Die Fähre nach Teshima fährt einmal am Tag und sie hat selten Passagiere für die kleine Insel in der Seto-Inlandsee. Hier leben nur noch ein Dutzend Einwohner, der letzte Fischer ist vor einem Jahr gestorben.
Als Kentaro Kumon zum ersten Mal einen Fuß auf Teshima setzt, betritt er ein fremdes
Land. Hier ist die Zeit zum Stillstand gekommen. Die Fähre legt ab und es breitet sich eine unendliche…mehrDie Fähre nach Teshima fährt einmal am Tag und sie hat selten Passagiere für die kleine Insel in der Seto-Inlandsee. Hier leben nur noch ein Dutzend Einwohner, der letzte Fischer ist vor einem Jahr gestorben.
Als Kentaro Kumon zum ersten Mal einen Fuß auf Teshima setzt, betritt er ein fremdes Land. Hier ist die Zeit zum Stillstand gekommen. Die Fähre legt ab und es breitet sich eine unendliche Ruhe über die Insel aus, welche sich die Natur langsam zurückerobert. Die verlassenen Häuser mit ihren kunstvollen Giebeldächern sind von blauen Königswinden überwuchert, Bambus bedeckt die offengelassenen Feldern. Die wenigen Einwohner sind hochbetagt und gerade noch in der Lage, ihre kleinen Gärten zu pflegen. Teshima wird in absehbarer Zeit unbewohnbar sein. Selbst die Straßen, die in Japan selbst in sehr entlegenen Regionen in gutem Zustand gehalten werden, lösen sich auf.
Ich habe im japanischen Bergland solche fast vergessenen Ortschaften schon gesehen und war immer fasziniert von der melancholischen Atmosphäre, die von ihnen ausgeht. Kentaro Kumon gelingt es, in seinen Bildern eben diese Melancholie, die Stimmung des Verfalls perfekt einzufangen. Die Einwohner wirken schicksalsergeben, aber man hat trotzdem nie den Eindruck, dass sie mit ihrem Schicksal hadern. Die Räume in den traditionellen Holzhäusern sind sauber und ordentlich, verwahrlost ist nichts, nur das alte Fußballtor rostet und der Platz ist mit Unkraut überwuchert. Die Natur hat immer den längeren Atem, auch das zeigen Kumons Momentaufnahmen.
Vielleicht liegt es daran, weil ich solche Bilder schon selber gesehen habe, dass sie in mir diese starken Gefühle auslösen, aber es ist nicht nur das. Sie stehen auch exemplarisch für Japans alternde Gesellschaft, die kaum noch in der Lage ist, die bestehende Infrastruktur zu erhalten. Teshima ist schwer zu erreichen, aber sie zeigt nur den Beginn eines unaufhaltsamen Prozesses, der bald auch die größeren Nachbarinseln erfassen wird. „Nemurushima“, die schlafende Insel, wie der Titel sagt, schläft nicht wirklich. Nur kommt der Zyklus der menschlichen Existenz auf Teshima zu einem natürlichen Ende, und dass dies hier so friedlich und schleichend passiert, hat nichts Trauriges an sich, sondern hinterlässt beim Betrachter eher ein Gefühl meditativer Gelassenheit. Der Tod steht in Japan ganz im Zeichen des Buddhismus. Kumons Bilder auch.