Als im Jahr 1349 die Pest ihr Dorf erreicht, gibt es für die 14-jährige Isabel und ihre Familie kein Entkommen. Das Leben, wie sie es kannte und liebte, endet abrupt. An die Stelle von Fürsorge und Vertrauen treten Angst und Schrecken. Weder Gottesfürchtigkeit noch Isolation können die Familie schützen. Als Isabel begreift, dass die fürchterliche Seuche alle Gebote der Menschlichkeit außer Kraft setzt, stemmt sie sich entschlossen gegen die Panik. Couragiert versucht sie, ihr Leben zu leben, und beweist Hoffnung, Mitgefühl und Mut in einer Zeit des Terrors und der Trauer. Ein packendes Jugendbuch über eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte und - die Kraft des Einzelnen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Starkes Mädchen Isabel! Für Ramona Lenz sind das Mitgefühl, die Entschlossenheit und der Mut der Hauptfigur in diesem Buch von Sally Nicholls über ein mittelalterliches englisches Dorf während der Pestzeit der einzige Lichtblick. Schonungslos und unerbittlich erscheint der Rezensentin, wie Nicholls den Aberglauben, die miesen hygienischen Verhältnisse, die sinnlosen medizinischen Behandlungsmethoden und die unaufhaltsame Ausbreitung der Pest beschreibt. Kurzes Glück, kleine Hoffnungen im Buch sieht Lenz sofort wieder zerschlagen. Was ihr bleibt ist die erstaunliche Perspektive Isabels und die plastische Nähe, die Nicholls Erzählung erzeugt, eine Nähe, die Raum und Zeit zu überwinden scheint, wie die Rezensentin nahelegt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2014Das große Sterben und der erste Kuss
Sally Nicholls weiß, wie die Pest nach England kam
Der kleine Edward, die fürsorgliche Alice, der gutmütige Robin und viele weitere Bewohnerinnen und Bewohner von Ingleforn wirken bereits nach wenigen Seiten so vertraut wie eigene Familienmitglieder und Nachbarn. Sally Nicholls schildert den Alltag in dem mittelalterlichen englischen Dorf so plastisch, dass die räumliche und zeitliche Distanz zum Schauplatz des Romans und zu seinen Protagonisten zusehends schwindet. Diese meisterhaft erzeugte Nähe ist für empfindsame Gemüter jedoch schwer auszuhalten. Denn spätestens nach der Lektüre des Prologs ist klar, dass viele der Dorfbewohner, die man gerade kennen und mögen gelernt hat, das kommende Jahr nicht überleben werden: Die Pest ist ausgebrochen und wird auch Ingleforn nicht verschonen.
Wie die tödliche Krankheit näher kommt und immer mehr Dorfbewohner auf grausame Art dahinrafft, wird erzählt aus der Perspektive der vierzehnjährigen Isabel, die mit ihren drei jüngeren Geschwistern, dem Vater und der Stiefmutter als Leibeigene in einem kleinen Haus am Rand des Dorfes lebt. Ihre großen Brüder sind bereits ausgezogen. Isabel träumt davon, später einmal wie ihr Vater Land in Ingleforn zu bewirtschaften. Gleichzeitig möchte sie aber auch eines Tages frei sein von Frondiensten für einen Grundherrn und selbst über ihr Leben bestimmen. Schon jetzt hilft sie bei allen anfallenden Arbeiten im Haus und auf dem Feld und kümmert sich um die kleinen Geschwister. Trotz aller Verantwortung ist sie noch immer ein Kind, das seine Eltern braucht. Ein junges Mädchen, das im Jahr 1349, in dem einer nach dem anderen stirbt, zwischen zwei Jungen aus dem Dorf hin- und hergerissen ist und den ersten Kuss erlebt.
Im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen, die diejenigen, die an der Pest erkrankt sind, allein sterben lassen, beweist Isabel jedoch ein enormes Verantwortungsbewusstsein. Sie sorgt dafür, dass Kranke Nahrung auf ihrer Türschwelle finden. Sie kümmert sich auch darum, dass ein Geistlicher ihnen die letzte Beichte abnimmt. Dass die Krankheit schließlich auch Geistliche befällt, beunruhigt sie und viele andere sehr. Zuvor war man davon ausgegangen, dass die Pest eine Strafe Gottes für Ungläubige ist, vor der man sich am besten mit einem gottgefälligen Leben schützt. Je mehr Geistliche und Kinder jedoch an der Krankheit sterben, desto mehr fürchten die Menschen, dass das Ende der Welt bevorsteht.
