihm auf Postkarten immer wieder ausgemalt: "Ins Casino gehen, Tintenfische essen, mit dem Moped rumheizen, in der Sonne braten . . ." Ganz so dolce ist la vita dann zwar nicht, als Carlo endlich in Palermo ankommt, aber der Stolz, mit dem sein Papa ihn allen vorstellt, macht die uneingestandene Enttäuschung wieder wett - und die Mentalitätsschule, die er absolviert hat, tut ihr Übriges.
"Keiner hält Don Carlo auf" ist eine Abenteuergeschichte und ein Sittengemälde, ein kleiner, ganz und gar undeutscher Bildungsroman - reich an Tempo und Action, vor allem aber an jenem Humor, der in diesem Fall nicht Mutter-, sondern Vaterwitz heißen muss. Wie Carlo der Welt in Anzug, Fußballtrikot und mit dauerknurrendem Magen selbstbewusst als Miniaturmafioso entgegentritt, ist absolut mitreißend dargestellt - auch in den sparsam eingestreuten Illustrationen von Peter Schössow, der Carlos charakteristisch gerundete Silhouette gleichfalls als Urtyp und Klassiker, als Original und Exempel zugleich in schwarzweißen Vignetten in Szene zu setzen versteht.
Oliver Scherz: "Keiner hält Don Carlo auf".
Mit Bildern von Peter Schössow. Thienemann Verlag, Stuttgart 2015. 112 S., geb., 9,99 [Euro]. Ab 8 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wo ein Wille ist, ist auch ein Carlo: Oliver Scherz erzählt von der rasanten Vatersuche eines Halbitalieners.
Von Felicitas von Lovenberg
Manche schnappen sich schon mit drei Jahren den Bollerwagen und machen sich auf den Weg, das Abenteuer zu suchen - wobei der Hunger sie spätestens zum Abendessen ziemlich sicher wieder heimtreibt. Von Lindgrens Lotta und Rasmus bis hin zu Twains Huckleberry Finn ist die Kinderliteratur voll von Ausreißern, die vor jemandem weglaufen, jemanden wiederfinden oder retten wollen oder einfach ein besseres Leben suchen. Jetzt gibt es einen neuen Ausreißer, der es mit den Klassikern aufnehmen kann: Don Carlo von Oliver Scherz.
Don Carlo heißt eigentlich Carlo und lebt in Bochum. Er ist elf, sieht aber aus wie dreizehn, vor allem, wenn er Anzug, Hemd und Krawatte trägt: dann sieht er nämlich aus "wie ein italienischer Don. Don Carlo, der Gangsterboss" - was ihm durchaus erstrebenswert erscheint. Der Anzug stammt von seinem italienischen Vater, und der wiederum ist in Palermo, seit Carlos Mutter ihn vor einiger Zeit, genauer gesagt: vor fünf Monaten, zwei Wochen und sechs Tagen, rausgeworfen hat. Seitdem wartet Carlo sehnsüchtig darauf, dass sein Vater zurückkommt. "Ich warte immer. In der Schule, im Bett, beim Essen. Aber Mama will nicht hin und Papa kommt nicht her."
Weil das kein Zustand ist, mit dem Carlo sich auf Dauer abzufinden gedenkt, hat er einen Plan gefasst. Der lautet: seiner Mutter sagen, dass er Samstag bei einem Freund schläft - weil sie mal wieder Nachtschicht hat bei ihrer Arbeit im Altersheim, wird sie seine Abwesenheit erst am Montagmorgen bemerken, darum muss er bis zum Frühstück wieder da sein. Das gibt ihm ungefähr zwei Tage, um nach Palermo zu fahren, dort seinen Papa zu überraschen und mit ihm zurück nach Bochum zu reisen. Die Italien-Karte hat er sich eingeprägt, Palermo liegt auf einer Insel, und die liegt wie ein Ball direkt vor der Fußspitze des Stiefels Italien. Es kann also praktisch nichts schiefgehen. Und außerdem, so hat sein Vater es ihm immer wieder gesagt: "Wenn du was willst, musst du's durchziehn, Carlo. Dann schaffst du alles! Bloß nicht so viel denken!" Nach solchen Ansagen sprang der Vater dann vom Zehnmeterbrett, Hintern voraus.