Ganz ohne belehrenden Beigeschmack vermittelt der Jugendroman "Keiner kommt davon" eine Vorstellung vom Alltagsleben in einem mittelalterlichen Dorf in England. Die Geschichte von Isabel und ihrer Familie zeigt, wie Glaube und Aberglaube sowie die miserablen hygienischen Verhältnisse und die sinnlosen Behandlungsmethoden der Medizin zu einer Verbreitung der Pest beitrugen. Womöglich fürchten die Leser und Leserinnen gemeinsam mit der Erzählerin den Tod des ersten geliebten Menschen und gewöhnen sich dann ebenso wie sie zunehmend daran, dass nichts und niemand mehr sicher ist. Die Autorin schont ihre jungen Leser nicht. Erleichterung über unverhofftes Glück im Unglück wird unerbittlich wenige Seiten später wieder zunichtegemacht.
Der einzige Lichtblick, den Nicholls ihren Leserinnen und Lesern bis zum Ende lässt, ist die enorme Stärke, das unverbrüchliche Mitgefühl und die mutige Entschlossenheit von Isabel.
RAMONA LENZ
Sally Nicholls: "Keiner kommt davon. Eine Geschichte vom Überleben." Aus dem Englischen von Beate Schäfer. Hanser Verlag, München 2014. 288 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sally Nicholls weiß, wie die Pest nach England kam
Der kleine Edward, die fürsorgliche Alice, der gutmütige Robin und viele weitere Bewohnerinnen und Bewohner von Ingleforn wirken bereits nach wenigen Seiten so vertraut wie eigene Familienmitglieder und Nachbarn. Sally Nicholls schildert den Alltag in dem mittelalterlichen englischen Dorf so plastisch, dass die räumliche und zeitliche Distanz zum Schauplatz des Romans und zu seinen Protagonisten zusehends schwindet. Diese meisterhaft erzeugte Nähe ist für empfindsame Gemüter jedoch schwer auszuhalten. Denn spätestens nach der Lektüre des Prologs ist klar, dass viele der Dorfbewohner, die man gerade kennen und mögen gelernt hat, das kommende Jahr nicht überleben werden: Die Pest ist ausgebrochen und wird auch Ingleforn nicht verschonen.
Wie die tödliche Krankheit näher kommt und immer mehr Dorfbewohner auf grausame Art dahinrafft, wird erzählt aus der Perspektive der vierzehnjährigen Isabel, die mit ihren drei jüngeren Geschwistern, dem Vater und der Stiefmutter als Leibeigene in einem kleinen Haus am Rand des Dorfes lebt. Ihre großen Brüder sind bereits ausgezogen. Isabel träumt davon, später einmal wie ihr Vater Land in Ingleforn zu bewirtschaften. Gleichzeitig möchte sie aber auch eines Tages frei sein von Frondiensten für einen Grundherrn und selbst über ihr Leben bestimmen. Schon jetzt hilft sie bei allen anfallenden Arbeiten im Haus und auf dem Feld und kümmert sich um die kleinen Geschwister. Trotz aller Verantwortung ist sie noch immer ein Kind, das seine Eltern braucht. Ein junges Mädchen, das im Jahr 1349, in dem einer nach dem anderen stirbt, zwischen zwei Jungen aus dem Dorf hin- und hergerissen ist und den ersten Kuss erlebt.
Im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen, die diejenigen, die an der Pest erkrankt sind, allein sterben lassen, beweist Isabel jedoch ein enormes Verantwortungsbewusstsein. Sie sorgt dafür, dass Kranke Nahrung auf ihrer Türschwelle finden. Sie kümmert sich auch darum, dass ein Geistlicher ihnen die letzte Beichte abnimmt. Dass die Krankheit schließlich auch Geistliche befällt, beunruhigt sie und viele andere sehr. Zuvor war man davon ausgegangen, dass die Pest eine Strafe Gottes für Ungläubige ist, vor der man sich am besten mit einem gottgefälligen Leben schützt. Je mehr Geistliche und Kinder jedoch an der Krankheit sterben, desto mehr fürchten die Menschen, dass das Ende der Welt bevorsteht.
Ganz ohne belehrenden Beigeschmack vermittelt der Jugendroman "Keiner kommt davon" eine Vorstellung vom Alltagsleben in einem mittelalterlichen Dorf in England. Die Geschichte von Isabel und ihrer Familie zeigt, wie Glaube und Aberglaube sowie die miserablen hygienischen Verhältnisse und die sinnlosen Behandlungsmethoden der Medizin zu einer Verbreitung der Pest beitrugen. Womöglich fürchten die Leser und Leserinnen gemeinsam mit der Erzählerin den Tod des ersten geliebten Menschen und gewöhnen sich dann ebenso wie sie zunehmend daran, dass nichts und niemand mehr sicher ist. Die Autorin schont ihre jungen Leser nicht. Erleichterung über unverhofftes Glück im Unglück wird unerbittlich wenige Seiten später wieder zunichtegemacht.
Der einzige Lichtblick, den Nicholls ihren Leserinnen und Lesern bis zum Ende lässt, ist die enorme Stärke, das unverbrüchliche Mitgefühl und die mutige Entschlossenheit von Isabel.
RAMONA LENZ
Sally Nicholls: "Keiner kommt davon. Eine Geschichte vom Überleben." Aus dem Englischen von Beate Schäfer. Hanser Verlag, München 2014. 288 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Will jetzt jemand etwas über die Pest anno 1348 lesen? Ich würde sagen: wann wenn nicht jetzt? ... Die Lektüre berührt heute sicher ganz anders als vor einem Jahr. ... Für diejenigen, die unsere Situation ängstigt, mag dieses Buch zu hart sein, alle anderen werden nach der Lektüre wahrscheinlich dankbar über die aufgeklärte Zeit sein, in der wir leben." Eva-Maria Schnurr, Spiegel Online, 15.12.2020
"Beim Stichwort 'Horror' denken heute viele Teenager an Monster und Filmblut. Die Jugendlichen von damals lässt Nicholls nicht abgestumpft, aber doch irritierend angstlos reagieren. Sie haben zu viele sterben gesehen. Die Lektüre hat eine andere Wirkung: Der Wert des Lebens gewinnt, das Überleben ergibt Sinn - trotz allem." Hans ten Doornkaat, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 30.03.14
"Ihre Figuren sind immer vielschichtig und ihre Sprache einfach und poetisch. Das hat Übersetzerin Beate Schäfer sehr genau getroffen. ... Mit Keiner kommt davon hat Sally Nicholls einen hervorragend recherchierten, historischen Roman geschrieben." Ruth Dickhoven, WDR5 Scala, 15.04.14
"Sally Nicholls schafft es vom Anfang an, eine sehr besondere Stimmung, eine wunderbare Atmosphäre herzustellen. Man ist sofort in diesem mittelalterlichen Dorf und man ist auch sofort in dieser Zeit, die natürlich auch diese ganzen Ängste beinhaltet. Das ist wirklich große Schreibkunst, wenn der Leser Farben sieht und Gerüche riecht, die nicht ausgeführt sind, die nicht beschrieben sind und das gelingt ihr tatsächlich. Es ist aber nicht nur ein Roman über die große Menschlichkeit in Zeiten großer Verzweiflung, sondern die starke Protagonistin zeigt auch, wie groß dieses Bedürfnis ist, frei zu sein." Ute Wegmann, Deutschlandfunk, 03.05.14
"Die Bewohnerinnen und Bewohner von Ingleforn wirken bereits nach wenigen Seiten so vertraut wie eigene Familienmitglieder und Nachbarn. Nicholls schildert den Alltag in dem mittelalterlichen englischen Dorf so plastisch, dass die räumliche und zeitliche Distanz zum Schauplatz des Romans und zu seinen Protagonisten zusehends verschwindet. ... Ganz ohne belehrenden Beigeschmack." Ramona Lenz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.14
"Eine Geschichte vom Überleben." Christine Steffen, Neue Zürcher Zeitung Online, 01.10.14
"Beim Stichwort 'Horror' denken heute viele Teenager an Monster und Filmblut. Die Jugendlichen von damals lässt Nicholls nicht abgestumpft, aber doch irritierend angstlos reagieren. Sie haben zu viele sterben gesehen. Die Lektüre hat eine andere Wirkung: Der Wert des Lebens gewinnt, das Überleben ergibt Sinn - trotz allem." Hans ten Doornkaat, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 30.03.14
"Ihre Figuren sind immer vielschichtig und ihre Sprache einfach und poetisch. Das hat Übersetzerin Beate Schäfer sehr genau getroffen. ... Mit Keiner kommt davon hat Sally Nicholls einen hervorragend recherchierten, historischen Roman geschrieben." Ruth Dickhoven, WDR5 Scala, 15.04.14
"Sally Nicholls schafft es vom Anfang an, eine sehr besondere Stimmung, eine wunderbare Atmosphäre herzustellen. Man ist sofort in diesem mittelalterlichen Dorf und man ist auch sofort in dieser Zeit, die natürlich auch diese ganzen Ängste beinhaltet. Das ist wirklich große Schreibkunst, wenn der Leser Farben sieht und Gerüche riecht, die nicht ausgeführt sind, die nicht beschrieben sind und das gelingt ihr tatsächlich. Es ist aber nicht nur ein Roman über die große Menschlichkeit in Zeiten großer Verzweiflung, sondern die starke Protagonistin zeigt auch, wie groß dieses Bedürfnis ist, frei zu sein." Ute Wegmann, Deutschlandfunk, 03.05.14
"Die Bewohnerinnen und Bewohner von Ingleforn wirken bereits nach wenigen Seiten so vertraut wie eigene Familienmitglieder und Nachbarn. Nicholls schildert den Alltag in dem mittelalterlichen englischen Dorf so plastisch, dass die räumliche und zeitliche Distanz zum Schauplatz des Romans und zu seinen Protagonisten zusehends verschwindet. ... Ganz ohne belehrenden Beigeschmack." Ramona Lenz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.14
"Eine Geschichte vom Überleben." Christine Steffen, Neue Zürcher Zeitung Online, 01.10.14