Das ist die Lektion, die Carlo im Kopf hat, als er sich ohne Fahrkarte in den ICE nach München setzt. Die erste Etappe seiner Reise bewältigt er mit Hilfe von Pizzabrötchen, die er sich noch schnell als Reiseproviant in die Anzugtasche gesteckt hat. Die Strecke von München nach Rom im Nachtzug verbringt er als blinder Passagier, und von Rom bis nach Palermo wird es dann richtig abenteuerlich, auch weil Carlo die Erfahrung machen muss, dass es nicht alle Leute, die ihm unterwegs begegnen, gut mit ihm meinen. Doch so rasant die Geschichte auch ist, die Oliver Scherz in "Keiner hält Don Carlo auf" erzählt - unwiderstehlich ist sie nicht der Handlung, sondern des Tons wegen. Carlo quasselt so schnell, vertraut und eingeschworen daher, als würde er seinem besten Freund oder eben seinem Vater zum wiederholten Mal von den Abenteuern erzählen, die er bestanden hat, um zu ihm zu kommen - so dass die Pointen cool und lässig wirken und die Langeweile des Zwischendurch ausgeblendet wird.
Carlo ist ein Halbstarker, wie er nicht nur im Buche steht, halb Kind, halb Mann, noch dazu halber Italiener, der die Ideale seines Vaters von Fußball bis Pizza ebenso verinnerlicht hat, wie er dessen breitbauchiges Gehabe nachzuahmen sucht. Was sein Papa mit Carlo unternehmen will, wenn dieser ihn irgendwann einmal auf Sizilien besucht, hat er ihm auf Postkarten immer wieder ausgemalt: "Ins Casino gehen, Tintenfische essen, mit dem Moped rumheizen, in der Sonne braten . . ." Ganz so dolce ist la vita dann zwar nicht, als Carlo endlich in Palermo ankommt, aber der Stolz, mit dem sein Papa ihn allen vorstellt, macht die uneingestandene Enttäuschung wieder wett - und die Mentalitätsschule, die er absolviert hat, tut ihr Übriges.
"Keiner hält Don Carlo auf" ist eine Abenteuergeschichte und ein Sittengemälde, ein kleiner, ganz und gar undeutscher Bildungsroman - reich an Tempo und Action, vor allem aber an jenem Humor, der in diesem Fall nicht Mutter-, sondern Vaterwitz heißen muss. Wie Carlo der Welt in Anzug, Fußballtrikot und mit dauerknurrendem Magen selbstbewusst als Miniaturmafioso entgegentritt, ist absolut mitreißend dargestellt - auch in den sparsam eingestreuten Illustrationen von Peter Schössow, der Carlos charakteristisch gerundete Silhouette gleichfalls als Urtyp und Klassiker, als Original und Exempel zugleich in schwarzweißen Vignetten in Szene zu setzen versteht.
Oliver Scherz: "Keiner hält Don Carlo auf".
Mit Bildern von Peter Schössow. Thienemann Verlag, Stuttgart 2015. 112 S., geb., 9,99 [Euro]. Ab 8 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Hilde Elisabeth Menzel ist ganz verliebt in die Kinderbücher von Oliver Scherz. Entsprechend begeistert liest sie nun den neuen pointenreichen Roman "Keiner hält Don Carlo auf", der von dem kleinen dicken Carlo erzählt, der mit seiner Mutter in Bochum lebt und sich als blinder Passagier auf den Weg zu seinem Vater nach Palermo macht. Vergnügt erlebt die Kritikerin nicht nur die vielen herrlichen, typisch italienischen Abenteuer des kleinen Jungen, sondern bewundert auch die Illustrationen von Peter Schössow.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ein sehr gelungenes Buch, das in unterhaltsamer Form hinweist auf die Sehnsüchte getrennt lebender Kinder und ihren Wunsch einer Wieder-Zusammenführung der Eltern. Dabei verzichtet der Autor auf ein schnelles Happy End und lässt die Zukunft offen. Ich gebe die höchste Note: fünf Sterne." Christian Meyn-Schwarze Papa-Liste 20200612